Abrechnung mit dem US-Präsidenten Gaucks Appell an Trump

Der scheidende Bundespräsident Joachim Gauck nutzt die feierliche Stabübergabe von Ulrich Grillo an Dieter Kempf an der Spitze des Bundesverbandes der Deutschen Industrie für eine Abrechnung mit dem US-Präsidenten.

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„Werden neue Mauern errichtet statt alte zu schleifen, ziehen sich Gesellschaften, die bisher von Technologie, Innovation, Austausch in unvorstellbarem Maße profitiert haben, ins nationale Schneckenhaus zurück.“ Quelle: dpa

Berlin Bundespräsident Joachim Gauck setzt sich zum Abschluss seiner Amtszeit vehement für freien Handel ein und kritisiert die Abschottungspolitik von Donald Trump. „Mit dem Amtsantritt des neuen amerikanischen Präsidenten steht zu befürchten, dass gerade jenes Land, das den wichtigsten Absatzmarkt für deutsche Exporte darstellt, sich von den Prinzipien des Freihandels entfernen könnte“, sagte Gauck am Dienstagabend bei einem Gala-Abend des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums in Berlin. „Protektionistische Maßnahmen mögen auf kurze Sicht manchmal durchaus positive Effekte auf eine Volkswirtschaft haben. Ihre langfristigen Folgen jedoch sind negativ“, sagte Gauck.

Versuche, sich nach einfachen, populistischen Rezepten abzuschotten und die Globalisierung zurückzuschrauben, könnten „verheerende Auswirkungen“ haben, warnte der scheidende Bundespräsident. „Würden über Jahrzehnte abgetragene Barrieren wieder entstehen, wäre das ein Rückschlag für uns alle – und gerade für uns in Deutschland“, sagte Gauck.

Gauck war Ehrengast der Gala anlässlich der Amtsübergabe von BDI-Präsident Ulrich Grillo an Dieter Kempf. Grillo, Chef und Inhaber der Duisburger Grillo-Werke, hatte für zwei Amtszeiten von je zwei Jahren an der Spitze des mächtigen Wirtschaftsverbandes gestanden. Dieter Kempf, der mehr als zwei Jahrzehnte das Nürnberger Softwarehauses Datev geleitet hat, hat die BDI-Führung zum Jahreswechsel von Grillo übernommen.

„Werden neue Mauern errichtet statt alte zu schleifen, ziehen sich Gesellschaften, die bisher von Technologie, Innovation, Austausch in unvorstellbarem Maße profitiert haben, ins nationale Schneckenhaus zurück, statt die Zusammenarbeit zum Wohle aller zu suchen – dann ist die Welt, wie wir sie kennen und wie wir sie schätzen, bedroht“, warnte Gauck. „Lassen Sie uns diesen Kräften der Abschottung entschlossen und gemeinsam gegenübertreten“, sagte er zum Schluss seiner Rede. Gauck spricht der deutschen Wirtschaft damit aus dem Herzen.


Die westliche Welt verändere sich durch Trump

Quer durch alle Branchen und Größenklassen wächst die Befürchtung, dass der Kurs der USA Deutschland Schaden zufügen könnte. Die westliche Welt sei angesichts des neuen US-Präsidenten dabei, sich grundlegend zu verändern, sagte der neue BDI-Präsident Kempf. Ein wirtschaftlich isoliertes Amerika hätte erhebliche Auswirkungen auf den weltweiten Handel, sagte er. „Die Konsequenzen treffen uns Deutsche als führende Export- und Importnation besonders stark.“

Der Schulterschluss zwischen Bundespräsident und BDI ist keine Selbstverständlichkeit. Gauck hat in den vergangenen Jahren auch mit Kritik an der Wirtschaft nicht hinterm Berg gehalten. Sein Credo, freies Unternehmen brauche Grenzen, war immer auch als Appell zu verantwortungsvollem Handeln, Bescheidenheit und sozialer Verantwortung zu verstehen. Besonders kritisch hat er sich mit den Auswüchsen in der Finanzbranche auseinandergesetzt.

Nun aber sind der scheidende Bundespräsident und der neue BDI-Präsident zu hundert Prozent auf einer Linie. Die rund 400 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft honorierten das am Dienstagabend mit lang anhaltendem Applaus – sowohl für Gauck als auch für Kempf. Mit von der Partie waren unter anderem Maria-Elisabeth Schaeffler, Airbus-Chef Tom Enders, der Chef der Linksfraktion Dietmar Bartsch, DIHK-Chef Eric Schweitzer, Ex-BDI-Präsident Jürgen Thumann, VDA-Präsident Matthias Wissmann und Ex-BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf.

Den angemessenen Rahmen für den Abend bildete der Schlüterhof im Deutschen Historischen Museum, benannt nach dem Architekten Andreas Schlüter. Er wird gewählt, wenn es richtig feierlich werden soll. Die von Schlüter (1659 bis 1714) für den Hof des Zeughauses geschaffenen 22 Reliefe mit den Köpfen sterbender Giganten an den Wänden des Hofes lassen keinen Besucher unbeeindruckt.

Dass der Schlüterhof in vergangenen Jahrhunderten als Paradehof zur Präsentation von Geschützen diente, mag mancher Gast am Dienstagabend als Fingerzeig verstanden haben. Denn der BDI, der für gewöhnlich eher dezent auftritt und sich auf die unauffällige Lobbyarbeit konzentriert, geht mit der Positionierung zu den Plänen Trumps eindeutig in die Offensive.

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