Afrika und arabische Welt Warum die Hungerhilfe in der Krise steckt

Die Hungerkrisen in Somalia und dem Südsudan zeigen: Konflikte und unvorhersehbare Naturereignisse nehmen als Ursachen für die Versorgungskrisen zu. Traditionelle Lösungsansätze stoßen an ihre Grenzen. Ein Gastbeitrag.

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Erste Lösungsmodelle für plötzlich eintretende klimabedingte Nahrungsengpässe in Somalia. Quelle: dpa

Berlin In Somalia, Jemen, Nigeria und Südsudan droht laut Unicef derzeit fast anderthalb Millionen Kindern der Hungertod. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) geht zurzeit von 39 Ländern mit Versorgungskrisen aus, von denen in 15 Konflikte die Ursache für Hunger sind. Gleich nach den Konflikten rangieren unvorhergesehene klimatisch bedingte Ereignisse wie schwere Dürren oder Überschwemmungen, aber auch Insektenplagen als Ursache; sie verursachen Versorgungskrisen in zurzeit zwölf Ländern.

Neu ist zum einen, dass klimatische bedingte Hungerursachen sich anders als früher immer häufiger nicht langsam anbahnen, sondern plötzlich eintreten; internationale Hilfen aber brauchen einige Monate, um anzulaufen. Zum anderen werden immer mehr Hungerkrisen von Konflikten verursacht, die von den althergebrachten Strategien gegen Nahrungskrisen gar nicht erfasst werden.

In den vier Ländern, deren Krisen derzeit die meiste öffentliche Aufmerksamkeit erhalten, treffen unvorhergesehene klimatisch bedingte Ereignisse bzw. deren plötzliche Zuspitzung mit Konflikten zusammen. Das verschärft die Lage zusätzlich und macht Lösungen besonders schwierig.

Somalia ist wegen seiner nicht vorhandenen staatlichen Infrastruktur nicht in der Lage, präventive Maßnahmen zu ergreifen, obwohl das Land von regelmäßig wiederkehrenden Dürren betroffen ist. Zur aktuellen Dürre, die sich plötzlich sehr stark verschärft hat, kommt erschwerend hinzu, dass das Land sich in einem Krieg mit der jihadistischen Terrormiliz al-Shabaab befindet. Diese verweigert humanitäre Hilfen in den von ihr kontrollierten Regionen. Schon bei der letzten Dürre 2011 sind deswegen über 250.000 Menschen verhungert. Heute benötigen fast zwei Drittel der Bevölkerung Versorgung von außen.

In Jemen befinden sich die Gebiete, in denen eine Hungersnot herrscht, in einer Region, in der die saudi-arabisch geführte Koalition überwiegend mit Luftschlägen gegen bewaffnete Houthi-Rebellen vorgeht und dabei auch Zivilisten angreift. Felder, Fischerboote – und damit die Möglichkeit, selber Nahrung zu produzieren – und ganze Dörfer wurden zerstört. Da der Jemen das ärmste Land der arabischen Welt ist, in dem auch die Dürre zu einem Anstieg der Nahrungsmittelpreise führte, haben die Betroffenen keine finanziellen Möglichkeiten, sich selbst zu versorgen.

In den nordöstlichen Regionen Nigerias und rund um den Tschad-See betrifft die Hungerkrise vor allem die über zwei Millionen Menschen, die aufgrund des bewaffneten Konfliktes zwischen der jihadistischen Terrororganisation Boko Haram und der Regierung vertrieben wurden. Dürre und die jahrzehntelange Vernachlässigung dieser Region taten ein Übriges.

In Südsudan ist die Hälfte der Bevölkerung von Nahrungsmittelhilfen abhängig. Auch dort gibt es Dürre, jedoch nur in wenigen Regionen. Die Hungersnot ist hier vor allem eine Folge des bewaffneten Konflikts zwischen Präsident Salva Kiir und seinem ehemaligen Vizepräsidenten Riek Machar; Lebensgrundlagen der Zivilbevölkerung – Dörfer, Felder, Krankenhäuser und Schulen – werden zum direkten Angriffsziel. Regierungssoldaten verwehren zudem humanitären Organisationen den Zugang zu Gebieten, die von der bewaffneten Opposition kontrolliert werden. In Südsudan wird der Hunger nicht nur in Kauf genommen, sondern strategisch als Kriegswaffe eingesetzt.

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