Terror-Finanzierung Ein Selbstmordattentat kostet 150 Dollar

Der Sicherheits-Dienstleister Control Risks kritisiert die verschärften Vorschriften für internationale Finanzströme, die Terroraktivitäten unterbinden sollen. Die Restriktionen in Europa und den USA träfen weniger die Terroristen als die globalisierte Wirtschaft.

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Terrorattacken wie die Selbstmordanschläge auf Londoner Busse 2005 sind mit Finanzkontrollen kaum zu verhindern, AP

Die Entwicklung weg von international agierenden Terrornetzen wie al-Qaida hin zu lokal organisierten Terrorzellen sowie die Strategie, weichere Ziele wie Bars, Hotels und den öffentlichen Personennahverkehr anzugreifen, lasse die politischen Bemühungen zunehmend ins Leere laufen, schreibt Control Risks in der jetzt veröffentlichten Studie Risk Map 2007: In Folge dieser Veränderungen "sinken die durchschnittlichen Kosten von Terrorangriffen", die durch Kontrolle finanzieller Transaktionen nicht verhindert werden könnten. Das Londoner Unternehmen Control Risks, das 1500 Mitarbeiter beschäftigt und westliche Unternehmen bei Aktivitäten in Risiko-Ländern berät und begleitet, beziffert in der Studie auch die Kosten einzelner Terrorattacken. So koste ein Selbstmordattentat weniger als 150 Dollar. Terror wird zum Low-Cost-Geschäft Den Terroristen etwa, die 2004 Nahverkehrszüge in und um Madrid in die Luft jagten, genügten für die Finanzierung der Vorbereitungen der Verkauf illegal produzierter CD und kleine Drogengeschäfte. Rund 10.000 Euro brauchten sie schätzungsweise dafür. 192 Menschen starben. Die Londoner Selbstmordattentäter, die im Juli 2005 städtische Busse in die Luft jagten und dabei 52 Menschen töteten, bezahlten alles dafür Nötige mit Kreditkarten und Einkünften aus legalen Jobs. Ihr Anführer Mohammad Sidique Khan verdiente nach BBC-Angaben als Hilfslehrer an einer Schule in Leeds seinen Lebensunterhalt. Auch die im August dieses Jahres vereitelten Anschläge auf Flugzeuge in London hätten allenfalls vierstellige Beträge erfordert. Die beiden islamischen-extremistischen Bombenbastler, die im August dieses Jahres einen Sprengsatz im Kölner Hauptbahnhof platzierten, der aber nicht explodierte, benötigten dafür ebenfalls nur marginale Beträge. Die Terroristen vom 11. September hingegen hatten noch 350.000 bis 500.000 Euro für die Vorbereitung der Anschläge gebraucht. Hintergrund der Control-Risks-Kritik sind womöglich im September bekannt gewordene Bemühungen der US-Regierung, im Kreis der Finanzminister und Zentralbankchefs noch schärfere Kontrollen der Finanzströme durchzusetzen, als sie seit dem Anschlag auf das World Trade Center vor fünf Jahren schon praktiziert werden. Im letzten abschließenden G7-Statement im September hatte es geheißen, die Finanzminister und Notenbankchefs hätten sich mit US- Finanzminister Henry Paulson darauf verständigt, die Bekämpfung des Terrorismus zu "intensivieren". Dass der Terrorismus von heute ein "Low-Cost-Geschäft" ist, weiß auch Rolf Tophoven vom Essener Institut für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik: "Die Finanzströme zu kappen wird als entscheidende Impuls, den Terrorismus zu besiegen, nicht funktionieren."

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