Distanz zur FDP Union stellt Steuerreform 2011 in Frage

Die für 2011 geplante Steuerreform wird jetzt nicht mehr nur von CDU-Ministerpräsidenten kritisiert, sondern von Finanzpolitikern der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sogar offen in Frage gestellt. Führende Politiker von CDU und CSU äußern immer stärkere Zweifel an der geplanten Steuerreform - und der Finanzminister kündigt ein Sparpaket an.

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Unionsfraktionsvize Michael Meister: Wer entlasten will, muss sagen, wie das finanziert werden kann. Quelle: dpa Quelle: handelsblatt.com

BERLIN/DÜSSELDORF. "Wer jetzt laut nach einer Steuerreform 2011 ruft, muss gleichzeitig auch sagen, wie sie finanziert werden kann", sagte Unionsfraktionsvize Michael Meister (CDU) dem Handelsblatt. "Weitere Steuerentlastungen, die den Bund zehn Mrd. Euro kosten, kämen zum bereits vorhandenen Sparbedarf noch hinzu."

Auch die CSU, eigentlich eine Befürworterin von Steuersenkungen, geht auf Distanz zu den Plänen. "Es ist unser gemeinsames Ziel, die Bürger zu entlasten. Die Entlastung kann natürlich nur in dem Rahmen erfolgen, wie wir Spielräume haben", sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich. "Da hat es überhaupt keinen Sinn, wie ein trotziges Kind aufzustampfen und zu sagen: ,Ich will aber!'"

Damit wenden sich führende Politiker von CDU und CSU von der FDP ab, die an der Einführung eines Stufentarifs für das Jahr 2011 festhält. Trotz der desolaten Bundeskasse fordert Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) noch am Wochenende: "2011 kommt die weitere Steuersenkung mit einem Stufentarif". Der liberale Haushälter Otto Fricke äußerte sich allerdings vorsichtiger. "Es wird eine grundlegende Steuerreform geben. Wie viel, wann und wie hängt allerdings davon ab, wie viel wir sparen", sagte er dem Handelsblatt. Daran müssten alle arbeiten, "auch die CDU".

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) redet dagegen vom Sparen. Er beziffert den Sparbedarf im Bundeshaushalt ab 2011 auf jährlich zehn Mrd. Euro bis 2016. Nur dann könne Deutschland die Anforderungen der neuen Schuldenbremse im Grundgesetz erfüllen. Bis Juli will er ein Paket schnüren. Wenn die schwarz-gelbe Koalition die geplante Steuerreform 2011 umsetzt, mit denen sie die Bürger bei der Einkommensteuer mit insgesamt 20 Mrd. Euro entlasten will, fehlt dieser Betrag zusätzlich jedes Jahr in den Etats von Bund, Ländern und Gemeinden.

CDU-Fraktionsvize Meister befürchtet zudem, dass die nächste Steuerreform den Bund teurer kommt als geplant. "Ich könnte mir vorstellen, dass die Länder verlangen, dass der Bund ihren Anteil an den Steuerausfällen übernimmt", sagte er mit Blick auf den Bund-Länder-Streit im Vorfeld des inzwischen verabschiedete Wachstumsbeschleunigungsgesetz: Erst nachdem Kanzlerin Angela Merkel höhere Ausgaben des Bundes für Bildung zugesagt hatte, stimmten alle schwarz-gelb regierten Länder zu. Wer jedoch in Berlin nach konkreten Sparvorschlägen fragt, wird enttäuscht. Vor der NRW-Wahl im Mai will kaum jemand darüber reden.

Schlarmann bringt Streichung des Elterngelds ins Spiel

Am weitesten wagte sich am Montag Josef Schlarmann, der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Union, vor. Er brachte eine Streichung des Elterngeldes ins Spiel. "Die Bundesregierung sattelt ein Projekt auf das nächste: Kurzarbeitergeld, Abwrackprämie, Elterngeld. Stattdessen müssen wir dazu zurückkehren, in Alternativen zu denken", sagte er. Der Unions-Haushälter Norbert Barthle (CDU) schlug vor, den Bundeszuschuss zur Krankenversicherung zu deckeln und den Arbeitslosenbeitrag anzuheben.

Wirtschaftsforscher sind skeptisch, dass Schäuble sein Versprechen gegenüber der EU halten kann, bis 2013 die Defizitgrenze von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Stabilitätspakts wieder einzuhalten. Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hält dies frühestens 2014 für möglich. Voraussetzung dafür sei, dass die Regierung auf Steuersenkungen ab 2011 verzichtet, das Betreuungsgeld ab 2013 nicht zahlt und die Wirtschaftsleistung um zwei Prozent jährlich zulegt. Sollte die Wirtschaft im Schnitt nur um 1,5 Prozent wachsen, werde auch 2014 der Stabilitätspakt verletzt, heißt es in der IWH-Prognose, die dem Handelsblatt vorliegt.

Schuldenbremse

Ziel 2016: Die Schuldenbremse im Grundgesetz verlangt, dass der Bund bis 2016 ein Gleichgewicht zwischen regelmäßigen Ausgaben und Einnahmen schaffen muss. Das strukturelle Defizit darf dann nur noch zehn Mrd. Euro betragen. Laut Bundesfinanzministerium liegt es einschließlich der Steuersenkungen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes 2010 bei 70 Mrd. Euro.

Start 2011: Um das Sparziel 2016 zu erreichen, muss der Bund ab 2011 jedes Jahr zehn Mrd. Euro einsparen. Steuersenkungen erhöhen den Sparbedarf. Die Länder müssen zwar nicht 2011 mit dem Sparen beginnen, aber ab 2020 ihre regelmäßigen Ausgaben schuldenfrei finanzieren.

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