Eigentlich läuft die Wirtschaft der USA gar nicht schlecht. Es herrscht fast Vollbeschäftigung, die Inflation liegt wieder bei rund zwei Prozent. Trotzdem müssen wir uns Gedanken über die Zukunft machen: 2017 könnte einiges schiefgehen – und wenn die US-Wirtschaft ernsthafte Probleme bekommt, hätte dies gravierende Folgen auch für Europa.
Das größte ökonomische Risiko in den USA ist eine scharfe Preiskorrektur bei den Geldanlagen, die Haushalte und Unternehmen unter Druck setzen und zu einem Einbruch der Gesamtnachfrage führen könnte. Die Aktienbewertungen im S&P-500-Index, also der 500 größten börsennotierten US-Unternehmen, liegen, gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis, fast 60 Prozent über dem historischen Durchschnitt. Der Kurs der 30-jährigen Staatsanleihe ist so hoch, dass er einer Rendite von nur etwa 2,3 Prozent entspricht.
Angesichts der aktuellen Inflationserwartungen müsste die Rendite etwa doppelt so hoch sein. Gleichzeitig sind die Preise für Immobilien, die als Renditeobjekt gekauft wurden, in den vergangenen fünf Jahren jährlich um zehn Prozent gestiegen.
Trumps wirtschaftspolitische Pläne
Trump will für mehr Wachstum in der US-Wirtschaft sorgen. „Bessere Jobs und höhere Löhne“, lautet eines seiner Kernziele. Der Immobilien-Unternehmer will die Staatsschuldenlast der USA von fast 19 Billionen Dollar abbauen. Er bezeichnet die Schuldenlast als unfair gegenüber der jungen Generation und verspricht: „Wir werden Euch nicht damit alleine lassen“. Defiziten im Staatshaushalt will er ein Ende bereiten.
Trump hat umfangreiche Steuersenkungen sowohl für die Konzerne als auch für Familien und Normalverdiener angekündigt. Er spricht von der größten „Steuer-Revolution“ seit der Reform von Präsident Ronald Reagan in den 1980er Jahren. Wer weniger als 25.000 Dollar im Jahr verdient, soll dank eines Freibetrages künftig gar keine Einkommensteuer mehr zahlen. Den Höchstsatz in der Einkommensteuer will er von momentan 39,6 Prozent auf 33 Prozent kappen. Ursprünglich hatte er eine Absenkung auf 25 Prozent in Aussicht gestellt. Die steuerliche Belastung für Unternehmen will Trump auf 15 Prozent von bislang 35 Prozent vermindern. Das soll US-Firmen im internationalen Wettbewerb stärken. Firmen, die profitable Aktivitäten aus dem Ausland nach Amerika zurückholen, sollen darauf eine Steuerermäßigung erhalten. Die Erbschaftsteuer will der Republikaner ganz abschaffen. Eltern sollen in größerem Umfang Kinderbetreuungs-Ausgaben steuerlich absetzen können.
Trump verspricht, der „größte Job-produzierende Präsident“ der USA zu werden, „den Gott jemals geschaffen hat“. Bereits als Unternehmer habe er Zehntausende neue Stellen geschaffen.
Um amerikanische Arbeitsplätze zu sichern, will Trump die Zölle auf im Ausland hergestellte Produkte anheben und die US-Wirtschaft insgesamt stärker gegen Konkurrenz aus dem Ausland schützen. China, aber auch Mexiko, Japan, Vietnam und Indien wirft Trump beispielsweise vor, die Amerikaner „auszubeuten“, indem sie ihre Währungen zum Schaden von US-Exporten abwerten und manipulieren.
Das angestrebte transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) lehnt Trump ab. Für ihn schadet ein freierer Zugang der Europäer zum US-Markt – vor allem zum staatlichen Beschaffungsmarkt – den amerikanischen Firmen. Das geltende Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta will er neu verhandeln, die TPP-Handelsvereinbarung mit asiatischen Staaten aufkündigen. Trump setzt generell anstatt auf multilaterale Handelsabkommen, etwa im Rahmen der Welthandelsorganisation, auf bilaterale Vereinbarungen mit einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen.
Die Handelsbeziehungen zu China, der nach den USA zweitgrößten Wirtschaftsmacht weltweit, will Trump grundlegend überarbeiten. Er wirft der Volksrepublik vor, ihre Währung künstlich zu drücken, um im Handel Vorteile zu erlangen. Er will das Land daher in Verhandlungen zwingen, damit Schluss zu machen. Auch „illegale“ Exportsubventionen soll die Volksrepublik nicht mehr zahlen dürfen. Verstöße gegen internationale Standards in China sollen der Vergangenheit angehören. Mit all diesen Maßnahmen hofft er, Millionen von Arbeitsplätzen in der US-Industrie zurückzugewinnen.
In der Energie- und Klimapolitik hat Trump eine Kehrtwende angekündigt. Er will die USA von den ehrgeizigen Klimaschutzvereinbarungen von Paris abkoppeln, die Umwelt- und Emissionsvorschriften lockern und eine Rückbesinnung auf fossile Energieträger einläuten: „Wir werden die Kohle retten.“ Die umstrittene Fracking-Energiegewinnung sieht Trump positiv.
Trump verspricht der Wirtschaft eine umfassende Vereinfachung bei den staatlichen Vorschriften. Er werde ein Moratorium für jede weitere Regulierung durch die Behörden verhängen, kündigte er an. Trump will Milliarden in die Hand nehmen, um Straßen, Brücken, Flughäfen und Häfen zu bauen und zu modernisieren. Finanzieren will er das unter anderem dadurch, dass die US-Verbündeten einen größeren Teil an den Kosten für Sicherheit und Verteidigung in der Welt übernehmen sollen.
Die aufgeblasenen Vermögenspreise spiegeln die extrem expansive Geldpolitik der USA wider, die bereits fast ein Jahrzehnt andauert. Im Umfeld niedrigster Zinsen haben Investoren auf der Suche nach Rendite die Preise für Aktien und andere Investitionsgüter in die Höhe getrieben. Das dadurch gestiegene Vermögen der Haushalte hat zwar zur wirtschaftlichen Erholung beigetragen. Doch es ist eine Erholung auf wackligem Fundament.
Wie hoch das Risiko ist, zeigt folgende Rechnung: Die US-Haushalte besitzen Geldanlagen in Höhe von 21 Billionen Dollar. Folglich würde ein 35-prozentiger Rückgang der Anlagepreise auf ihren historischen Durchschnittswert zu einem Verlust von über 7,5 Billionen Dollar führen. Auch Pensionsfonds und andere Investoren wären betroffen.
Bei langfristigen Staatsanleihen würde eine Rückkehr der Renditen auf historisches Durchschnittsniveau bei Investoren Verluste von 30 Prozent bewirken. Auch Besitzer von Anleihen kürzerer Laufzeit hätten – proportional niedrigere – Verluste zu tragen. Da Investitionen in Renditeimmobilien im Allgemeinen stark fremdfinanziert sind, könnten dort selbst kleine Preisrückgänge zu großen Verlusten für die Investoren führen.
Der Rückgang der Haushaltsvermögen hätte geringere Konsumausgaben und damit einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zur Folge. Eine Faustregel besagt, dass 100 Dollar Vermögensrückgang vier Dollar weniger Konsum bedeuten. Bei einem Abschmelzen der Vermögenspreise auf ihr historisches Durchschnittsniveau droht mithin ein Rückgang der Ausgaben um 400 Milliarden Dollar – was etwa 2,5 Prozent des BIPs entspricht. Dies würde einen Prozess sich gegenseitig verstärkender Rückgänge von Einkommen und Ausgaben provozieren, der einen noch größeren kumulativen Effekt auf das BIP zur Folge hätte.
Da institutionelle Investoren auf internationale Differenzen der Anlagepreise und -renditen reagieren, würden die großen Rückgänge in den USA von ähnlichen Preisstürzen in anderen Industrieländern begleitet. Ein solcher Preisverfall bedeutet dann auch geringere Einkommen und Ausgaben in anderen Ländern – und folglich sinkende Im- und Exporte.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Es handelt sich hier nicht um eine Prognose, sondern um die Beschreibung eines Risikos, eines denkbaren Szenarios. Die Angst vor einem scharfen Rückgang der Anlagepreise treibt nicht nur Ökonomen um, sondern auch die Notenbank Fed. Es hat seinen Grund, warum die Währungshüter zögern, die kurzfristigen Zinsen schneller zu erhöhen.
Die Marktteilnehmer verfolgen jede Fed-Aktivität genau, um einschätzen zu können, wann der Prozess der Zinsnormalisierung beginnt.
Folgt man historischen Erfahrungen, steigen im Rahmen einer monetären Normalisierung die Langfristzinsen um etwa zwei Punkte. Dies würde ausreichen, um bei Anleihen, Aktien und Immobilien eine deutliche Preiskorrektur einzuleiten. Daher versucht die Fed, die Zinserwartungen zu dämpfen, indem sie auf die Trends bei Demografie und Produktivität hinweist (die langfristig niedrigere Realzinsen bedeuten könnten). Hat die Fed damit Erfolg, könnte sich ein Rückgang der Anlagepreise bremsen lassen. Dennoch dürfen wir die Gefahr scharfer Preiskorrekturen und eines damit verbundenen Abschwungs nicht ignorieren.