Aufbau Süd Sonderwirtschaftszonen sollen Griechenland-Wachstum ankurbeln

Griechenland ist quasi pleite und liegt wirtschaftlich am Boden. Deutschland will helfen. Doch wie lässt sich der hoch verschuldete Staat auf Wachstumskurs bringen? Ökonomen raten zu Lockangeboten für Investoren.

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Ein-Euro-Münzen. Quelle: handelsblatt.com

Nach Einschätzung führender Ökonomen in Deutschland sind für Griechenland besondere Investitionsbedingungen nötig, um dem Land wirtschaftlich wieder auf die Beine zu helfen. „Anreize für Investitionen könnten etwa durch die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen geschaffen werden“, sagten die Konjunkturexperten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Ansgar Belke und Christian Dreger, im Gespräch mit Handelsblatt Online.

Belke sprach sich dafür aus, mit neuer finanzieller Unterstützung oder bestehenden EU-Mitteln neben kleine Vorhaben auch kleine und mittlere Unternehmen sowie Businessparks, Forschung und Entwicklung zu fördern. Auch Fördergelder zur Umschulung von Arbeitslosen sollten schneller fließen. „Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollen Experten schicken, um die bisher oft schleppende Zuteilung der Fördergelder zu beschleunigen“, sagte der DIW-Experte. Dazu müssten womöglich auch Verwaltungsregeln in Griechenland geändert werden.

Im Strukturfonds seien für Athen für die Jahre 2007 bis 2011 insgesamt 20,2 Milliarden Euro reserviert. Davon seien jedoch EU-Kommission bislang erst 4,9 Milliarden Euro. Belke hält es zudem für nötig, die griechischen Behörden in die Lage zu versetzen, „sinnvolle Projekte zu identifizieren“ und in Brüssel die Finanzierung zu beantragen. Auch dabei sollten Experten aus Brüssel, aber auch aus den Mitgliedsstaaten künftig helfen.

Der Konjunkturchef des Münchner Ifo-Instituts, Kai Carstensen, sieht ebenfalls in der Verbesserung der Investitionsbedingungen einen wichtigen Schlüssel für die Belebung von Wachstum. Dies erfordere Reformen überall dort, wo die staatlichen Institutionen nicht wie gewünscht funktionieren, sagte Carstensen Handelsblatt Online. „Hier kann eine technische Unterstützung durch die EU durchaus sinnvoll sein, beispielsweise indem beim Aufbau eines Katasteramts geholfen wird“, erläuterte der Ifo-Ökonom. Erst wenn diese Reformen auf den Weg gebracht sind, könne über öffentliche Investitionsprogramme nachgedacht werden, betonte Carstensen. „Es ist nicht Ziel führend, das Geld der europäischen Steuerzahler in ineffiziente Strukturen zu stecken. Dies könnte sogar dazu führen, dass der Anpassungsbedarf in Griechenland vorübergehend nicht mehr so dramatisch aussieht und die notwendigen Reformen verschleppt werden.“

Rösler nennt Schwerpunkte der Griechenland-Förderung

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler umriss derweil die Bereiche Tourismus, Infrastruktur und Telekommunikation als Schwerpunkt für das Engagement ausländischer Investoren in Griechenland. Bei dem Treffen mit rund 20 Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft werde es am Mittwoch vor allem darum gehen, wie die Voraussetzungen für Investitionssicherheit geschaffen werden könnten, sagte Rösler im ZDF. Er rief zugleich den deutschen Mittelstand auf, mit seinen Erfahrungen dem von Schulden- und Wirtschaftskrise gebeutelten Euro-Land zu helfen. „Seine Erfahrungen kann man auf Griechenland übertragen, zum Beispiel in der wichtigen Frage: Wie kann der Mittelstand sich in Krisenzeiten finanzieren?“

Über das Schaffen tragfähiger Strukturen in Griechenland, die Vermittlung von Erfahrungen der deutschen Wirtschaft sowie Investitionen in die drei Kernbereiche solle bei dem Treffen nicht nur mit der Wirtschaft, sondern auch mit Vertretern des Auswärtigen Amtes gesprochen werden. „Wir wollen gleichzeitig auch auf die Europäische Union zugehen“, sagte Rösler. Die EU-Kommission habe Möglichkeiten zu helfen, Investoren den Gang nach Griechenland zu erleichtern. Der FDP-Politiker hatte jüngst ein 16-Punkte-Papier „Eckpunkte für eine Investitions- und Wachstumsoffensive für Griechenland“ vorgelegt.

Von neuen Wegen, die Griechenland gehen müsse, um wettbewerbsfähiger zu werden, sprach der Konjunkturexperte vom Hamburger Weltwirtschaftsinstitut (HWWI), Jörg Hinze. Daher gebe es auch „kein Patentrezept und auch nicht im Vorhinein bestimmte Branchen oder Güterbereiche, in die investiert werden sollte, schon gar nicht staatlicherseits“, sagte Hinze Handelsblatt Online. Allerdings plädierte auch er dafür, die investiven Rahmenbedingungen zu verbessern, wie etwa zeitlich begrenzte Steuererreduzierungen und Abschreibungserleichterungen anzubieten. Idealerweise müssten zudem „internationale Konzerne zur Errichtung von Produktionsstätten angeworben werden, weil hier normalerweise erhebliche Folgeeffekte auf Zulieferfirmen ausgehen“, erläuterte der HWWI-Experte.

Staatlicherseits empfahl Hinze, die nichtausgeschöpften EU-Fördermittel auch ohne Eigenbeteiligung Griechenlands freizugeben und deren effiziente Verwendung zu kontrollieren. „Sicherlich sind von einem derartigen Vorgehen keine raschen Erfolge zu erwarten“, gab Hinze zu bedenken und fügte hinzu: „Die Einführung und Umsetzung der genannten Maßnahmen erfordert Zeit.“

Der DIW-Ökonom Belke unterstrich die wirtschaftlichen Chancen, die in einem Aufbauprogramm Griechenlands stecken. „Wenn man dort kostengünstig investieren kann und auf billige Arbeitskräfte stößt, dann rechnet sich Griechenland als Standort in der globalen Wertschöpfungskette“, sagte er. Dies sei auch eine Parallele zu Ostdeutschland. „Damit könnte man dann auch gleichzeitig die zu starke Abhängigkeit von asiatischen Produktionsstandorten wie beispielsweise China abbauen“, ist sich der Ökonom sicher. „Mithin ist auch hier der Hintergedanke nicht so sehr den Griechen einen Gefallen zu tun, sondern die Chance in Griechenland zu nutzen“, sagte Belke.

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