Woher die Zurückhaltung rührt, zeigt das Beispiel Julius Berger, Nigerias größter Baukonzern, an dem der Mannheimer Branchenriese Bilfinger-Konzern beteiligt ist. Seit der zweite deutsche Bundeskanzler Ludwig Erhard Nigerias Hauptstädtern eine Brücke schenkte, ist Julius Berger groß im Geschäft in Nigeria – weil die Brücke noch steht und nicht kaputtgehen will. Unweit davon hat Julius-Berger-Chef Wolfgang Götsch sein Büro. Der Ingenieur aus Innsbruck pendelt zwischen Lagos und der Hauptstadt Abuja, einer Retortenstadt, die Julius Berger errichtet hat.
Der Bauriese bildet seine lokalen Arbeiter nach westlichen Standards selbst aus, da er sich auf das Bildungssystem in Nigeria nicht verlassen kann. Für lokale Bauarbeiter ist das „wie ein Meisterbrief“, erzählt Götsch. Wenn sein Unternehmen zu schnell wächst, findet Götsch nur schwer Personal – zumal die über 600 Manager aus Europa nur gegen hohe Risikozuschläge nach Nigeria kommen.
Fast eine Milliarde Euro setzt Julius Berger in Nigeria um – und ist für Bilfinger trotzdem eher ein schmutziger Lorbeer. Denn der Mannheimer Großaktionär verzichtet künftig auf die Millionen-Dividenden aus Nigeria und will die Beteiligung, die er in diesem Jahr schon von knapp 50 auf knapp 40 Prozent reduziert hat, weiter abbauen. Grund ist das hohe Korruptionsrisiko. Nigeria lag im Index der Organisation Transparency International über die korruptionsanfälligsten Länder 2011 auf Platz 143 von insgesamt 182 Staaten und hatte sich damit gegenüber 2010 noch einmal um neun Plätze verschlechtert.
Julius Berger sah sich immer wieder Schmiergeldvorwürfen ausgesetzt. Ermittlungen wegen Korruption und Geldwäsche gegen drei deutsche Julius-Berger-Manager endeten im Herbst 2010 mit einem Vergleich: Julius Berger zahlte 29,5 Millionen Dollar in Nigerias Staatskasse. Der 18.000-Mitarbeiter-Konzern soll sich sogar um die medizinische Behandlung des früheren Staatschefs Umaru Yar’Adua gekümmert haben. Aktuell ermitteln die US-Justiz und die Staatsanwaltschaft Frankfurt gegen neun frühere und derzeitige Mitarbeiter von Bilfinger und Julius Berger. Der Ausgang des Verfahrens hängt entscheidend von der Antwort der Amerikaner vermutlich im ersten Quartal 2013 auf ein Rechtshilfeersuchen der Frankfurter Staatsanwälte ab. „Wir bewegen uns in einem schweren Umfeld“, räumt Roland-Berger-Berater Götsch in Sachen Korruption ein.