Algerien Angeblich zwölf Geiseln bei Militäreinsatz getötet

Dramatische Eskalation im algerischen Geiseldrama: Die algerischen Truppen haben angeblich 650 Geiseln aus einer Industrieanlage befreit. Doch bei dem Einsatz sollen zwölf Geiseln getötet worden sein.

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Das In Amenas Gasfeld in Algerien. Dort haben Islamisten 700 Mitarbeiter als Geiseln genommen. Nach Angaben einer Nachrichtenagentur konnte die algerische Armee 650 von ihnen befreien. Quelle: dapd

Algier Beim Militäreinsatz zur Befreiung der Geiseln in Algerien sind nach Informationen der algerischen Nachrichtenagentur APS zwölf Geiseln getötet worden. Das meldete APS am Freitagabend unter Berufung auf Sicherheitskreise. Zuletzt hieß es nach offiziellen Angaben, bei der Erstürmung der von Islamisten besetzten Industrieoase in Amenas seien 650 Geiseln befreit worden. Viele Menschen werden aber noch vermisst. Von den möglicherweise 32 Geiselnehmern wurden 18 nach algerischen Angaben „außer Gefecht gesetzt“.

Die Regierungstruppen durchsuchten die Gasförderanlage und die angrenzende Wüste. Während bereits Überlebende aus In Amenas ausgeflogen wurden, dauerte der Militäreinsatz am Freitag an. Mehrere Islamisten hatten sich mit Geiseln im Industriebereich verschanzt. Soldaten einer Elitetruppe versuchten laut APS, sie zum Aufgeben zu bewegen. Kommunikationsminister Mohand Said Oublaid erklärte aber, Algerien werde sich niemals erpressen lassen. „Wer glaubt, wir würden mit Terroristen verhandeln, täuscht sich.“

Unter den Befreiten sind laut APS 573 Algerier und mehr als die Hälfte der 132 ausländischen Mitarbeiter der Anlage. Unklar blieb, wie viele Menschen bei der Geiselnahme und dem anschließenden Militäreinsatz umkamen. Ob Deutsche betroffen waren, war ebenfalls unbekannt. Auf den Öl- und Gasfeldern in Algerien sind nach Angaben des Auswärtigen Amtes weniger als 20 Deutsche beschäftigt.

Ein Islamistenkommando hatte die gemeinsam von BP, Sonatrach und Statoil betriebene moderne Industrieanlage mit 700 Mitarbeitern am Mittwoch gestürmt. Es reagierte damit auf die Entscheidung Algeriens, Frankreich Überflugrechte für Kampfflugzeuge im Mali-Einsatz zu geben. Die algerischen Streitkräfte begannen am Donnerstag mit Unterstützung von Hubschraubern, die Industrieoase zurückzuerobern.

Das harte Vorgehen ohne Rücksicht auf das Leben der Geiseln brachte Algerien Unverständnis und heftige Kritik vieler Regierungen ein, darunter der aus Großbritannien. Der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe rief Algerien auf, dem Schutz des Lebens der Geiseln Vorrang zu geben. Das ebenfalls betroffene Frankreich stellte sich allerdings gegen den Chor der Kritiker. Die Algerier seien mit einer sehr komplexen Lage konfrontiert, erklärte das Pariser Außenministerium.

US-Verteidigungsminister Leon Panetta drohte den Geiselnehmern Konsequenzen an. „Die Terroristen sollten wissen, dass es für sie kein Versteck, keinen Fluchtpunkt gibt“, sagte Panetta in London.

Die Islamisten zeigten sich unbeeindruckt und kündigten weitere Anschläge auf westliche Interessen an. Alle Algerier seien aufgerufen, sich „abseits von Standorten ausländischer Unternehmen zu halten“, erklärte einer ihrer Sprecher der mauretanischen Agentur Agence Nouakchott d'Information (ANI) am Freitag. „Wir werden auftauchen, wo uns niemand erwartet.“

Neben Kämpfern aus Mali, Niger, Ägypten, Algerien, Mauretanien und anderen islamischen Staaten gehörte dem Kommando von In Amenas dem Islamistensprecher zufolge auch ein Dschihadist aus Kanada an. Die Aktion war offenbar monatelang für den Fall vorbereitet worden, dass Frankreich im Mali-Krieg eingreift. Die Täter kannten sich laut Überlebenden gut auf dem Gelände aus und waren mit Armeeuniformen getarnt.

Zu den getöteten Islamisten gehört dem ANI-Bericht zufolge auch der Chef der Organisation „Söhne der Sahara für islamische Gerechtigkeit“, Lamine Boucheneb (alias Taher). Andere Islamisten sowie Geiseln seien umgekommen, als ihre Fahrzeuge auf dem Gelände von algerischen Hubschraubern beschossen worden seien.

Die Bundesregierung mahnte alle Reisenden im nördlichen und mittleren Afrika wegen der Terrorgefahr zur Vorsicht. Es bestehe eine erhöhte Gefahr von Gewaltakten und Entführungen durch Al-Kaida und kriminelle Banden.

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