Denkfabrik Ablehnungsfront gegen die Zeitarbeit

Die Bundesbürger sehen die Zeitarbeit zunehmend kritisch und unterschätzen die ökonomischen Vorteile. Streitpunkt ist vor allem die unterschiedliche Entlohnung von Stammbelegschaft und Leiharbeitnehmern.

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Umfrage Zeitarbeit Bürger misstrauen der Zeitarbeit

Es ist ein tarifpolitisches Novum: Die deutsche Stahlindustrie hat in ihrem neuen Tarifvertrag festgeschrieben, dass Leiharbeiter ab 2011 den gleichen Lohn erhalten wie die Stammbelegschaft. Diese neue Regelung wird von anderen Branchen teilweise sehr kritisch kommentiert. Die Gewerkschaften hingegen, die das Equal-Pay-Prinzip seit Langem fordern, erhoffen sich vom Stahlabschluss eine Signalwirkung für andere Wirtschaftsbereiche.

Nur eine kleine Minderheit der Erwerbstätigen in Deutschland arbeitet als Zeitarbeitskraft. Zwei Prozent der Erwerbstätigen befinden sich zurzeit in einem solchen Beschäftigungsverhältnis, knapp sieben Prozent haben früher einmal damit Erfahrungen gesammelt. Doch die Aufmerksamkeit für die Regelung der Leiharbeit reicht weit über diesen Kreis hinaus. Die Zeitarbeit ist zum Gegenstand der öffentlichen Debatte geworden – und die Bundesbürger stehen dieser Form der Beschäftigung heute weitaus kritischer gegenüber als noch vor wenigen Jahren.

Noch vor drei Jahren hielten sich die grundsätzliche Befürwortung und Ablehnung annähernd die Waage. 36 Prozent der Bürger fanden es damals prinzipiell gut, dass es neben Festanstellungen auch Zeitarbeit gibt; 40 Prozent bewerteten die Leiharbeit grundsätzlich kritisch. Heute stehen ihr nur noch 21 Prozent positiv gegenüber, 58 Prozent hingegen sehen sie kritisch.

Was sind die Ursachen für diesen deutlichen Imageverlust? Unter anderem hat der Fall Schlecker das Image der Zeitarbeit nachhaltig beschädigt. Als Pläne des Unternehmens bekannt wurden, Mitarbeiter zu entlassen und zu niedrigeren Tarifen in einer Zeitarbeitsfirma erneut zu engagieren, war die öffentliche Aufmerksamkeit in Deutschland hoch.

Die ökonomischen Vorteile der Zeitarbeit hingegen werden von vielen Bürgern unterschätzt. Das Argument etwa, dass viele Unternehmen oft nur zeitweise zusätzliche Mitarbeiter brauchen und dass durch Zeitarbeit zusätzliche Arbeitsplätze entstehen, verändert das Meinungsbild nur begrenzt: 26 Prozent der Bevölkerung befürworten unter dem Eindruck dieser Argumente die Existenz von Zeitarbeit. 60 Prozent sprechen sich dagegen aus; sie sehen Zeitarbeiter als Arbeitnehmer zweiter Klasse, die auf weniger Sicherheitsgarantien bauen können und materiell schlechter gestellt sind.

Leiharbeit ist für die Flexibilität vieler Unternehmen, für ihren Spielraum, auf Auftragsschwankungen reagieren zu können, immens wichtig. Die gesellschaftliche Akzeptanz dieser Beschäftigungsform hängt jedoch in hohem Maße von der Entlohnung der Leiharbeit ab und deren Verhältnis zu den regulären Löhnen.

Ein signifikanter Unterschied zwischen den Löhnen für Stammbelegschaften und Leiharbeiter widerspricht den Gerechtigkeitsvorstellungen der überwältigenden Mehrheit. 87 Prozent der Bundesbürger halten es für ungerecht, wenn für dieselbe Tätigkeit unterschiedliche Löhne gezahlt werden; nur fünf Prozent halten eine merkliche Differenzierung für richtig und gerecht.

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