Staatsfinanzen Italien wehrt sich gegen Griechen-Image

Gehört Italien in eine Gruppe zusammen mit den wirtschaftlichen Problemländern Portugal, Irland, Spanien und Griechenland? Nein, meinen die Italiener - und haben dafür auch irrwitzige Argumente.

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Das Colosseum in Rom. Italien Quelle: dpa

Ob sich die Pigs-Gruppe mit einem oder mit zwei "I" schreibt, ist in Italien eine heikle Frage. Das "I" stehe für Irland und nicht für Italien, unterstreichen einige italienische Analysten gern und betonen, ihr Land sei eine Klasse für sich. „Mir hat der Ausdruck nie gefallen. Ich sage lieber Gipsi“, entgegnet ihnen Tito Boeri schelmisch. Gesprochen klingt das nach fröhlicher Zigeuner-Romantik und um es zu schreiben, braucht man zwei "I". Auf charmante Art beantwortet der Wirtschaftsprofessor von der Mailänder Elite-Universität Bocconi damit die Frage, ob die Wirtschaftsprobleme seines Heimatlandes in eine Gruppe zu werfen sind mit denen von  Griechenland, Irland, Portugal und Spanien.

Im Moment sei ein Szenario wie in Griechenland – ein Haushalt unter EU-Kontrolle, Engpässe bei der Staatsfinanzierung und Straßenrevolten in Folge der Wirtschaftkrise - in Italien nicht vorstellbar. „Zum Glück haben wir eine sehr starke Haushaltskontrolle. Nachträglich festzustellen, dass das Defizit zehn Prozent über dem an Eurostat kommunizierten liegt, scheint mir unmöglich“, urteilt Boeri. Zudem ist das Defizit in der jüngsten Krise weniger stark gewachsen als das anderer Länder.

„Wir haben uns mehrere wunde Punkte angeschaut und Italien steht im Moment leicht besser da als die anderen Länder der Gruppe“, sagt Boeri.

Bis zum vergangenen Jahr hielt Italien noch den Europa-Rekord in der Disziplin Staatsverschuldung. Im laufenden Jahr wird der Titel den Prognosen zufolge jedoch an Griechenland gehen. Die Italiener werden ihre Staatsverschuldung auf 117 oder 118 Prozent steigern, Griechenland könnte auf 125 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) kommen.

Früher in die Rezession

Der große Vorteil Italiens ist jedoch die hohe Sparquote der privaten Haushalte. „Das heißt, dass eine eventuelle Ausdehnung der öffentlichen Verschuldung durch italienische Bürger finanziert werden kann, die Staatsanleihen kaufen. Das ist beispielsweise in Griechenland nicht der Fall, wo die Sparquote negativ ist. Das ist ein riesiger Vorteil und in Italien ist die Nachfrage nach den Staatsanleihen nie gesunken“,  sagt Boeri. Trotzdem müsse Italien natürlich sehr große Sorgfalt bei der Haushaltspolitik walten lassen und versuchen, das Staatsdefizit zu senken. In Italien lag die Staatsverschuldung auch 2008 schon bei 106 Prozent des BIP, in Griechenland unter 100 Prozent.

Analysten bescheinigen der italienischen Regierung in der jüngsten Krise ein sehr vorsichtiges Haushaltsmanagement. Boeri wirft ihr Untätigkeit vor. Sie tue nichts, um die italienische Wirtschaftskrise zu bekämpfen. „In bestimmten Bereichen geht es uns besser, aber wir haben das Problem eines sehr geringen Wachstums. Wenn wir das lösen, dann lösen wir auch viele andere Probleme wie das Haushaltsdefizit.“

Genau an dem Wachstum hapert es jedoch. Italien ist früher als andere Länder in die Rezession eingetreten und kam noch dazu aus einer wirtschaftlichen Stagnation. Das italienische BIP war bereits 2008 um ein Prozent geschrumpft, 2009 sank es um rund weitere fünf. Die Arbeitslosigkeit steigt, die Kaufkraft hingegen sinkt, weil die Nominallöhne seit Jahren stagnieren.

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