100. Geburtstag Milton Friedmans Lehre ist aktueller denn je

Milton Friedman wäre heute 100 Jahre alt geworden. Der amerikanische Ökonom hat die Geldtheorie revolutioniert und sein Leben lang für freie Märkte und weniger Staat gekämpft. Als intellektueller Gegenspieler von John Maynard Keynes spaltete er Wissenschaft und Politik gleichermaßen. Zwischenzeitlich galt er als widerlegt. Jetzt zeigt sich: Friedmans Erkenntnis, dass die Geldmenge die Konjunktur und die Inflation bestimmt, ist aktueller denn je.

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Milton Friedman ist der Quelle: AP Photo/Eddie Adams

Es gibt große Ökonomen, die die Öffentlichkeit scheuen, in ihren Studierzimmern über Theorien grübeln und sich damit zufriedengeben, in akademischen Zirkeln Wertschätzung zu genießen. Und es gibt große Ökonomen, die eine Idee, eine Mission haben, mit der sie die Welt verändern wollen. Milton Friedman gehörte zweifelsohne zur zweiten Kategorie.

Der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, der vor knapp fünf Jahren starb, war der politisch einflussreichste Ökonom des 20. Jahrhunderts. Die wissenschaftliche Durchschlagskraft seines Werkes ist wohl nur mit der seines intellektuellen Gegenspielers, des britischen Ökonomen John Maynard Keynes, vergleichbar. Friedmans wissenschaftliches Œuvre reicht von Arbeiten über die Methodik der Wissenschaft über die Geldtheorie bis hin zur Konsumanalyse. Mit seinen Arbeiten legte er das Fundament für die moderne Wirtschaftsforschung.

In seinem monumentalen Werk über die Geldgeschichte der USA rückte er das Geld als Determinante für Konjunktur und Inflation in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Diskurses. Seine moralphilosophischen Arbeiten machten ihn zum intellektuellen Vordenker für individuelle Freiheit und weniger staatlichen Einfluss. Er entwickelte die Idee der Bildungsgutscheine, das Konzept der negativen Einkommensteuer und lieferte den Regierungen die Blaupause für flexible Wechselkurse. "Gäbe es Milton Friedman nicht, müsste man ihn erfinden", sagte sein Kollege Paul Samuelson über ihn.

Monetaristischen Gegenrevolution gegen die Lehren von Keynes

Friedman wurde am 31. Juli 1912 in Brooklyn, New York, geboren. Er war das vierte Kind und der einzige Sohn jüdischer Einwanderer aus Ungarn. Seine Eltern hatten nicht viel Geld, doch betrachteten sie die USA als ein Land, das den Tüchtigen große Chancen bietet. Diese Geisteshaltung gaben sie an ihre Kinder weiter. In der Grundschule fiel Friedman durch überdurchschnittliche Intelligenz, Eloquenz und Extrovertiertheit auf; seine Lehrer ließen ihn eine Klasse überspringen. Als der Vater 1927 im Alter von 49 Jahren an einem Herzinfarkt starb, wurde es für die Familie finanziell eng. Dank seiner guten Noten auf der Highschool erhielt Friedman ein Stipendium, das es ihm erlaubte, ein Studium an der Rutgers-Universität in New Jersey aufzunehmen. Wegen seines Faibles für Mathematik belegte er zunächst Mathe-Vorlesungen. Doch unter dem Einfluss von Arthur Burns, dem späteren Chef der US-Notenbank Fed, der damals als Assistent in Rutgers lehrte, schwenkte Friedman auf Ökonomie um.

1932 wechselte er an die Universität in Chicago, wo er bei dem Preistheoretiker Jacob Viner und dem libertären Moralphilosophen Frank Knight studierte. Dort lernte er auch seine spätere Frau Rose Director kennen, die ebenfalls Ökonomie studierte. 1933 ging Friedman nach New York, um an der Columbia-Universität zu promovieren. Doch aus dem erhofften zügigen Erwerb des Doktortitels wurde zunächst nichts. In seiner Dissertation über die Einkommen in freien Berufen legte sich Friedman mit den Ärzten an. Er vertrat die These, dass das überdurchschnittliche Einkommen der Mediziner in erster Linie auf mangelnden Wettbewerb durch Zugangsbeschränkungen zurückzuführen sei. Das Ergebnis stieß in einflussreichen Kreisen der Uni auf vehementen Widerspruch. Erst nach jahrelangem Hin und Her verlieh ihm die Uni 1946 den Doktortitel.

Gegenrevolution gegen die Lehren von Keynes

In den Kriegsjahren 1941 bis 1943 arbeitete Friedman in der Steuerforschungsabteilung des Finanzministeriums, wo er an der Entwicklung des Quellenabzugs für die Lohnsteuer beteiligt war, von der sich die Regierung damals eine bessere Kriegsfinanzierung erhoffte. Friedman bezeichnete es später als den größten Fehler seines Lebens, dem Staat zu mehr Einnahmen verholfen zu haben.

Nach einem Zwischenspiel an der University of Minnesota wechselte er 1946 als Professor an die Universität in Chicago. Dort drückte er der Wirtschaftsfakultät in den folgenden drei Jahrzehnten seinen Stempel auf wie kein anderer. Er baute Chicago zum Zentrum der monetaristischen Gegenrevolution gegen die Lehren von Keynes auf und entwickelte die Chicago School of Economics, eine Denkschule, die auf mehr Markt und Wettbewerb und weniger Staat setzte.

Sein erstes großes Werk in Chicago galt der wissenschaftlichen Methodik. Der 1953 erschienene Essay "The Methodology of Positive Economics" ist bis heute der am häufigsten zitierte Artikel zur Methodenlehre in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Beeinflusst von den Lehren des Philosophen Karl Popper plädierte Friedman dafür, die empirischen Forschungsmethoden der Naturwissenschaften auf die Ökonomie zu übertragen.

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