EU-Lobbyismus Wirbel um Ex-EU-Kommissar Verheugen

Der Ex-Kommissar Günter Verheugen gründet eine Beratungsfirma und heizt so den Widerstand gegen Ex-EU-Politiker an, die Lobbyisten werden.

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Verheugen

Geht es um Lobbyismus, zieht Brüssel häufig Kritik auf sich. Doch gegen einen Trend wächst auch im Europäischen Parlament nun massiver Widerstand: EU-Spitzenpolitiker, die sich nach ihrer Amtszeit als Lobbyisten verdingen. Das jüngste Beispiel ist der im Februar ausgeschiedene EU-Industriekommissar Günter Verheugen (SPD). Zusammen mit seiner engen Mitarbeiterin und angeblichen Geliebten Petra Erler gründete er im April eine Beratungsfirma.

The European Experience Company gibt zwar an, keiner Lobbyarbeit nachzugehen. Der Angebotskatalog liest sich aber anders. Von Potsdam aus bieten Verheugen und Erler Hintergrundanalysen und Strategietipps in europapolitischen und anderen politischen Angelegenheiten sowie Intensivkurse mit Experten aus EU-Institutionen. Im Klartext: Sie spielen Türöffner in Brüssel. „Jeder, der Geld hat, kann sich über Verheugen Zugang zu den Institutionen erkaufen“, sagt die EU-Abgeordnete Inge Gräßle (CDU), fügt hinzu: „Die Kommission muss sich allmählich überlegen, wie sie sich gegenüber Ex-Kommissaren abschottet.“ Ist doch der Deutsche, der von der EU gleichzeitig 115.000 Euro Pension im Jahr kassiert, nicht das einzige Beispiel.

Die österreichische Ex-Außen-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner rückte kürzlich in den Aufsichtsrat des Rückversicherers Munich Re, ihr Ex-Binnenmarkt-Kollege Charlie McCreevy in den des Billigfliegers Ryanair, und Javier Solana wechselte vom EU-Rat zum spanischen Infrastrukturkonzern Acciona. Das EU-Parlament pocht seit Jahren darauf, die Verhaltensregeln für Kommissare zu verschärfen, hatte der Kommission jetzt sogar eine Frist bis August gesetzt. Passiert ist nichts. „Die wollen das Thema aussitzen“, sagt Gräßle. Eine Studie, die das Parlament 2009 erstellen ließ, machte „signifikanten Verbesserungsbedarf“ am Verhaltenskodex aus, besonders bei den Fristen zwischen den Jobs.

Zwar gibt es offiziell eine einjährige Sperre, doch in der Praxis erteilt das zuständige Ethik-Komitee fast immer Ausnahmegenehmigungen. Geleitet wird es von einem Ex-Top-Beamten, der sich selbst eine lukrative Stelle in einer Anwaltskanzlei gesichert hat. Eigentlich hätte auch Verheugen seine Firma vom Komitee absegnen lassen müssen. Getan hat er das nicht, was die Kommission nun prüfen wird. Strafen aber sieht der Kodex keine vor.

Neben EU-Parlamentariern erhöhen auch US-Politiker den Druck. Seit 2007 gilt in Amerika für Ex-Senatoren ein Lobbyingverbot von zwei Jahren, für Kongress-Mitglieder von einem Jahr. Mehrere Senats-Kandidaten und Senatoren fordern nun ein lebenslanges Verbot für Ex-Volksvertreter, als Lobbyist arbeiten zu dürfen.

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