Alexander Van der Bellen Der Anti-Trump aus Austria

Alexander Van der Bellen, das erste grüne Staatsoberhaupt Europas, inszeniert sich zum Amtsantritt als überzeugter Antipopulist. Gleichzeitig setzt er die Koalition unter Druck, ihre Krise endlich zu überwinden.

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Van der Bellen ist der erste Bundespräsident, der keiner der beiden größten Parteien angehört. Quelle: AFP

Wien Als Alexander Van der Bellen vor der haushohen rot-weiß-rote Fahne im Wiener Parlament an Rednerpult trat, war die Anspannung der Abgeordneten und Regierungsmitglieder groß. Doch der am Donnerstag vereidigte Bundespräsident Österreichs gab sich bei seiner ersten Rede betont locker und humorvoll. Das erste grüne Staatsoberhaupt in Europa hat eine Botschaft. Er will sich als weltoffener Versöhner in der zerrissenen Alpenrepublik inszenieren. Das wurde bereits in der ersten Rede des früheren Wirtschaftsprofessors klar.

Mit „Liebe Österreicherinnen und Österreicher, lieber ausländische Mitbürger“ sprach er das Publikum im Nationalrat und draußen vor den Fernsehbildschirmen sowie an den Radios an. Der 73-Jährige meinte selbstironisch: „Bin ja kein indigener Österreicher“. Im gleichen Atemzug ergänzte er: „Ich bin als Flüchtlingskind zur Welt gekommen.“ Seine aus Estland stammenden Eltern kamen über ein deutsches Flüchtlingslager im fränkischen Werneck nach Wien, wo Alexander Van der Bellen im Jahr 1944 geboren wurde und im Tiroler Kaunertal aufwuchs. Erst als Heranwachsender erhielt er die österreichische Staatsangehörigkeit.

Die Wiener Hofburg, der Sitz des österreichischen Bundespräsidenten, war seit vergangenem Jahr verwaist. Denn erst nach drei Wahlgängen gelang es Van der Bellen die Wahl zum neunten Bundespräsidenten Österreichs zu gewinnen. Der frühere Grünen-Chef setzte sich bei der Wahlwiederholung wegen Schlampereien bei der Briefwahl gegen seinen rechtspopulistischen Gegenkandidaten Norbert Hofer (FPÖ) durch. In der Stichwahl Anfang Dezember holte er 53,8 Prozent der Stimmen. Im Wahlkampf wurde er sowohl von Teilen der sozialdemokratischen SPÖ, als auch von der konservativen ÖVP unterstützt. Van der Bellen ist der erste Bundespräsident, der keiner der beiden größten Parteien angehört.

Auch wenn Van der Bellen den amerikanischen Präsidenten Donald Trump nicht beim Namen nannte, gab der frühere Grünen-Politiker bei seiner Amtseinführung den Anti-Trump. Der opponierte gegen Nationalismus und Populismus. „Die größte Gefahr sehe ich darin, dass wir uns von einfachen Antworten verführen lassen und dabei in Richtung Nationalismus und Kleinstaaten kippen“, warnte Van der Bellen. „Brücken bauen ist eine gute österreichische Tradition“, ergänzte er. Der glühende Europäer legte ein starkes Bekenntnis zum europäischen Einigungsprozess ab und ergänzte kritisch: „Dieses Europa ist unvollständig und verletzlich.“ Das eigentlich neutrale Staatsoberhaupt –bricht mit einer Tradition. Sein erster Auslandsbesuch wird ihn nach österreichischen Medienberichten nicht wie üblich in die Schweizer Hauptstadt Bern führen, sondern zur EU. „Das ist ein klares Signal“, sagte ein Insider in Wien.

Der Amtsantritt Van der Bellens fällt mitten in eine Regierungskrise. Die Koalition verhandelt derzeit unter Hochdruck, ob eine weitere Zusammenarbeit überhaupt noch Sinn macht. Der Konflikt zwischen SPÖ und ÖVP dreht sich vor allem um die Wirtschafts- und Steuerpolitik, welche die schwache Konjunktur in Österreich nach schwierigen Jahren wieder beflügeln soll. „Veränderung sind notwendig, aber sie macht Angst“, sagt der neue Bundespräsident und erzählte ein Anekdote davon, wie schwierig im als Bub der Sprung vom Dreimeter-Sprungbrett gefallen sei. Am Ende seit er auch vom Fünf-Meter-Brett gesprungen.

Es mutet fast wie Ironie an, dass Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) traditionell dem neuen Bundespräsidenten am Donnerstagnachmittag ihren Rücktritt anboten. Dieses Gesuch hat VdB, wie das neue Staatsoberhaupt gerne in der Politik-Szene genannt wird, erwartungsgemäß ablehnt. Dennoch hatte das Ritual einen faden Beigeschmack.  Denn ob das Regierungsbündnis in Wien hält und es zu vorgezogenen Neuwahlen kommt, ist noch keineswegs ausgemacht. Mit einem Ergebnis der harten Verhandlungen wird an diesem Wochenende gerechnet.

Van der Bellen machte in seiner Antrittsrede auf die rot-schwarze Koalition unverhohlen Druck. „Der Baumeister, der nur plant und das Bauwerk nicht fertig macht – mit dem werden wir nicht zufrieden sein“, sagt er und meinte damit indirekt Bundeskanzler Kern, der bislang in eigenen Land als der Mann der vielen Worte, aber nicht der Taten gilt. „Die Österreicher warten auf die notwendigen Ergebnisse“, sagte der Ökonom. Das neue Staatsoberhaupt will eine Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen FPÖ unbedingt verhindern. Bei Neuwahlen würde die ehemalige Haider-Partei nach letzten Umfragen deutlich mehr als 30 Prozent der Stimmen holen und wäre damit die stärkste Partei im Alpenland.

FPÖ-Parteiführer Heinz-Christian Strache strebt seit Jahren das Amt des Bundeskanzlers an. Van der Bellen hatte im Wahlkampf angekündigt, dass er einem rechtspopulistischen Kanzler seine Zustimmung verweigern würde. Später nahm er diese Aussage wieder zurück. Entsprechend ablehnend gebärdeten sich die FPÖ-Politiker beim Amtsantritt Van der Bellens. Die Rechtspopulisten verzichteten teilweise darauf, wie die anderen Parteien während der Vereidigungszeremonie Applaus zu spenden.

Der Versöhner Van der Bellen ist bei seinem kurzen Weg vom Parlament in den Amtssitz der Hofburg, von mehreren hundert Menschen begeistert aufgenommen worden, und genoss das Bad in der Menge sichtlich. Anschließend begutachtete er seinen neuen Arbeitsplatz im Maria-Theresia-Zimmer des einstigen Kaiserpalastes. Das hatte länger gedauert als ursprünglich gedacht. Deshalb musste die gesamte Regierung für das militärische Zeremoniell auf dem Heldenplatz bei klirrender Kälte ausharren, bis der neue Bundespräsident endlich kam. Doch niemand unter den Ministern beschwerte sich über die Warterei. Denn die Freude nach 201 Tagen endlich wieder ein Staatsoberhaupt in Österreich zu haben, war in der Regierungsspitze größer, als der Frust über das Ausharren bei Minusgraden.

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