Der Ökonom 35-Jähriger managt 700-Milliarden-Dollar-Rettungspaket

Der erst 35-jährige Investmentbanker Neel Kashkari soll dafür sorgen, dass das 700-Milliarden-Dollar-Rettungspaket der US-Regierung nicht zum Desaster für die Steuerzahler wird.

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Neel Kashkari: Der gelernte Quelle: AP

Mit seinem kahl geschorenen Kopf sieht er aus wie der jüngere Klon seines Mentors Henry Paulson. Als Neel Kashkari, seit zwei Jahren einer der engsten Mitarbeiter des US-Finanzministers, vor wenigen Wochen in Washington über Alternativen zur Hypothekenfinanzierung in den USA spricht, stellt ihn der Moderator als „Spezialist für neue Ideen“ vor. Besonders neu sind die von ihm an diesem Tag präsentierten Konzepte zwar nicht. Doch zu diesem Zeitpunkt gehört der junge Mann mit den dunklen Augen bereits zu einer geheimen Sondereinsatztruppe im Finanzministerium, die sich mit einer wirklich revolutionären Neuerung beschäftigt: dem wenig später verkündeten 700 Milliarden Dollar schweren Rettungspaket, das die Banken aus dem Schlamassel befreien soll, in den sie sich selber gebracht haben.

Nur wenige Tage später, am 6. Oktober, beruft ihn Paulson an die Spitze des neu geschaffenen Office of Financial Stability. In dieser Funktion wird der eloquente Politik-Novize nun in enger Abstimmung mit Paulson darüber entscheiden, wie und wo die Gelder eingesetzt werden, die Washington zur Bewältigung der Finanzkrise freigegeben hat. Mit rund 250 Milliarden Dollar wird sich die Regierung wohl direkt an Banken beteiligen, mit dem Großteil des Restbetrags sollen über das „Troubled Asset Relief Program“ obskure Finanztitel aufgekauft werden. Diese Eigenkreationen der Banken liegen wie Blei auf den Bilanzen.

Kashkari fühlt sich der Aufgabe gewachsen

Kashkari steht vor einer fast unlösbaren Aufgabe: Womit anfangen? Er hat es mit hochkomplexen, aus Eigenheimhypotheken, Kreditkartenschulden, Studentendarlehen und anderen Forderungen zusammengeschusterten Finanzkonstrukten zu tun. Fast noch wichtiger ist die Frage: Wie viel soll der Staat für den Schrott bezahlen? Kashkari will eine sogenannte „Reverse Auction“ organisieren, eine umgekehrte Auktion, bei der der Bieter – in diesem Fall der Staat – einen Betrag nennt, den er investieren möchte, und die Banken dann Gebote abgeben, wie viele ihrer Finanzvehikel sie für diesen Betrag hergeben. Wer das höchste Volumen angibt, erhält den Zuschlag. Doch ob später, wenn sich die Finanzinstrumente dem Ende ihrer Laufzeit nähern, ein Profit für den Steuerzahler herausspringt, ist sehr zweifelhaft.

Gewachsen fühlt sich Kashkari der Aufgabe allemal: „Als Ingenieur haben mich die Probleme gereizt, über die noch niemand nachgedacht hatte. Meine Arbeit in der Politik bringt mich nun zurück in diese Zeit.“ Kashkari ist der Sohn von Immigranten, die in den Sechzigerjahren aus Kaschmir nach Amerika kamen. Er wächst in Stow auf, einer kleinen Stadt in Ohio. Sein Vater ist Ingenieur, seine Mutter Pathologin. Neel, der gerne Heavy-Metal-Musik hört, studiert an der Universität von Illinois Ingenieurwissenschaften. Nach seinem Abschluss erhält er einen Job bei TRW, einer Gesellschaft, die Satellitentechnologie unter anderem für die Nasa herstellt. Doch in der Forschung sieht er nicht seine Zukunft und trägt sich an der Wharton School in Pennsylvania, einer der führenden Business Schools des Landes, für einen Master of Business Administration ein. Während eines Praktikums bei Goldman Sachs erwacht sein Interesse an Finanzthemen. 2002 erhält er einen Job im Büro der Investmentbank in San Francisco, wo er sich vor allem mit IT-Sicherheit beschäftigt.

Die Meinungen gehen auseinander

Im Februar 2006 trifft Kashkari in New York auf Paulson, zu dieser Zeit noch Vorstandschef von Goldman Sachs. Sie diskutieren über öffentliche Ämter und den Dienst, den erfahrene Manager für ihr Land leisten können. Als Kashkari wenige Monate später von Paulsons Nominierung für den Job des US-Finanzministers erfährt, ruft er ihn an: „Hank, erinnern Sie sich an die Unterhaltung, die wir vor ein paar Monaten hatten? Wenn Sie ein Team zusammenstellen, möchte ich dabei sein.“ Eine Woche später leistet er seinen Amtseid ab, zunächst als Berater für Fragen der Energiesicherheit.

Doch die Meinungen über den 35-Jährigen, der an vorderster Front bei der Bewältigung der Finanzkrise steht, gehen auseinander. Die einen halten ihn für eine Idealbesetzung und trauen ihm zu, die komplexen und zum Teil von Mathematikern kreierten Finanzinstrumente zu durchdringen, die der Staat aufkaufen will. Andere halten ihn für zu unerfahren, sehen in ihm zudem einen Karrieristen, der erkannt habe, dass er bei Goldman Sachs vorerst nicht weiterkomme – aber per Umweg über Washington einen Sprung nach oben machen könne. Auch bei Goldman Sachs hat man gemischte Gefühle. Einerseits beweise Kashkaris Ernennung, dass bei der Bank tatsächlich die besten Talente zu finden seien. Andererseits liefert das Duo Paulson/Kashkari als Retter der Nation den in der Finanzbranche nie verstummenden (und nie belegten) Verschwörungstheorien neue Nahrung, Goldman habe zu viel Einfluss in der Politik und überall mit seinem Alumni-Netzwerk die Finger im Spiel. Schon lästern Kritiker in Online-Foren über Kashkari und stellen die Frage, wo er wohl nach den US-Präsidentschaftswahlen landen werde: zurück auf einen lukrativen Job an der Wall Street?

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