Deutschland Der Subventions-Wahnsinn

Torf-Lippenstifte, der Baumwollrat und Duftpflanzen: Deutsche Subventionen fließen in die irrsinnigsten Projekte.

Torf-LippenstiftDer Staat ist spendabel wie nie. 163,2 Milliarden Euro betrug das Subventionsvolumen 2010. So hoch war es noch nie. Autobauer, Energiekonzerne und das Gesundheitswesen gehören zu den größten Profiteuren. Doch auch Nischenprodukte werden mit Steuergeldern gepäppelt. Für die Entwicklung eines neuartigen Lippenstiftes aus Torf etwa werden knapp 260.000 Euro investiert. Torf soll vor UV-Strahlen schützen und Entzündungen hemmen. Zudem passt er in den allgemeinen Trend zur Naturkosmetik. Dennoch darf sich der Steuerzahler fragen, warum die Kosmetikindustrie nicht selbständig die Erforschung eines neuen Lippenpflegestiftes stemmen kann. Texte: Tim Rahmann Quelle: Bund der Steuerzahler Quelle: dpa
BaumwollberatungsausschussBaumwollplantagen sind in Deutschland Mangelware. Dennoch ist die Bundesrepublik Mitglied im Internationalen Baumwollberatungsausschuss (ICAC). Deutsche Steuerzahler bringen nach Informationen des Bundes der Steuerzahler (BdSt) zwei Prozent des ICAC-Beitragsvolumens auf. 2011 seien dies erneut rund 17.000 Euro aus dem Etat des Bundeswirtschaftsministeriums. Als Gegenleistung gibt es Baumwollstatistiken über die Produktion, den Konsum und den Welthandel. Außerdem wird die in Deutschland nicht existierende Baumwollindustrie vor der UN und anderen internationalen Institutionen vertreten. Quelle: AP
Kamille-ErntemaschinenDas Bundeslandwirtschaftsministerium fördert die Entwicklung einer neuen Erntemaschine für Kamillenblüten. Dies kostet für die Jahre 2010 bis 2013 dem deutschen Steuerzahler rund 355.000 Euro. Ziel der Subventionen ist es, in „Abstimmung mit den Kamilleproduzenten und den potenziellen Herstellern“ eine leistungsfähigere Pflücktechnik zu entwickeln. Quelle: dpa
Verständliche GesetzesspracheAmtsdeutsch hat seine Tücken. Das hat sich offenbar auch im Bundesjustizministerium herumgesprochen. Das Team um Sabine Leutheusser-Schnarrenberg möchte deshalb die Gesetzessprache verständlicher machen. Ein löbliches Ziel. Das Vorhaben allerdings wird nicht intern umgesetzt – obwohl die Bundesministerien gut 18.000 Beschäftigte zählen. Stattdessen wurde ein neuer Redaktionsstab gegründet. Kostenpunkt: 632.000 Euro. Quelle: AP
Kalifornisches KünstlerambienteDie in Kalifornien malerisch gelegene Villa Aurora wird von der Bundesrepublik mit über einer halben Million Euro pro Jahr subventioniert. Mit Blick auf den Pazifik können dort internationale Künstler residieren und Veranstaltungen vorbereiten. Die Mittel kommen aus dem Etat des Auswärtigen Amtes und des Kanzleramtes. Diese Unterstützung ist unnötig, sagt der Bund der Steuerzahler. Denn: Gerade in den USA gibt es eine lange Tradition der privaten Förderung. Auch ohne deutsches Geld würde die Villa Aurora mit großer Wahrscheinlichkeit weitergeführt werden können. Quelle: dpa
Ho-Chi-Minh-StadtbahnDie Bundesregierung möchte die bilateralen Beziehungen zu Vietnam ausbauen. Ein erster Schritt: Die Merkel-Truppe gewährt dem asiatischen Land für den Bau einer Stadtbahn in Ho-Chi-Minh-Stadt jährliche Zuschüsse. 17 Millionen Euro waren es 2010. In diesem Jahr kommen weitere sieben Millionen Euro hinzu. Das Projekt mit einem Gesamtvolumen von einer Milliarde US-Dollar soll unter maßgeblicher Beteiligung der deutschen Wirtschaft realisiert werden. Dennoch fordert der BdSt die Einstellung dieser Zuschüsse. "Wenn deutsche Wirtschaftsunternehmen beim Bau der Stadtbahn zum Zuge kommen sollen, müssen sie dies über Preis, Qualität und innovative Produktlösungen sicherstellen. Dass der Steuerzahler dafür einstehen soll, ist nicht einzusehen", so der Bund der Steuerzahler. Quelle: dpa
Kassenschlager dank SteuergelderChristoph Waltz bekam 2010 den Oscar als bester Nebendarsteller. Er wurde prämiert für seine Rolle als SS-Standartenführer Hans Landa in "Inglourious Basterds". Insgesamt war der Film von Starregisseur Quentin Tarantino für acht Auszeichnungen nominiert. Die Produktionskosten des Films betrugen 70 Millionen Dollar. Die Bundesrepublik beteiligte sich an den Kosten – und förderte den Film mit 6,8 Millionen Euro. Schon an seinem Startwochenende spielte der Hollywood-Film die Produktionskosten wieder ein – ohne, dass der deutsche Steuerzahler auch nur einen Cent wiederbekam. Auch Roland Emmerichs Film "Anonymous" wurde 2010 mit Steuergeldern subventioniert. Die Kosten hier: 4,4 Millionen Euro. Insgesamt werden jährlich rund 60 Millionen Euro für Kinofilme bereitgestellt. Quelle: REUTERS
Gefahrenschutz im HaushaltDass die meisten Unfälle im Haushalt passieren, ist bekannt. Im Internet, in den Printmedien oder in Funk und Fernsehen wird das Gefahrenpotenzial immer wieder thematisiert. Nun mischt auch das Bundessozialministerium mit. Sie unterstützt die Aktion „Das sichere Haus“, die zahlreiche Broschüren produziert. Dort können die Leser erfahren, dass beispielsweise die Wassertemperatur zu prüfen ist, bevor man sein Kind in die Badewanne setzt. Oder dass frische Weihnachtsbäume weniger schnell entflammbar sind als trockene. Diese Infokampagne kostet dem Steuerzahler in diesem Jahr 70.000 Euro. Quelle: dpa/dpaweb
Bayreuther FestspieleJedes Jahr im August pilgert die Prominenz nach Bayreuth zu den Richard-Wagner-Festspielen. "Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg" wird in diesem Jahr zu sehen sein. Das weltbekannte Musikspiel wird von Großkonzernen wie Siemens und Audi gesponsert. Und vom Steuerzahler. 2,3 Millionen Euro aus dem Kanzleretat fließen 2011 nach Bayreuth. Quelle: dpa
Deutscher PflügerratBereits in prähistorischer Zeit löste der Pflug an vielen Orten Hacke, Spaten und Grabstock für die Feldarbeit ab. Ein Meilenstein in der Entwicklung. Noch heute werden Felder mit speziellen Pflügen bearbeitet. Einige Landwirte haben sich im Deutschen Pflügerrat zusammengefunden. Dieser wiederum ist Mitglied im Weltpflügerrat. Das kostet Geld. Gut, dass die Bundesregierung hilft. 3.000 Euro überweist das Bundeslandwirtschaftsministerium jährlich dem Pflügerrat. Quelle: dpa
Öko-TopfschnittlauchImmer mehr Menschen achten auf ihre Ernährung, Öko-Produkte liegen im Trend. Nur der Topfschnittlauch aus Ökoanbau macht Probleme. Die Ökoerzeuger haben große Schwierigkeiten, die Nachfrage nach Öko-Schnittlauch mit hoher Qualität zu bedienen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium will dies ändern – und den Schnittlauch aus konventioneller Anbauweise zurückdrängen. Mit Hilfe von Steuergeldern versteht sich. So erhält eine bayerische Öko-Beratungsfirma knapp 55.000 Euro, um die Erfolgsfaktoren in der Schnittlauchballenproduktion zu ergründen. Anhand der Ergebnisse sollen Freiland-Bauern und Topfkräuterproduzenten Hinweise erhalten, um die Qualitätsprobleme beim Öko-Schnittlauch in den Griff zu bekommen. Quelle: dpa
Deutsche ArbeitsschutzausstellungDie Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zeigt in Dortmund die Deutsche Arbeitsschutzausstellung. Die Ausstellung versteht sich nach eigenen Angaben als eine Erlebnisausstellung zum Sehen, Hören und Mitmachen. Mit allen Sinnen sollen die Arbeitswelten von gestern, heute und morgen erfahren werden. 60.000 Euro will die Bundesanstalt laut BdSt in diesem Jahr durch Einnahmen erzielen. Die Kosten haben eine ganz andere Größenordnung. Allein das Bundesministerium für Arbeit und Soziales unterstützt die Ausstellung mit knapp 4,9 Millionen Euro pro Jahr. Quelle: dpa/dpaweb
BioökonomieratKlima, Ernährung, Energie – die Bundesregierung lässt sich in vielen Dingen umfassend beraten. 1971 gründete sie ihren „Sachverständigenrat für Umweltfragen“ (SRU). Seit 1992 gibt es den „Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen“ (WBGU). Und im Jahr 2001 schuf sie den Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE). 2009 wurde schließlich vom Bundesforschungsministerium der „BioÖkonomieRat“ ins Leben gerufen. Die ersten drei Ratsjahre sollen die Steuerzahler jetzt knapp 2,1 Millionen Euro kosten. Als Gegenleistung gibt es Empfehlungen und Informationen an die Bundesregierung. Die allererste Ratsempfehlung: Das Ministerium solle die Forschungsaktivitäten stärker zusammenzufassen. Quelle: dpa
Gesundes Wohnen mit StilGut 2,2 Millionen Euro an Steuergeld spendiert das Bundesforschungsministerium den sieben Teilnehmern des Projekts „Gesund Wohnen mit Stil“. Dessen zentraler Aspekt: Für ältere Menschen soll ein Bewegungssessel entwickelt werden, der Gesundheitsdaten misst und mit dem Fernseher verbunden ist. Das TV-Gerät soll die Daten auswerten und anschließend passende und motivierende Bewegungstipps zu geben. Auch die Einbindungen von sensorbestückten „Gesundheits-T-Shirts“ sind geplant. Quelle: dapd
Duft- und FärbepflanzenDass viele Pflanzenarten wertvolle Inhaltsstoffe liefern, ist bekannt. Heutzutage stellt die chemische Industrie viele wichtige Stoffe für Farben-, Pharma- und Kosmetikprodukte aber synthetisch her. Damit die Vielfalt der unzähligen Heil-, Duft-, Gewürz- und Färbepflanzen nicht in Vergessenheit gerät, hat das Deutsche Gartenbaumuseum in Erfurt eine Wanderausstellung auf die Beine gebracht. Dort wird über die Herkunft und Verwendungsmöglichkeiten der Pflanzenarten informiert. Privatgärtner, Landwirte und Pflanzenfreude können sich freuen. Unterstützt wird das Projekt mit fast 250.000 Euro vom Bundeslandwirtschaftsministerium. Quelle: ZB
Deutscher ComputerspielpreisDie Computerspieleindustrie ist eine Wachstumsbranche, die am Verkauf innovativer Spiele gut verdient. Besonders hochwertige und pädagogische Spiele werden mit dem Deutschen Computerspielpreis ausgezeichnet. Er ist mit insgesamt 385.000 Euro dotiert. Den Löwenanteil des Preisgeldes stellt der Steuerzahler. Das Bundeskanzleramt stellt auch 2011 wieder 300.000 Euro bereit. Quelle: dpa/dpaweb
BranntweinmonopolSeit 1922 sichert das Branntweinmonopol kleinen und mittelständischen Agrarunternehmen das Überleben im internationalen Wettbewerb der Schnapsbrenner. Der Steuerzahler muss hierfür 80 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung stellen. Mit bis zu 3,50 Euro pro Liter wurde in der Vergangenheit der Schnaps subventioniert. Das deutsche Branntweinmonopol ist einzigartig in Europa und daher EU-rechtlich höchst umstritten. Zu Recht, wie der BdSt meint. Es sei keine staatliche Aufgabe, landwirtschaftlichen Betrieben deren Schnaps mit viel Steuergeld abzunehmen. "Hier werden Steuergelder wahrlich verbrannt", so der Bund der Steuerzahler. Quelle: dpa
"Immobiliendialog"Das Bundesverkehrministerium betreibt ein spezielles Gesprächsforum mit Verbänden aus der Immobilienbranche. Über den üblichen und ständigen Austausch zwischen Politik und Wirtschaft hinaus leistet man sich so ein teures Sondergremium. 2010 gab der Bund hierfür 250.000 Euro aus, 2011 sollen es gar 750.000 Euro werden. Quelle: dpa
PC-SpieleDas Bundesbildungsministerium möchte Azubis im Baugewerbe mit einem Computerspiel fortbilden. Es fördert mit 1,44 Millionen Euro ein Projekt, das "spielerisch IT-Kompetenzen" vermitteln soll. Entwickelt wird insbesondere ein Multiuser-Onlinespiel, bei dem Städte und Imperien aufgebaut und gemanagt werden sollen. Spiele also, die es schon in großer Zahl im Handel gibt. Quelle: dapd
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