Revolution in Ägypten Mubaraks Rückzug auf Raten

Der Präsident will im September nicht erneut kandidieren, doch das Volk fordert seinen sofortigen Rückzug - die Lage in Kairo bleibt angespannt. Inzwischen drängen die USA Mubarak offen zum sofortigen Rücktritt. Kein Wunder: Seine Nachfolger bringen sich längst in Stellung.

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Hosni Mubarak und Barack Obama Quelle: dpa

Mubaraks Ankündigung, bei den Präsidentschaftswahlen im September nicht erneut kandidieren zu wollen, hat keine beruhigende Wirkung auf den Volksaufstand in Ägypten gezeigt. Die Proteste gegen sein Regime gingen weiter. Im Zentrum von Alexandria kam es zu kurzen Zusammenstößen. Viele Demonstranten auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo kündigten die Fortsetzung der Proteste bis zur Amtsaufgabe Mubaraks an.

In einer mit Spannung erwarteten Rede an die Nation verkündete Mubarak am Dienstagabend lediglich, dass er die noch verbliebenen Monate im Amt für eine "friedliche Machtübergabe" nutzen wolle. Bis zum Ende seiner Amtszeit wolle er den Weg für die geforderten freien Wahlen mit Änderungen der Verfassung bereiten. Er schloss praktisch aus, ins Exil zu gehen. "Dies Land ist auch meine Heimat, und in diesem werde ich sterben", sagte Mubarak. Kurz zuvor hatten die USA erstmals Kontakt mit El Baradei aufgenommen, dem Hoffnungsträger der Opposition.

Sämtliche Oppositionsgruppen zeigten sich von Mubaraks Hinhaltetaktik enttäuscht und wollen die Proteste gegen den greisen Staatschef fortsetzen. Der Sprecher der Muslimbrüder, Mohammed Mursi, sagte: "Dies erfüllt keine der Forderungen des Volkes". Außerdem kämen diese Zugeständnisse zu spät.

Friedensnobelpreisträger Mohammed El Baradei zeigte sich enttäuscht. "Wie immer hört er nicht auf sein Volk." Auch die Jugendbewegung 6. April ging nicht auf das Angebot des 82-Jährigen ein, im September nicht erneut zu kandidieren. "Wir lehnen das ab, weil es unsere Forderungen nicht erfüllt", sagte ein Sprecher der Bewegung in Kairo. "Wir setzen die Proteste fort, bis unsere Forderungen erfüllt sind, besonders die Forderung nach dem Rücktritt Mubaraks und seines Regimes". In Kairo hatten tagsüber laut dem TV-Sender al-Dschasira bis zu zwei Millionen Menschen demonstriert.

Obama drängt Mubarak

US-Präsident Barack Obama drängte Mubarak in einem persönlichen Gespräch, sofort den Weg zur Demokratie freizumachen. "Ein geordneter Übergang muss bedeutungsvoll sein, muss friedlich sein und muss jetzt beginnen", sagte Obama am Dienstag in Washington. Er habe dies in einem Telefonat mit Mubarak nach dessen Rede verdeutlicht. "Er erkannte an, dass der gegenwärtige Zustand nicht aufrechterhalten werden kann."

Obama lobte das ägyptische Militär ausdrücklich dafür, sich während der Massenproteste professionell und patriotisch verhalten zu haben. Er forderte es nachdrücklich auf, sich auch weiterhin für einen friedlichen Verlauf der Demonstrationen einzusetzen. Bei der Vorbereitung freier und fairer Wahlen müsse gewährleistet sein, dass verschiedene Stimmen und Oppositionsgruppen zu Wort kämen, sagte Obama weiter.

Bereits vor der Äußerung des US-Präsidenten hatten Medien berichtet, dass Obama Mubarak aufgefordert habe, auf eine weitere Amtszeit zu verzichten. Der US-Sondergesandte Frank Wisner habe diese Botschaft persönlich in Kairo an Mubarak überbracht. Dies wäre seit Beginn der Revolte in Ägypten die erste konkrete Rückzugsforderung an Mubarak aus dem Weißen Haus.

Noch vor einer Woche wäre das so gut wie unmöglich gewesen, doch selbst mit der Rücktrittsforderung scheinen die USA den Ereignissen hinterherzulaufen. Denn in Kairo laufen alle Vorbereitungen für eine Zeit nach Mubarak auf Hochtouren. In Kairo verständigten sich vor dem "Marsch der Millionen" am Dienstag Vertreter aller größeren Oppositionsbewegungen auf eine gemeinsame Linie. Sie fordern den Rücktritt Mubaraks und eine "Regierung der nationalen Allianz", die Auflösung der beiden Parlamentskammern sowie der Regionalparlamente. Eine Arbeitsgruppe soll eine neue Verfassung ausarbeiten.

Nach Mubaraks Rückzugsversprechen beginnt sich auch das Personalkarussell zu drehen: Der ehemalige Außenminister Ägyptens, Amr Moussa, erwägt, sich als Präsidentschaftskandidat aufstellen zu lassen. "Ja, ich habe dieses Recht. Ich werde in den nächsten Wochen ernsthaft darüber nachdenken", sagte Moussa am Dienstag in einem Interview mit CNN. Moussa ist Generalsekretär der Arabischen Liga seit Mai 2001. Er war bereits vor einigen Jahren von Oppositionellen als möglicher Mubarak-Nachfolger gehandelt worden.

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