Kerry Simpson hat sich ein schönes Haus gebaut, in dem er Touristen empfängt und an der hauseigenen Bar bei gutem Essen und edlem Wein von seinem Erfolg erzählt. „Ich kann mich nicht beklagen“, lacht er.
Doch viele von Simpsons Kollegen singen ein ganz anderes Lied. Hunderte von Bauern sehen sich an den Rand des Ruins gedrängt. Seit Anfang 2014 ist der Preis für Milchtrockenmasse um bis zu 60 Prozent eingebrochen. Der Grund ist ein signifikanter Rückgang der Nachfrage in China, nicht zuletzt - so Experten - weil Peking bis zu 300.000 Tonnen Milchpulver auf Lager hält. Die Bauern mussten in den letzten zwei Jahren einen Einbruch ihres Gewinns von insgesamt etwa sieben Milliarden neuseeländischen Dollar (4,18 Milliarden Euro) hinnehmen.
Die Situation ließ Fonterra zu außergewöhnlichen Maßnahmen greifen. Die Firma, der rund 90 Prozent der neuseeländischen Milchbauern angeschlossen sind, will im laufenden Jahr die Ausschüttung an die Mitglieder verdoppeln, und das früher als geplant. Die Balance von Angebot und Nachfrage weltweit stimme nicht mehr, so Fonterra-Aufsichtsratsschef John Wilson, deshalb gehöre „in diesem echt harten Jahr jeder mögliche Cent in die Taschen der Bauern“. Für viele Landwirte, allen voran jene mit kleineren Herden von bis zu 200 Milchkühen, sind die Maßnahmen ein schwacher Trost.
Kerry Simpson geht es so gut, weil er den schlechteren Preis dank seiner größeren Herde durch eine erhöhte Produktion wettmachen könne, sagt er. Er ist nicht der einzige, der seinen Kühen den letzten Tropfen aus den Eutern presst: Fonterra verarbeitete in den sechs Monaten bis Ende Januar acht Prozent mehr Milch als im Vorjahreszeitraum. Statt in der Milchschwemme zu ertrinken, machte die Kollektive das Beste aus dem Überschuss. Sie fokussierte sich auf Veredelung – etwa die Herstellung von Käse und Eiskrem – und konnte damit sogar ihren Halbjahresgewinn auf 409 Millionen neuseeländische Dollar nach Steuern (246 Millionen Euro) mehr als verdoppeln.
Trotzdem: der Schmerz ist groß, und das ganze Land leidet. Die Notenbank erwartet für das im März abgelaufene Quartal ein BIP-Wachstum von 2,3 Prozent. Im letzten Jahr war die Gesamtwirtschaft noch um 3,6 Prozent gewachsen. Denn bisher war der Milchsektor für ein Viertel der Exporte Neuseelands verantwortlich. Von der Gefahr einer Rezession will allerdings niemand sprechen – noch nicht.
„Unsere Geschichte zeigt, dass wir dafür immer mehrere Schocks brauchen“, erklärt Nathan Penny von der ASB Bank in Auckland. Aber: „Der China-Schock in Kombination mit einer Dürreperiode könnte so eine Situation hervorrufen“.
Die Folgen des Klimawandels und unstabiler Wetterverhältnisse gehen auch an Neuseeland nicht vorbei.