Atombombe Iran - Jahr der Entscheidung

Der Streit um das Atomprogramm der Mullahs wird zum Testfall für den Zusammenhalt der internationalen Gemeinschaft - und für die iranische Innenpolitik. Die Lage ist instabil. Das macht eine Einigung noch unwahrscheinlicher. 2010 droht ein Showdown. Vor welchen Herausforderungen westliche Regierungen stehen.

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Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad bei den Feiern zum

BERLIN. Die Uhr tickt. Mit jedem Tag, der vergeht, nähert sich Iran stärker jenem Punkt, an dem es die Fähigkeit zum Bau einer atomaren Bombe erlangen wird. Dieser "point of no return" könnte 2010 erreicht werden, warnte der Chef des israelischen Militärgeheimdienstes, Generalmajor Amos Yadlin, vor wenigen Tagen öffentlich. Das aber, so droht etwa Israel, werde man mit allen Mitteln verhindern. Allein dieser Umstand erklärt, wieso Iran im kommenden Jahr zur zentralen Herausforderung der internationalen Gemeinschaft werden dürfte.

Denn sosehr die öffentlichen Debatten etwa in Deutschland derzeit um den Krieg in Afghanistan kreisen: Alle westlichen Regierungen sind überzeugt davon, dass der Streit über das iranische Atomprogramm eine viel größere strategische Bedeutung hat. Eine atomare Bewaffnung des größten schiitischen Landes strahle auf eine auch für die Weltwirtschaft strategisch wichtige Region aus.

Einem Angriff folgt das Chaos

Entwickeln die Mullahs in Teheran tatsächlich die Bombe oder erhalten sie auch nur die Atomwaffen-Fähigkeit, würde dies ein Wettrüsten im Nahen und Mittleren Osten auslösen. Die Regierung in Teheran ist zudem direkt oder indirekt an den Konflikten im Libanon, zwischen Israel und den Palästinensern bis hin zum Jemen beteiligt. Ein Angriff Israels oder gar der USA auf Iran wiederum stürzte die Region ins Chaos und machte auf Jahre jede Nahost-Friedenslösung unmöglich - mit unabsehbaren Folgen für die Weltwirtschaft durch einen wahrscheinlich explodierenden Ölpreis.

Bereits die Jahreswende soll deshalb eine Vorentscheidung über den weiteren Weg der internationalen Gemeinschaft bringen. Seit Monaten ringt die Sechsergruppe (die fünf Vetomächte der Vereinten Nationen plus Deutschland) um eine Verhandlungslösung. Nach langem Stillstand bis zu den umstrittenen iranischen Präsidentschaftswahlen schien es im November wirklich, als ob Teheran beidrehen würde. Dafür hatte die neue US-Regierung unter Barack Obama erstmals direkte Gespräche mit dem Land zugelassen, mit dem Washington seit 30 Jahren keine diplomatischen Kontakte mehr unterhält.

Moskau stoppt Waffenlieferungen

In Genf sah tatsächlich alles nach einem Durchbruch aus: Iran sagte zwar nicht das Ende der umstrittenen Urananreicherung zu, erklärte sich aber bereit, den allergrößten Teil des bereits angereicherten Materials nach Russland zu bringen. Dort, so die Gegenleistung, sollte das Uran auf einen höheren Grad angereichert und dann wieder nach Iran gebracht werden - ein klassischer Versuch der Vertrauensbildung. Denn unter dem Druck wichtiger Schwellenländer betonen auch die USA immer wieder, dass niemand Iran das Recht auf die zivile Nutzung der Atomtechnik nehmen wolle.

Umso größer war die Ernüchterung, als Iran das Abkommen nicht einhielt. Seither ist auch Moskau massiv verärgert und hat zugesagte Waffenlieferungen an Iran gestoppt. In den westlichen Ländern hofft man deshalb, dass diesmal zumindest auch Moskau weitere harte Sanktionen mittragen wird. So soll der Uno-Sicherheitsrat ein umfassendes Embargo gegen den Energiesektor beschließen - mit dem das Regime auch seine militärischen Raketenprogramme finanziert.

Diplomaten fürchten nun eine doppelte Herausforderung: Zum einen haben die bereits verhängten Wirtschaftssanktionen gezeigt, dass sie nur funktionieren, wenn sich China beteiligt; chinesische Firmen haben aber gerade umfangreiche Rohstoffverträge mit Iran geschlossen. Zum anderen gilt als völlig unsicher, wie entscheidungsfähig die iranische Regierung überhaupt noch ist. Denn in den vergangenen Monaten überraschte eine merkwürdige Umkehrung der Rollen im Atomstreit.

Lage in Teheran bleibt instabil

Bisher galt Präsident Mahmud Ahmadinedschad wegen seiner Drohungen gegen Israel als größtes Problem. Doch ein halbes Jahr nach seiner umstrittenen Wiederwahl ließ er den Deal in Genf schließen. Nur wurde dieser in Teheran von Ahmadinedschads als weniger radikal geltenden Gegnern aus innenpolitischen Motiven hintertrieben. Und die Lage im Land ist sehr instabil: Auch im Dezember gab es blutige Demonstrationen. Eine Regierung, die innenpolitisch unter Druck steht, wird aber keine Zusagen wagen, lautet die Befürchtung etwa in Berlin und Washington.

Deshalb droht 2010 ein gefährlicher Showdown. Wirtschaftssanktionen galten immer als letztes Mittel, um etwa Israel von einem Militärschlag abzuhalten. Nun könnte es Ahmadinedschad, seinem Land und möglicherweise der gesamten Region zum Verhängnis werden, zu lange auf eine Verzögerungstaktik gesetzt zu haben.

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