Post aus Harvard
New Yorker Börse. Quelle: AP

Die Gefahren aufgeblasener Vermögenspreise

Martin Feldstein Quelle: Bloomberg, Montage
Martin S. Feldstein US-amerikanischer Ökonom, Professor für Wirtschaftswissenschaften und ehemaliger Oberster Wirtschaftsberater für US-Präsident Ronald Reagan Zur Kolumnen-Übersicht: Post aus Harvard

Nach der Präsidentschaftswahl rücken die wirtschaftlichen Probleme der USA wieder stärker in den Fokus. Der Harvard-Ökonom Martin Feldstein warnt: Das größte ökonomische Risiko in Amerika besteht in einer scharfen Korrektur bei Aktien und Immobilien.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Eigentlich läuft die Wirtschaft der USA gar nicht schlecht. Es herrscht fast Vollbeschäftigung, die Inflation liegt wieder bei rund zwei Prozent. Trotzdem müssen wir uns Gedanken über die Zukunft machen: 2017 könnte einiges schiefgehen – und wenn die US-Wirtschaft ernsthafte Probleme bekommt, hätte dies gravierende Folgen auch für Europa.

Das größte ökonomische Risiko in den USA ist eine scharfe Preiskorrektur bei den Geldanlagen, die Haushalte und Unternehmen unter Druck setzen und zu einem Einbruch der Gesamtnachfrage führen könnte. Die Aktienbewertungen im S&P-500-Index, also der 500 größten börsennotierten US-Unternehmen, liegen, gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis, fast 60 Prozent über dem historischen Durchschnitt. Der Kurs der 30-jährigen Staatsanleihe ist so hoch, dass er einer Rendite von nur etwa 2,3 Prozent entspricht.

Angesichts der aktuellen Inflationserwartungen müsste die Rendite etwa doppelt so hoch sein. Gleichzeitig sind die Preise für Immobilien, die als Renditeobjekt gekauft wurden, in den vergangenen fünf Jahren jährlich um zehn Prozent gestiegen.

Trumps wirtschaftspolitische Pläne

Die aufgeblasenen Vermögenspreise spiegeln die extrem expansive Geldpolitik der USA wider, die bereits fast ein Jahrzehnt andauert. Im Umfeld niedrigster Zinsen haben Investoren auf der Suche nach Rendite die Preise für Aktien und andere Investitionsgüter in die Höhe getrieben. Das dadurch gestiegene Vermögen der Haushalte hat zwar zur wirtschaftlichen Erholung beigetragen. Doch es ist eine Erholung auf wackligem Fundament.

Wie hoch das Risiko ist, zeigt folgende Rechnung: Die US-Haushalte besitzen Geldanlagen in Höhe von 21 Billionen Dollar. Folglich würde ein 35-prozentiger Rückgang der Anlagepreise auf ihren historischen Durchschnittswert zu einem Verlust von über 7,5 Billionen Dollar führen. Auch Pensionsfonds und andere Investoren wären betroffen.

Bei langfristigen Staatsanleihen würde eine Rückkehr der Renditen auf historisches Durchschnittsniveau bei Investoren Verluste von 30 Prozent bewirken. Auch Besitzer von Anleihen kürzerer Laufzeit hätten – proportional niedrigere – Verluste zu tragen. Da Investitionen in Renditeimmobilien im Allgemeinen stark fremdfinanziert sind, könnten dort selbst kleine Preisrückgänge zu großen Verlusten für die Investoren führen.

Der Rückgang der Haushaltsvermögen hätte geringere Konsumausgaben und damit einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zur Folge. Eine Faustregel besagt, dass 100 Dollar Vermögensrückgang vier Dollar weniger Konsum bedeuten. Bei einem Abschmelzen der Vermögenspreise auf ihr historisches Durchschnittsniveau droht mithin ein Rückgang der Ausgaben um 400 Milliarden Dollar – was etwa 2,5 Prozent des BIPs entspricht. Dies würde einen Prozess sich gegenseitig verstärkender Rückgänge von Einkommen und Ausgaben provozieren, der einen noch größeren kumulativen Effekt auf das BIP zur Folge hätte.

Da institutionelle Investoren auf internationale Differenzen der Anlagepreise und -renditen reagieren, würden die großen Rückgänge in den USA von ähnlichen Preisstürzen in anderen Industrieländern begleitet. Ein solcher Preisverfall bedeutet dann auch geringere Einkommen und Ausgaben in anderen Ländern – und folglich sinkende Im- und Exporte.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Es handelt sich hier nicht um eine Prognose, sondern um die Beschreibung eines Risikos, eines denkbaren Szenarios. Die Angst vor einem scharfen Rückgang der Anlagepreise treibt nicht nur Ökonomen um, sondern auch die Notenbank Fed. Es hat seinen Grund, warum die Währungshüter zögern, die kurzfristigen Zinsen schneller zu erhöhen.

Die Marktteilnehmer verfolgen jede Fed-Aktivität genau, um einschätzen zu können, wann der Prozess der Zinsnormalisierung beginnt.

Folgt man historischen Erfahrungen, steigen im Rahmen einer monetären Normalisierung die Langfristzinsen um etwa zwei Punkte. Dies würde ausreichen, um bei Anleihen, Aktien und Immobilien eine deutliche Preiskorrektur einzuleiten. Daher versucht die Fed, die Zinserwartungen zu dämpfen, indem sie auf die Trends bei Demografie und Produktivität hinweist (die langfristig niedrigere Realzinsen bedeuten könnten). Hat die Fed damit Erfolg, könnte sich ein Rückgang der Anlagepreise bremsen lassen. Dennoch dürfen wir die Gefahr scharfer Preiskorrekturen und eines damit verbundenen Abschwungs nicht ignorieren.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%