Ägyptens Präsident Al-Sisi Das Militär als Allheilmittel

Mit Infrastrukturprojekten will Ägyptens Präsident Al-Sisi die Wirtschaft im Land wieder antreiben. Debatten sind ihm ein Dorn im Auge. Der Ex-General setzt daher auf das Militär – das fragt nicht, sondern handelt.

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Der Ex-General schätzt demokratische Debatten nicht. Beim Wiederaufbau des Landes setzt er auf das Militär – mit begrenztem Erfolg. Quelle: Reuters

Kairo Abdel Fattah al-Sisi ist seit 25 Monaten Ägyptens Präsident, und in dieser Zeit hat er versucht, das Chaos im Land mit Disziplin im Militärstil zu beenden. Der Ex-General hat den Streitkräften außerdem eine so große Rolle eingeräumt, wie es Ägypten seit mehr als 50 Jahren nicht mehr erlebt hat, indem er sie mit dem Wiederaufbau der darniederliegenden Wirtschaft betraute.

So leitet das Militär gleich eine Reihe von größeren Projekten, vom Straßen- und Häuserbau bis hin zur Versorgung der Öffentlichkeit mit billigen Nahrungsmitteln. Das hat der Wirtschaft ein wenig geholfen. Aber die Kehrseite der Medaille ist, dass viele dieser Programme unter strenger Geheimhaltung laufen.

So sehen Beobachter nur Stückwerk. Sie rätseln, ob Al-Sisi überhaupt einen umfassenden Plan hat, die unter hoher Inflation, Arbeitslosigkeit und Währungsverfall leidende Wirtschaft auf die Beine zu bringen.

Tatsächlich fällt auf, wie häufig Al-Sisi versucht hat, seinen Ministern und anderen Politikern einen Maulkorb zu verpassen – in Fragen, die normalerweise offen diskutiert werden. Im Juni erklärte er schlicht, dass einige seiner geplanten Projekte nicht publik gemacht werden könnten. Weshalb, sagte er nicht.

Als sein für die Stromversorgung zuständiger Minister im Mai live im Fernsehen bekanntgab, dass der Assuan-Staudamm vorübergehend aus dem Elektrizitätsnetz genommen werde, schnitt ihm Al-Sisi das Wort ab und sagte: „Lasst uns nicht über diese Details sprechen.“ Als sein Ölminister – ebenfalls live im TV – bei einer Powerpoint-Präsentation eine Karte mit einer geplanten Pipeline zeigte, ordnete Al-Sisi die Entfernung der Aufnahme an.

Eine der umstrittensten Entscheidungen des Präsidenten, die Abtretung von zwei Inseln im Roten Meer an Saudi-Arabien, wurde hinter geschlossenen Türen gefällt – absichtlich, um Medienwirbel zu vermeiden, wie Al-Sisi selber sagte.

Bei einem im Fernsehen übertragenen Treffen mit Politikern und Redakteuren verteidigte Al-Sisi die Entscheidung und verlangte dann ein Ende der Debatte. Als ein Parlamentarier versuchte, ihn anzusprechen, wies ihn Al-Sisi in die Schranken: „Entschuldigung, ich habe Ihnen keine Erlaubnis zum Reden gegeben.“


Diskussionen sind unerwünscht

„Er will das Land führen wie das Militär“, sagt Michael W. Hanna, ein Ägypten-Experte der Century-Stiftung in New York. „In dieser Welt geht es um Anweisung und Ausführung, es ist kein Ort für Diskussion, Transparenz oder Politik.“

Seit dem Militärputsch von 1952 ist Ägypten bis auf zwei Jahre von Präsidenten regiert worden, die aus den Streitkräften kamen. Unter dem langjährigen Autokraten Husni Mubarak, einem früheren Luftwaffenchef, hatte das Militär ein eigenes Wirtschaftsimperium, darunter Fabriken, Läden und Unternehmen. Aber private Geschäftsleute übernahmen bei wirtschaftlichen Projekten generell die Führung und gewannen eine gewichtige Rolle in der Politik.

Nach Mubaraks Sturz 2011 wurde mit Mohammed Mursi ein Zivilist zum Präsidenten gewählt. Er beförderte Al-Sisi vom Chef des Militärgeheimdiensts zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Verteidigungsminister. Als sich dann massive Proteste gegen Mursi und dessen Muslimbruderschaft ausbreiteten, führte Al-Sisi 2013 das Militär in einem Putsch gegen den Islamisten an.

Für kurze Zeit wurde ein anderer Zivilist Interimspräsident und Al-Sisi dann 2014 mit überwältigender Mehrheit zum Staatschef gewählt.

Hischam Kassem, ein Menschenrechtler und Politischer Analyst, sagt, dass der Präsident anfangs den Rat von Wirtschaftsexperten gesucht habe. Aber dann sei er zum Schluss gekommen, dass „zu viel geredet und zu wenig getan wird. So wandte er sich an das Militär“.

Wie Al-Sisi an Sachen herangeht, zeigt der Ausbau des Suezkanals. Ursprünglich war die Bauzeit auf 36 Monate veranschlagt, aber der Präsident ordnete an, das Projekt binnen eines Jahres über die Bühne zu bringen. Mit Hilfe des Militärs bei den Arbeiten wurde das geschafft, der neue Abschnitt im vergangenen August mit viel Fanfaren eröffnet.

Aber das Projekt demonstriert auch die Nachteile, die es gibt, wenn keine Debatte stattfindet. Eine Reihe von Experten äußerte Zweifel daran, dass der Nutzen der Erweiterung die Baukosten rechtfertige. Tatsächlich sind die Einkünfte durch die Kanalnutzung bisher nicht gestiegen.


Die Mittel des Militärs sind begrenzt

Derzeit leitet das Militär ein Programm mit privaten Firmen zum Bau von Häusern für die Armen. Das Pionierkorps fungiert als Troubleshooter, nutzt seine Ressourcen, wenn Arbeiten zeitlich hinterherhinken.

Angesichts der hohen Inflation – mittlerweile bei 12,3 Prozent – haben die Streitkräfte auch ihr Netzwerk von Stellen ausgeweitet, die Nahrungsmittel zu verbilligten Preisen verkaufen. Sie haben Krankenhäuser modernisiert und gewähren Zivilisten mehr Zugang zu Militärhospitälern.

Dank Milliarden-Investitionen in die Stromerzeugung ist es Al-Sisi gelungen, die früher oft langen Stromausfälle zu verringern. Ökonomen räumen auch ein, dass die vom Militär geleiteten Infrastruktur-Projekte die Wirtschaft etwas angetrieben haben.

Aber die Auswirkungen sind begrenzt – zu groß die Schäden unter anderem durch schwächeren Tourismus, weniger Investitionen aus dem Ausland und drastischen Währungsverfall.

Die Behörden in Ägypten rechtfertigen die Heimlichtuerei oft mit dem Schutz der nationalen Sicherheit. Al-Sisi spricht kryptisch von „bösen Leuten“, die sich gegen das Land verschworen hätten. Ägypten ist mit militanten islamischen Aufständischen konfrontiert, aber die Regierung geht zur selben Zeit hart gegen Kritiker vor.

„Was Al-Sisi betrifft, hat es Ägypten mit einer Vielfalt von Bedrohungen zu tun, die weniger Diskussion und mehr Macht für die Exekutive erfordern“, sagt H.A. Hellyer vom Atlantik Council und Royal United Services Institute. „Ob die Gesellschaft dem zustimmt oder nicht.“

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