Schuldenkrise Portugal-Hilfegesuch schürt Angst vor Domino-Effekt

Dass Portugal nun doch Finanzhilfen bei der EU beantragt, wird von Brüssel als verantwortungsvoll gewertet. Die Aktion befeuert aber auch die Debatte über eine neue Rettungsaktion für Griechenland.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der Belem-Tower in Lissabon. Quelle: handelsblatt.com

So hält es der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, zwar für sinnvoll, dass Portugal die Europäische Union um Finanzhilfen bittet. "Auf diese Weise macht es sich von den überhöhten Zinsforderungen der Kapitalmärkte unabhängig. Dies ist essentiell, um einen nachhaltigen Entschuldungsprozess einzuleiten", sagte Horn Handelsblatt Online

An der Zinshöhe entscheide sich aber auch das Schicksal Griechenlands, gab der Ökonom zu bedenken und mahnte, nach der Portugal-Rettung müsse die EU auch Griechenland helfen. Horn hält allerdings nichts von einer Umstrukturierung der Staatsschulden. "Eine Umschuldung würde auf absehbare Zeit ein überhöhtes Zinsniveau nicht nur für Griechenland, sondern letztlich für alle Mitglieder des Euroraums bedeuten", warnte er. Denn ein Staatsbankrott verändere grundsätzlich den Charakter der Euroanleihen: Sie würden dann unsicherer im Vergleich zu amerikanischen oder japanischen Staatsanleihen. "Genau deshalb muss ein Staatsbankrott durch eine gemeinschaftliche Stützungsaktion vermieden werden", sagte Horn.

Bei Griechenland hielten sich trotz anderslautender Beteuerungen Gerüchte über eine baldige Umstrukturierung der Staatsschulden. Es gebe wachsende Zweifel, dass Griechenland im kommenden Jahr wie geplant an den Kapitalmarkt zurückkehren und sich teilweise wieder selbst finanzieren könne, sagten einige in Europa mit der Angelegenheit vertraute Personen Reuters. Damit gibt es erstmals auch Regierungsvertreter, die sich auf die Seite von Volkswirten und Analysten schlugen, die eine Umschuldung schon seit einiger Zeit für unvermeidlich halten.

Die Personen plädierten dafür, eine Restrukturierung der Schulden Griechenlands bereits im kommenden Jahr in Erwägung zu ziehen. Noch gebe es kein Instrument für Umschuldungen, erklärte die Bundesregierung. Dies werde erst mit dem dauerhaften Rettungsschirm ESM, nach dem die privaten Gläubiger bei einer drohenden Staatspleite zur Kasse gebeten werden, ab 2013 möglich. Bei einer Umschuldung müssen die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten.

16 Prozent Zinsen für Griechenland

Griechenland müsste derzeit bei der Begebung fünfjähriger Anleihen mehr als 16 Prozent Zinsen hinblättern. Noch ist das Land nicht auf den Kapitalmarkt angewiesen, doch Anfang kommenden Jahres soll es sich nach und nach wieder über die Ausgabe von Staatsanleihen finanzieren. Das wäre aktuell gar nicht bezahlbar.

Nach Worten des Parlamentspräsidenten Griechenlands, Philippos Petsalnikos, kommt ein Schuldenschnitt jedoch nicht infrage. Er versicherte, Griechenland werde die aus Privatisierungen eingeplanten Erträge von 50 Milliarden Euro komplett in den Schuldenabbau stecken. Der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn bekräftigte, Griechenland sei auf gutem Weg bei seinem Sanierungsprogramm, dass nach dem Antrag für EU/IWF-Hilfen in Höhe von 110 Milliarden Euro aufgelegt wurde. Damit werde es seinen Haushalt in Ordnung bringen und das Vertrauen der Märkte zurückgewinnen. Es gebe keine Gespräche über eine Umschuldung, betonten der EU-Sprecher und zwei Vertreter von Euro-Ländern. Auch die Commerzbank rechnet nicht mit einem Schuldenschnitt in diesem Jahr in den schwachen Euro-Staaten, wie Finanzvorstand Eric Strutz sagte.

Während Griechenland durch das Hilfspaket von EU und IWF derzeit von den Märkten weitgehend abgeschottet ist, bekommt Portugal das Misstrauen mit ständig steigenden Kosten für seinen Schuldendienst zu spüren. Bei einer Auktion kurzfristiger Staatspapiere schnellten am Mittwoch die Renditen über fünf Prozent. Für fünfjährige Anleihen sind mittlerweile 9,75 Prozent Zinsen fällig. Die Regierung, die über dem Streit mit der Opposition wegen des Sparprogramms zerbrach und vor Neuwahlen steht, kommentierte das Auktionsergebnis mit bitteren Worten: "Aus den derzeitigen Zinsen lässt sich schließen, dass der durch die Ablehnung des Sparprogramms entstandene Schaden irreparabel ist", erklärte das Finanzministerium.

Das erklärt auch die abrupte Kehrtwende des Landes. Portugal ist nach Griechenland und Irland das dritte Euro-Land, das auf den Druck der Kapitalmärkte reagieren muss und um Unterstützung bittet. "Ich habe alles getan, aber ... wir haben einen Zeitpunkt erreicht, wo ein Verzicht auf diese Entscheidung, unzumutbare Risiken für dieses Land bedeuten würde", sagte der geschäftsführende Ministerpräsident Jose Socrates am Mittwochabend im Fernsehen. Ein Hilfeersuchen sei unvermeidbar.

Vor Socrates hatte bereits der portugiesische Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos der Zeitung "Jornal de Negocios" gesagt: "In diesen schwierigen Zeiten, die vermeidbar gewesen wären, gehe ich davon aus, dass es nötig ist, auf den Finanzmechanismus innerhalb des europäischen Regelwerks zurückzugreifen." Die Situation des Landes hatte sich im vergangenen Monat dramatisch verschärft, als die Minderheitsregierung scheiterte. Das Parlament wies ein verschärftes Sparprogramm zurück. Am Mittwoch erklärte sich der Chef der oppositionellen Sozialdemokraten, Pedro Passos Coelho, bereit, das Hilfsgesuch an die EU zu unterstützen.

Portugal benötigt 60 bis 80 Milliarden Euro

Viel Zeit haben die Südeuropäer nicht mehr. Portugal muss im April Anleihen über 4,2 Milliarden und im Juni über 4,9 Milliarden Euro ablösen. Vor allem beim zweiten Termin rechnen Experten mit Schwierigkeiten.

EU-Kreisen zufolge benötigt Portugal 60 bis 80 Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren. Die Verhandlungen über das Rettungspaket für Portugal können nach Einschätzung von mit der Angelegenheit vertrauten Personen schnell über die Bühne gehen. Dafür ist allerdings ein unterschriebenes Abkommen einer voll und ganz legitimierten Regierung notwendig. Noch scheint nicht geklärt, ob die Übergangsregierung überhaupt in der Lage ist, einen Hilfsantrag zu stellen. Sie ist bis zu den Neuwahlen Anfang Juni lediglich kommissarisch im Amt.

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso kündigte an, den Hilfsantrag so schnell wie möglich zu bearbeiten. Am Freitag kommen die EU-Finanzminister in Budapest zusammen, um über Portugal zu beraten. EU-Währungskommissar Olli Rehn begrüßte das Hilfegesuch. Er sagte der Nachrichtenagentur Reuters: "Das ist ein verantwortungsvoller Schritt der portugiesischen Regierung, um die Finanzstabilität des Landes und Europas sicherzustellen.

Dessen ungeachtet wächst die Angst, die Griechenland-Krise könnte sich weiter verschärfen. Befeuert werden könnte dies noch durch die Europäische Zentralbank (EZB), die heute voraussichtlich die Zinswende einläuten wird. Experten erwarten wegen der anziehenden Inflation zunächst eine leichte Anhebung des Leitzinses für den Euro-Raum um 0,25 Punkte. Der wichtigste Zins zur Versorgung der Kreditwirtschaft mit Zentralbankgeld war mitten in der Wirtschafts- und Finanzkrise im Mai 2009 auf das Rekordtief von 1,0 Prozent gesenkt worden.

Höhere Zinsen helfen im Kampf gegen die Inflation, weil Kredite teurer werden - allerdings verteuern sie Kredite und bremsen die Konjunktur. Ein Ausstieg aus dem extrem billigen Geld dürfte daher die hoch verschuldeten Länder wie Irland, Portugal oder Griechenland belasten, deren Wirtschaft bereits unter rigiden Sparprogrammen leidet.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%