Neuseelands Farmen vor Ausverkauf Chinesen auf der Jagd nach dem weißen Gold

Seite 2/4

„Jeder mögliche Cent in die Taschen der Bauern“


Kerry Simpson hat sich ein schönes Haus gebaut, in dem er Touristen empfängt und an der hauseigenen Bar bei gutem Essen und edlem Wein von seinem Erfolg erzählt. „Ich kann mich nicht beklagen“, lacht er.

Doch viele von Simpsons Kollegen singen ein ganz anderes Lied. Hunderte von Bauern sehen sich an den Rand des Ruins gedrängt. Seit Anfang 2014 ist der Preis für Milchtrockenmasse um bis zu 60 Prozent eingebrochen. Der Grund ist ein signifikanter Rückgang der Nachfrage in China, nicht zuletzt - so Experten - weil Peking bis zu 300.000 Tonnen Milchpulver auf Lager hält. Die Bauern mussten in den letzten zwei Jahren einen Einbruch ihres Gewinns von insgesamt etwa sieben Milliarden neuseeländischen Dollar (4,18 Milliarden Euro) hinnehmen.

Die Situation ließ Fonterra zu außergewöhnlichen Maßnahmen greifen. Die Firma, der rund 90 Prozent der neuseeländischen Milchbauern angeschlossen sind, will im laufenden Jahr die Ausschüttung an die Mitglieder verdoppeln, und das früher als geplant. Die Balance von Angebot und Nachfrage weltweit stimme nicht mehr, so Fonterra-Aufsichtsratsschef John Wilson, deshalb gehöre „in diesem echt harten Jahr jeder mögliche Cent in die Taschen der Bauern“. Für viele Landwirte, allen voran jene mit kleineren Herden von bis zu 200 Milchkühen, sind die Maßnahmen ein schwacher Trost.

Die zehn größten Bio-Mythen
Mythos 1: Bioprodukte sind gesünderZwar gibt es Studien, die belegen, dass ökologische Lebensmittel mehr Vitamine und Nährstoffe enthalten – doch andere Untersuchungen widersprechen hier. Daher gibt es keinen eindeutigen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass Bio mit „gesünder“ gleichzusetzen ist. Anders sieht das bei der Pestizidbelastung aus: Hier schneiden Bio-Lebensmittel in der Regel wesentlich besser ab.  Quelle: Welt.de Quelle: dpa
Mythos 2: Bioprodukte sind teurerDer Mehraufwand, etwa für artgerechte Tierhaltung, muss bezahlt werden: 30 bis 100 Prozent kosten Bio-Produkte im Durchschnitt mehr. Doch in vielen Bereichen ist der Preisunterschied zwischen Produkten aus ökologischer und denen aus konventioneller Landwirtschaft kaum noch spürbar – erst recht, seitdem es auch immer mehr Bio-Ware in den Discountern gibt. Bei Obst und Gemüse, etwa bei Karotten oder Äpfeln,  ist der Preisunterschied oft schon verschwunden. Deutlich spürbar bleibt er jedoch bei Fleisch. Quelle: dpa
Mythos 3: Bio-Produkte sind transparentDas stimmt so nicht. Die Vielzahl an unterschiedlichen Siegeln, vom deutschen über das europäische Bio-Siegel bis zu Demeter oder Bioland, ist für Verbraucher kaum zu überschauen – zumal bei allen Kennzeichnungen unterschiedliche Richtlinien gelten. Anbauverbände wie Demeter stellen in der Regel die strengsten Anforderungen, das europäische Bio-Siegel bietet hingegen nur den Mindeststandard.    Quelle: dpa
Mythos 4: Bio ist ein NischenproduktDas galt nur in den Anfangsjahren. 2013 kletterten die Umsätze der Bio-Branche um stattliche 7,2 Prozent auf 7,55 Milliarden Euro, meldet der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Im Öko-Barometer des Bundesernährungsministeriums heißt es, dass inzwischen drei von vier Verbrauchern beim Lebensmitteleinkauf auch nach ökologisch hergestellter Ware greifen. Dabei sind die Konsumenten vor allem junge Verbraucher unter 30 Jahren. Für Gerald Herrmann, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Organic Services, keine Überraschung: „Die jungen Generationen sind vielfach damit aufgewachsen, für sie ist Bio selbstverständlich geworden." Quelle: dpa
Mythos 5: Bio ist bei Bauern beliebtLandwirte, die Bio-Landbau betreiben wollen, haben mit vielen Hürden zu kämpfen. Zum Beispiel mit dem Flächenproblem: Durch die Subventionierung von Energiemais für Biogasanlagen, die durch das EEG festgelegt ist, können sich viele Öko-Betriebe die teuren Pachtpreise nicht mehr leisten. Zudem gibt es Umstellungsfristen von zwei bis drei Jahren, in denen die Landwirte zwar ökologisch produzieren, ihre Ware aber nur zu den Preisen für konventionelle Ware verkaufen dürfen. Quelle: dpa
Mythos 6: Bio ist regional und nachhaltigDie Nachfrage nach Bio-Produkten wächst schnell – die Größe der Anbaufläche und die Zahl der Bauern können da hierzulande nicht mithalten. Deutschland fehlen Tausende Biobauern. Dadurch wird viel importiert: Jede dritte Bio-Kartoffel stammt aus dem Ausland, bei Möhren, Äpfeln und Gurken ist es etwa die Hälfte. Besonders krass ist es bei Bio-Tomaten und –Paprika, sie stammen zu 80 beziehungsweise über 90 Prozent aus allen Ecken der Welt. Wie nachhaltig eine Bio-Kartoffel aus Ägypten, die intensiv bewässert werden muss, dann noch ist, ist äußerst fraglich. Quelle: dpa
Mythos 7: Bio-Produkte enthalten keine ZusatzstoffeDas kann man pauschal so nicht sagen. Insgesamt 50 der knapp 320 zugelassenen Zusatzstoffe wie Aromen oder Konservierungsmittel sind nach der EU-Öko-Verordnung auch für Bio-Lebensmittel zugelassen, sofern das Produkt ohne diese Zusätze nicht hergestellt oder haltbar gemacht werden kann. Quelle: dpa

Kerry Simpson geht es so gut, weil er den schlechteren Preis dank seiner größeren Herde durch eine erhöhte Produktion wettmachen könne, sagt er. Er ist nicht der einzige, der seinen Kühen den letzten Tropfen aus den Eutern presst: Fonterra verarbeitete in den sechs Monaten bis Ende Januar acht Prozent mehr Milch als im Vorjahreszeitraum. Statt in der Milchschwemme zu ertrinken, machte die Kollektive das Beste aus dem Überschuss. Sie fokussierte sich auf Veredelung – etwa die Herstellung von Käse und Eiskrem – und konnte damit sogar ihren Halbjahresgewinn auf 409 Millionen neuseeländische Dollar nach Steuern (246 Millionen Euro) mehr als verdoppeln.

Trotzdem: der Schmerz ist groß, und das ganze Land leidet. Die Notenbank erwartet für das im März abgelaufene Quartal ein BIP-Wachstum von 2,3 Prozent. Im letzten Jahr war die Gesamtwirtschaft noch um 3,6 Prozent gewachsen. Denn bisher war der Milchsektor für ein Viertel der Exporte Neuseelands verantwortlich. Von der Gefahr einer Rezession will allerdings niemand sprechen – noch nicht.

„Unsere Geschichte zeigt, dass wir dafür immer mehrere Schocks brauchen“, erklärt Nathan Penny von der ASB Bank in Auckland. Aber: „Der China-Schock in Kombination mit einer Dürreperiode könnte so eine Situation hervorrufen“.

Die Folgen des Klimawandels und unstabiler Wetterverhältnisse gehen auch an Neuseeland nicht vorbei.


Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%