Sparpaket Die Planlosigkeit von Merkel und der Koalition wird offenbar

Das Sparpaket offenbart die Planlosigkeit der Koalition. Sie taumelt ohne Ziel und Kompass der Zukunft entgegen. Kein Wille ist erkennbar, kein Weg und keine Führung.

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Angela Merkel und Guido Quelle: REUTERS

Es kommt nicht oft vor, dass den Politprofis in Berlin der Atem stockt, dass der Betrieb plötzlich stillsteht, dass jeder spürt: Hier und jetzt, in diesem Moment, geschieht etwas ganz Besonderes. Am 7. Juni 2010 um 15 Uhr ist so ein Moment. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Stellvertreter Guido Westerwelle (FDP) treten vor die Presse. Sie sprechen vom „Ernst der Lage“, von „schwierigen Zeiten“ und „harter Arbeit“, von einem „einmaligen Kraftakt“ und historischen Größenordnungen. Nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik war die Währung der Deutschen so gefährdet. Nie zuvor waren die Schulden so dramatisch hoch.

Nie zuvor war die Einsicht so verbreitet, dass es so nicht weitergehen kann, das wir „über unsere Verhältnisse“ leben. Für Merkel und Westerwelle geht es an diesem Tag ums Ganze, um die Zukunft des Landes, ums Überleben der Koalition; der 7. Juni soll so etwas wie eine Zeitenwende markieren. Und tatsächlich, das tut er dann auch, allerdings ganz anders, als sich Merkel und Westerwelle das vorgestellt haben: Die Deutschen wissen jetzt, ein für alle Mal, dass sie von dieser Regierung nichts mehr zu erwarten haben.

Schwarz-Gelb, das war einmal, die Koalition ist am Ende, ganz gleich, was noch folgt – ein zerstörter Traum, die letzte, enttäuschte Hoffnung für viele, die sich in dieser Republik zu den Leistungsträgern zählen, die den „Karren ziehen“, so Westerwelle, die das Land auf Wachstums- und Wohlstandskurs halten. Wenn es eine Koalition gibt, die den Abbau der Staatsschulden, die demografische Krise und die Modernisierung der Sozialsysteme vorantreiben würde, dachte die steuerzahlende Mitte vor neun Monaten, dann Merkels Union und die 14,6-Prozent-FDP. Seit dem 7. Juni 2010 ist es mit dieser Hoffnung vorbei.

Umschalten nach Südafrika

Das Sparpaket schont Reiche, Gutverdienende und Angestellte – und verprellt sie zugleich, weil es keine Systematik erkennen lässt, weil es keine politische Überschrift trägt – und weil es sich bei ihm um eine Mogelpackung mit vielen Luftbuchungen handelt. Es wird planlos gespart, willenlos abkassiert und grundlos eingebucht, was die Realität nicht hergibt. Die Regierung taumelt, ohne Ziel und Kompass, der Zukunft entgegen, kein Wille ist erkennbar, kein Weg und keine Führung; es ist das Ende einer „bürgerlichen Regierung“.

Mehr noch: Es ist das Verschwinden von Politik. Der politische Betrieb in Berlin geht nach Merkels „Zäsur“ einfach zur Tagesordnung über, es wird geschimpft, gelästert, hintertrieben in der Koalition – und die Deutschen schalten um nach Südafrika. Niemand wundert sich mehr über schwarz-gelbe Champagnerpolitik für Randgruppen (Hoteliers, Erben) und bundesweiten Schmalhansalarm. Keiner reibt sich mehr die Augen über „Wildsau“- und „Rumpelstilzchen“-Vorwürfe in der Koalition oder Fahnenfluchten liberal-konservativer Spitzenpolitiker. Die ganze Republik nimmt die Hilfskellnerpolitik der „Ich-lerne-noch“-Minister Philipp Rösler (FDP/Gesundheit) und Kristina Schröder (CDU/Familie) nur noch mit schulterzuckender Gleichmut zur Kenntnis.

Gewöhnung an die "Nichtregierungsorganisation"

Alle rechnen fest mit der Sprachlosigkeit von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), wenn es um Banken- und Währungskrisen geht. Niemand findet mehr was dabei, dass Brüderle für seine ordnungspolitische Klarheit im Fall Opel von Merkel in den Senkel gestellt wird. Keiner kratzt sich mehr am Kopf, wenn Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU), ja sogar der Chef des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, der Kanzlerin mit dem Vorwurf in die Parade fahren, sie sei unsozial (Lesen Sie hier das Interview mit Peter Müller).

Man hat sich gewöhnt an die schwarz-gelbe „Nichtregierungsorganisation“ (SPD-Chef Sigmar Gabriel), man ist ihrer überdrüssig und müde, man rechnet mit ihrer baldigen Selbstauflösung oder damit, dass sie sich noch drei Jahre durchwurschtelt, so oder so, es macht keinen Unterschied, man wendet sich ab – und es fehlt eine Alternative.

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