Gemeinschaftswährung Der Euro spaltet Europa

Die Probleme der Währungsunion haben eine neue Qualität erreicht. Mit Italien ist der drittgrößte Staat der Euro-Zone ins Wanken geraten – und droht die Gemeinschaftswährung mitzureißen. Für den Rest der EU wird der Beitritt zum europäischen Währungsclub so unattraktiv wie nie zuvor.

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Ablaufende Sanduhr

Im Juni 2008 äußerte sich der frühere Bundesbank-Präsident Hans Tietmeyer geradezu euphorisch über den Euro. Der Westfale, bekannt für seine Nüchternheit, sprach von einem „großen Erfolg“. Zu den langfristigen Aussichten der Gemeinschaftswährung wollte sich Tietmeyer allerdings nicht festlegen. Er sagte lediglich, der Euro werde existieren, solange er lebe. In diesem Sommer feiert Tietmeyer seinen 80. Geburtstag.

Noch lebt auch der Euro. Doch die Währung, angelegt ohne Ablaufdatum, erscheint immer mehr wie ein Projekt mit beschränkter Lebensdauer. Die Turbulenzen an den Anleihemärkten, die vergangene Woche mit Italien das drittgrößte Land der Euro-Zone erreichten, zeigen wie fragil die Konstruktion und ihre bisherigen Rettungsaktionen sind. Spekulationen über eine Entlassung des italienischen Finanzministers Giulio Tremonti reichten aus, um die Renditen italienischer Staatsanleihen über die psychologisch wichtige Marke von sechs Prozent zu befördern. Schon der mögliche Abgang eines Politikers, der als ein gewisser Garant für eine Konsolidierungspolitik des hoch verschuldeten Landes gilt, genügt inzwischen offenbar, um die ganze Währungsunion ins Wackeln zu bringen. Selbst der designierte Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, spricht davon, dass die Schuldenkrise in eine „neue Phase“ getreten sei, die eine „klare Antwort“ der Politiker benötigt, soll die Gemeinschaftswährung überleben.

Fehlende Krisenbewältigung

Doch diese Antwort fehlt bisher. Die Finanzminister der Euro-Zone tagten vergangenen Montag fast acht Stunden lang und konnten sich lediglich auf eine vage Erleichterung der Konditionen der Rettungspakete für Griechenland, Irland und Portugal einigen. Details blieben sie dazu ebenso schuldig wie zum Umgang mit privaten Gläubigern, die einen freiwilligen Beitrag beim zweiten Hilfspaket für Griechenland leisten sollen.

Inzwischen ist offensichtlich: Der Euro, das finale Einigungsprojekt des Kontinents, droht zu scheitern. Es tut sich ein Spalt auf zwischen der durch die Währung aneinandergeketteten Schicksalsgemeinschaft der Euro-Gruppe und den anderen EU-Mitgliedern. Weder die gestandenen Mitglieder mit Hang zur Selbstständigkeit noch die jungen Staaten im Osten Europas haben es mehr eilig, der Zone beizutreten.

Statt Krisenbewältigung steht derzeit Kakophonie auf dem Spielplan. Die europäische Elite ist derart zerstritten, dass sich die 27 EU-Hauptstädte nicht einmal auf einen Termin für einen Notgipfel einigen können. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy wollte die Staats- und Regierungschefs am vergangenen Freitag nach Brüssel einberufen, doch die Bundesregierung winkte ab. Solange man sich nicht inhaltlich einig sei, habe ein Treffen keinen Sinn.

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