Private Bildungsträger Der Lebenslauf ist ein Wertpapier

Das staatliche System bekommt Konkurrenz. Von der Kita bis zur Hochschule entstehen private Alternativen für ambitionierte Eltern und ehrgeizige Studenten. Eine Reise zu den Machern der neuen privaten Bildungsrepublik.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Zeppelin Universität Quelle: Deniz Saylan für WirtschaftsWoche

Der Hofnarr inmitten der Bühne trägt den schneidigen Anzug des Managers und den hellen Kopf des Gelehrten. Sein Publikum sitzt in einem Quadrat aus eng besetzten Stuhlreihen und trägt ängstliche Skepsis im Blick. Einige wappnen sich mit verschränkten Armen und einem spöttischen Zucken im Mundwinkel, sichtlich unsicher, auf was sie sich da eingelassen haben. Der umhertigernde Narr vor ihnen spielt mit der Furcht des Zuschauers: Teil des Spiels zu werden. „Was bedeutet Universität?“, ruft er, jetzt nur einen Armgriff von ihnen entfernt. „Man lernt für einen Beruf“, sagt tastend ein Mädchen mit geröteten Wangen. Die Antwort spuckt der Narr fast aus. „Auf gar keinen Fall.“ Auf. Gar. Keinen. Fall.

Willkommen an der Zeppelin University (ZU) in Friedrichshafen. Stephan Jansen, ihr Präsident und Gründer, schläft jedes Jahr schlecht vor seinen Auftritten, wahrscheinlich, weil er sie so liebt. Man muss ihn gar nicht erst fragen, was dieser als Erstsemesterbegrüßung verpackte Ritus bedeutet. Wäre das deutsche Bildungssystem ein Theaterstück, hätte er „die Rolle des Hofnarren“. Universität ist für Jansen so ziemlich das Gegenteil von vordergründiger Nützlichkeit: „Wir haben die Aufgabe, der Gesellschaft etwas zu liefern, was sie gar nicht bestellt hat.“

200 Jahre alte Idee

Bevor die neuen Studenten überhaupt am Bodensee angekommen sind, haben Jansens Mitarbeiter jedem bereits eine E-Mail geschickt. Angehängt ist auch ein Text von Wilhelm von Humboldt. Dessen Ideal, die Einheit von Forschung und Lehre, ist zum bildungspolitischen Kalenderspruch verkommen, findet Jansen. Die ZU führt er nun mit dem Ehrgeiz, die 200 Jahre alte Idee wieder zu erwecken.

Als Janssen, finanziert durch die Zeppelin Stiftung, die ZU vor sieben Jahren ins Leben rief, gab es in Deutschland weniger als 50 private Universitäten. Heute sind es 90. Die Zahl der privaten Grundschulen und Gymnasien stieg in derselben Zeit um fast 50 Prozent. Eine unübersehbare Zahl von Kindergärten und Kitas kommt hinzu. Jeder 20. Student und jeder 14. Schüler in Deutschland lernt mittlerweile jenseits der staatlichen Bildungslandschaft (siehe Grafiken).

Ein Porsche für Kinder

Anzahl der Privatuniversitäten in Deutschland

Deren Charakter hat sich auf diese Weise still, aber nachhaltig verändert. Heute sind – von der Vorschule bis zum Master – ausschließlich private Bildungsbiografien nicht nur möglich, sondern keine Seltenheit mehr. Abitur und Hochschulabschluss gelten als letzte verlässliche Versicherung von Wohlstand. Deshalb dürfen, deshalb sollen sie etwas kosten: Wahre Bildung und Ware Bildung schließen sich nicht mehr aus. Der Lebenslauf wird zum letzten Wertpapier, in das es sich noch zu investieren lohnt. Wer aber sind die Menschen, die diese neue Bildungsrepublik gestalten?

Stephan Knabe wollte sehen, ob es wirklich funktioniert. Also nahm er am Potsdamer Bahnhof ein Taxi und bat den Fahrer, ihn zu dieser berühmten Kita zu bringen. Er wisse doch sicher… Ein paar Minuten später steigt Knabe aus und geht die paar Schritte über die Auffahrt der Villa Ritz.

Knabe lächelt, wenn er die Geschichte erzählt. Nur freuen kann er sich nicht. Denn der Steuerberater hat diese berühmte Kita mitgegründet, seine zwei eigenen kleinen Kinder sind dort, er ist stolz darauf. Aber der neidische Zungenschlag in Potsdam, wie Boulevardzeitungen sein Werk am Anfang runtermachten, stört ihn bis heute. „Wir können Dinge bieten, die andere nicht bieten, das ist mir klar“, sagt er. „Wir verderben die übliche Norm.“

Planschpool und Bio-Gericht

Durchschnitt ist nicht Knabes Sache. Beherbergt hinter frühklassizistischer Pracht, gibt es für die Ritz-Kinder Sauna und Planschpool, Musikzimmer und Ballettstange, Muttersprachler für Englisch und Mandarin.

Das Bio-Essen besorgen drei Köche, mehr als zehn Pädagogen kümmern sich um 50 Kinder. Knabe sagt: „Es gibt Leute, die wollen Porsche fahren und interessieren sich nicht für Skoda.“

Inhalt
  • Der Lebenslauf ist ein Wertpapier
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%