Haushaltsdebatte Merkel: Deutschland ist Sanierungsfall

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat angesichts der desolaten Haushaltslage Deutschland als „Sanierungsfall“ bezeichnet. In der Generaldebatte im Bundestag kündigte sie weitere Belastungen für die Bürger an, verteidigte gleichzeitig den Reformkurs der großen Koalition.

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In ihrer Rede am Mittwoch bei der Generaldebatte im Bundestag aus Anlass der Verabschiedung des Einzeletats des Bundeskanzleramts verlangte Merkel auch von der Opposition eine redliche Debatte über die Ausgestaltung der Projekte. Sie wiederholte ihr Wort vom „Sanierungsfall“ Bundesrepublik. „Natürlich ist Sanierungsfall ein hartes Wort. Aber ich kann mich vor den Realitäten nicht drücken“, sagte Merkel unter Verweis auf das strukturelle Haushaltsdefizit von 60 Milliarden Euro. Sie zeigte sich aber zugleich zuversichtlich hinsichtlich der Umsetzung der Reformen. Das zeige die derzeitige Stimmung während der Fußball-Weltmeisterschaft. „Wenn ich sehe, welches Potenzial an Fröhlichkeit, an Begeisterung in diesem Land steckt, ... dann wird mir nicht bange, dass dieses Land auch die Herausforderungen meistert, vor denen wir insgesamt stehen“, sagte die Kanzlerin. Sie beharrte darauf, die Eckpunkte der Föderalismus-, der Unternehmenssteuer- und der Gesundheitsreform vor der Sommerpause festzulegen. Der Opposition warf sie vor, nur Teilaspekte zu kritisieren, anstatt „die Dinge im Zusammenhang zu sehen, weil es um ganz Deutschland und um seine Zukunft geht“. Die Vorschläge der Opposition seien „entweder nicht redlich“, oder sie erfüllten nicht die Forderung, die die Verfassung an den Bundeshaushalt stelle. Es bleibe nichts übrig, als „zu dem Mittel von begrenzten Steuererhöhungen zu greifen“. Es sei eine Entscheidung zwischen „der Zukunftssicherung oder der Frage, alles unter den Tisch zu kehren“. Im einzelnen plädierte sie für die geplante Abgeltungssteuer bei der Unternehmenssteuerreform. „Da wird es mutige Schritte geben.“ Andererseits werde sie auch die Wirtschaft in die Pflicht nehmen, die zugesagten zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung zu stecken. Der Wirtschaft warf sie auch vor, nicht ausreichend auszubilden. „Es ist eine Notwendigkeit für die Zukunft, dass junge Menschen eine Ausbildung bekommen.“ Darum kümmerten sich der Bundeswirtschaftsminister und die Bildungsministerin, „und wenn Sie mitmachen würden, wär's auch kein Schaden fürs Land“, rief sie der Opposition zu. Merkel wiederholte ihre Ansicht, dass das Gesundheitswesen unter anderem wegen der demographischen Entwicklung langfristig mehr Geld koste und wehrte sich gegen die Behauptung, der geplante Gesundheitsfonds führe automatisch zu mehr Bürokratie. Es gehe darum, die solidarische Grundlage zu verbreitern und nicht zu verschmälern. „Das kann aber nicht die Zerschlagung von funktionierenden Systemen in diesem Bereich bedeuten“, sagte sie, ohne den Streit um die Einbeziehung der privaten Kassen offen anzusprechen. Insgesamt, bilanzierte Merkel, seien wichtige Projekte auf den Weg gebracht oder umgesetzt worden. „Es ist immer einfacher, Politik zu machen, bei der ich schöne Dinge versprechen kann. Es ist manchmal sehr hart, Politik zu machen, bei der ich sagen muss, ich kann mir das eine oder andere nicht leisten“, resümierte sie. Die Opposition griff Merkel scharf an: Der stellvertretende FDP-Chef Rainer Brüderle warf ihr Wahlbetrug vor. „Sie wollten einen Politikwechsel, sie haben mehr Freiheit versprochen. Nach nur sechs Monaten sei aber klar: „Mehr Steuern, mehr Staat, mehr Bürokratie - das ist Ihr Konzept!“ Mit Blick auf die Steuerpolitik der Koalition rief er: „Ist es mehr Freiheit, wenn sie den Menschen 20 Milliarden Euro pro Jahr mehr abkassieren? Das ist nicht mehr Freiheit, das ist weniger Freiheit!“ Der FDP-Politiker warf der Union weiter vor, sie lasse sich ihre Politik von der SPD diktieren: „Wir werden von zwei sozialdemokratischen Parteien regiert, eine ist rot angestrichen, die andere schwarz angestrichen, beide sind falsch programmiert.“ Die Opposition nutzt die Debatte über den Einzeletat des Bundeskanzleramts traditionell zur Generalabrechnung mit der Politik der Bundesregierung. Der Bundestag stimmt in dieser Woche über den ersten Haushalt der großen Koalition ab. Eigentlich wird der Haushalt für das jeweils folgende Jahr stets im November verabschiedet. Wegen der vorgezogenen Bundestagswahl vergangenen September war dies aber nicht möglich.

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