Wenn Jacob Kirkegaard mal so richtig besorgt ist, dann merken die Besucher das nicht sofort. Der schlaksige Däne mit der jungenhaften Strubbelfrisur kann seine Empörung meist gut hinter einem Lächeln verbergen. Doch als er an diesem regnerischen Wintertag in Washington, D.C. empfängt, in der zweiten Etage eines dieser langweiligen, modernen Glas-und-Stahl-Bürohäuser, da ist ihm nicht zum Lachen zumute.
Kirkegaard ist empört, verunsichert – auch tief besorgt. Seit fünfzehn Jahren lebt er in der US-Hauptstadt, um die Handelsbeziehungen auf der Welt zu studieren. Bisher war es dabei ja immer so: die US-Präsidenten, gleich welchen Lagers, hielten es in Sachen Handel mit Kurt Tucholsky: Was die Wirtschaft angeht, so ist sie verflochten. Und das fanden eigentlich auch immer alle mehr oder weniger in Ordnung so.
Nun aber ist Trump der neue Chef im Weißen Haus. Und Kirkegaard befürchtet schlimmes: "Uns war doch allen eigentlich bislang klar, wie es läuft: Globalisierung kostet Jobs in den Industrieländern. Dafür aber sinken dort die Preise.
Deshalb lohnt es sich am Ende für alle." Die US-Regierungen der letzten Jahrzehnte hätten es allerdings – anders als viele europäische Länder - konsequent versäumt, die Vorteile der Globalisierung vom oberen Ende der Gesellschaft ans untere zu verteilen. Deshalb sei dort eine handels- und globalisierungskritische Masse entstanden. Eben jene Wählerschaft, die Donald Trump und seine "America First" Ideen ins Weiße Haus gebracht hätten.
Diese Leute, glaubt Kirkegaard, wollten nun Resultate sehen: Eine Neuverhandlung oder Abschaffung der Freihandelsabkommen Nafta und TPP, den angekündigten 35-Prozent-Einfuhrzoll für Firmen, die außerhalb der USA mehr produzieren als in den Staaten. Oder seine 20 Prozent „border adjustment tax“, ein Kernbestandteil der angekündigten Unternehmenssteuerreform, mit der Trump Unternehmen angeht, die es wagen, etwa Produktionsstätten in Mexiko zu bauen. Sollte all das kommen, glaubt Kirkegaard, sei ein Handelskrieg mit China und Europa „nicht unwahrscheinlich.“
Die Konsequenzen wären gewaltig. Allein die Dimensionen des deutschen Engagements in den Vereinigten Staaten verdeutlichen das: knapp zehn Prozent unserer Exporte gehen jedes Jahr in die USA. Amerika ist der wichtigste Handelspartner der Bundesrepublik, Waren im Wert von 173 Milliarden Euro wurden 2015 zwischen beiden Ländern ausgetauscht – vor allem aus dem Maschinenbau und der Autoindustrie. Bei Daimler, VW und BMW gehen 200.000 der zwei Millionen Jobs auf Ausfuhren in die USA zurück.
Die scheinen mit Trumps Politik in Gefahr. „Unter Präsident Trump droht uns ein Handels- und Wirtschaftskrieg mit Amerika“, gab DIW-Chef Marcel Fratzscher neulich in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zu Protokoll. Dennis Snower, Präses des Kieler Instituts für Weltwirtschaft sieht durch Trump gar die „liberale Weltordnung in Frage gestellt“. Und Ifo-Kollege Clemens Fuest warnt: eine Million Arbeitsplätze in der deutschen Exportindustrie und 600.000 Jobs von US-Firmen in Deutschland seien gefährdet. Um elf Milliarden Euro, so hat es sein Institut neulich für die ARD berechnet, würde die deutsche Wirtschaftsleistung abnehmen – und das nur aufgrund von Trumps angekündigten Schutzzöllen.
Wissenswertes zum internationalen Handel
Die Frage, ob Handel gut oder schlecht ist, gilt in der Volkswirtschaftslehre längst als geklärt. Eine weit überwiegende Mehrheit von Ökonomen vertritt die Meinung, dass internationale Arbeitsteilung nützlich ist und den Wohlstand steigert. Indes unter einer wichtigen Voraussetzung: Die Regeln müssen fair sein, damit das Kräfteverhältnis zwischen den Handelspartnern nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Das kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden - nachfolgend eine Übersicht.
Einfache Handelsverträge etwa zwischen zwei Ländern sind die unkomplizierteste Form von Handelsabkommen. Im Gegensatz etwa zu multilateralen Vereinbarungen sind nur zwei Parteien an den Verhandlungen beteiligt, was eine Einigung deutlich vereinfacht. Zudem geht es bei solchen Verträgen meistens nur um Handelsströme, insbesondere die Höhe von Zöllen. Andere Fragen wie Umweltstandards werden meist ausgeklammert. Das führt jedoch zum größten Nachteil solcher Abkommen: Von ihnen kann nicht erwartet werden, dass sie zwei Wirtschaftsräume umfassend miteinander verbinden, weil viele Fragen ungeklärt bleiben.
Wollen zwei oder mehr Länder über den Tausch von Waren und Dienstleistungen hinausgehen und ihre wirtschaftlichen Beziehungen umfassend regeln, werden die benötigten Abkommen umfangreicher und komplexer. Beispiele sind das zwischen der EU und den USA angedachte TTIP, das asiatisch-pazifische Abkommen TPP oder das asiatische Freihandelsprojekt RCEP. Derartige Abkommen regeln nicht nur Handelsfragen oder Zölle. Vielmehr geht es auch um Fragen des Verbraucherschutzes, der Umweltverträglichkeit von Waren und Diensten, den Schutz von Unternehmensinvestitionen oder die Angleichung von Produktstandards. Die Länder versprechen sich davon einen noch reibungsloseren Handel und mehr Wohlstand.
Eine Steigerung zu TTIP & Co. sind feste Verbünde aus mehreren souveränen Staaten. Als Paradebeispiel gilt die Europäische Union (EU), die nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine - wenn auch unvollendete - politische Union ist. Die Beziehungen der Länder sind über den EU-Vertrag geregelt. Der gemeinsame Binnenmarkt der EU verfügt über weitgehende Bewegungsfreiheit von Gütern, Dienstleistungen, Arbeitnehmern und Kapital. Auch sind viele rechtliche Fragen stark angeglichen, was Kritikern mitunter zu weit geht. Großbritannien bemängelte die Vereinheitlichung schon lange, beschloss den Austritt aber vor allem wegen des Zustroms ausländischer Arbeitskräfte. Wie kompliziert ein Abschied aus einem Wirtschaftsverbund ist, wird der Brexit zeigen.
Die WTO ist quasi eine Dachorganisation für den Welthandel. Ihr gehören 164 Mitgliedsländer an, darunter die Staaten der Europäischen Union, die USA und China. Die WTO als Handelsverbund zu bezeichnen, ginge viel zu weit. Vielmehr soll die Organisation die allgemeinen Regeln für den Handel überwachen und weiterentwickeln. Der Einfluss der WTO auf ihre Mitglieder ist indes begrenzt und basiert vor allem auf Kooperation. Eigene Sanktionsmittel im Falle des Regelbruchs hat die WTO im Grunde nicht.
Mit der Globalisierung galt der Protektionismus eigentlich als überwunden. Er ist das Gegenteil von Freihandel, weil dabei versucht wird, sich nach außen abzuschotten. Dazu dienen hohe Einfuhrzölle und -verbote, verbunden mit der Subventionierung eigener Exporte. Protektionismus kennt nach ökonomischer Lehre keine Gewinner, weil meist Vergeltungsmaßnahmen ergriffen werden. Ergebnis ist ein kleineres und teureres Güterangebot, das den Wohlstand verringert. Dennoch will US-Präsident Donald Trump der amerikanischen Industrie zu neuem Glanz verhelfen, indem er sie vor ausländischer Konkurrenz schützt. Kritiker wenden ein, dass nicht nur die Globalisierung, sondern auch die fortschreitende Technisierung für den Verlust von Arbeitsplätzen verantwortlich sei.
Vor allem zwei Entwicklungen machen den Forschern Sorgen: Zum einen die unglaublichen Befugnisse des US-Präsidenten beim Thema Handel, wo er so gut wie alles mit sogenannten „Executive Orders“ auf den Kopf stellen kann. Zum anderen seine lange angekündigte Unternehmenssteuerreform, die aller Wahrscheinlichkeit nach eine „border adjustment tax“ beinhalten wird – also einen Steueraufschlag für in die USA importiere Produkte. Von ihr wären vor allem deutsche Konzerne betroffen und befürchten Nachteile gegenüber der US-Konkurrenz.
Trump und das Heft des Handels
Zwar obliegt traditionell die Verantwortung für die Handelspolitik dem US-Kongress. Dieser jedoch hat seit Beginn des 20. Jahrhunderts immer wieder Rechte an den Präsidenten abgegeben, etwa um die nationale Sicherheit zu gewährleisten oder die heimische Industrie zu schützen. In einem Papier der Bertelsmann-Stiftung USA, das der WirtschaftsWoche vorliegt, schreiben die Forscher von „weitgehenden Möglichkeiten“, die der Präsident habe, um den Import von Waren und Dienstleistungen aus anderen Ländern zu unterbinden. Auch Claudia Schmucker, Handelsexpertin bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) sagt: „Nur wenn Trump den Handel liberalisieren will, muss er mit dem Kongress arbeiten. Strafzölle und die Aufkündigung von Handelsabkommen kann Trump einfach so beschließen. Restriktiv hat er fast völlig freie Hand.“
Da wäre etwa der „Trading with the Enemy Act“, der dem US-Präsidenten weitgehende Rechte einräumt, alle möglichen ausländischen Transaktionen von Gütern oder Besitz zu bestrafen oder zu unterbinden, die in irgendeiner Weise mit den USA verbunden sind. Entstanden ist dieses Gesetz zwar schon 1917 und natürlich, um die USA und ihre Wirtschaft im Ersten Weltkrieg vor dem Feind zu schützen. Doch schon von 1950 bis 2008 diente es den Vereinigten Staaten als Grundlage für die Sanktionen gegen Nordkorea. Nun könnte es, so die Bertelsmann-Experten, „sehr wohl auch gegen andere Staaten angewandt werden, die mit den Vereinigten Staaten im Konflikt stehen.“
Gleiches gilt wohl für den „Trade Expansion Act“ von 1962, mit dem der US-Wirtschaftsminister auf ökonomische Bedrohungen der nationalen Sicherheit reagieren kann. Stellt der Minister demnach fest, dass ein importiertes Gut aufgrund seiner Menge oder den Umständen seiner Einfuhr eine Bedrohung für die USA darstellt, darf der Präsident den Import erschweren oder schlicht verbieten. So geschehen unter Trumps Vorgängern Gerald Ford, Jimmy Carter oder Ronald Reagan um Öleinfuhren aus dem mittleren Osten zu besteuern oder zu unterbinden.
"Der Protektionismus schadet den amerikanischen Verbrauchern"
Selbst innerhalb bestehender Handelsabkommen kann der Präsident einiges anrichten. Der Nafta-Vertrag mit Mexiko und Kanada etwa, den Trump noch im Wahlkampf wüst beschimpft hatte und abschaffen wollte, garantiert dem US-Oberhaupt wohl das Recht, Zölle zu erheben, um annähernd gleiche Handelsbedingungen für alle Seiten herzustellen. „Das existierende Abkommen würde es Trump erlauben, Importe relativ einfach einzudämmen“, schreiben die Bertelsmann-Handelsfachleute.
Und dann ist da schließlich noch der zentrale „Trade Act“ an sich, beschlossen 1974, mit dem der US-Präsident in die Lage versetzt wird, Strafzölle und Importquoten gegen Länder zu verhängen, denen er unfairen Wettbewerb nachweisen kann – etwa weil es ungleiche Löhne gibt oder eine „immanente und signifikante“ Abwertung des Dollar. Ein solches Szenario wäre tatsächlich für Trump sehr einfach konstruierbar. Etwa im Falle Chinas. Die Volksrepublik nämlich lässt ihren Renminbi nicht frei schwanken, sondern reguliert die Währung manuell. Zwar führt das US-Finanzministerium seit einigen Jahren schon China nicht mehr als „currency manipulator“, doch das dürfte Trump kaum aufhalten. Zumal seine Berater – Wirtschaftsminister Wilbur Ross, Handelsberater Peter Navarro und Handelsbeauftragter Robert Lighthizer – ohnehin als größtmögliche China-Kritiker gelten. Auch im US-Repräsentantenhaus finden sich viele ablehnende China-Kommentatoren.
Donald Trump: Ein Kurzporträt des 45. US-Präsidenten
Donald Trump wurde am 14. Juni 1946 im New Yorker Stadtteil Queens geboren.
Im Alter von 13 Jahren wurde er von seinen Eltern aufs Internat geschickt. Später folgte er dem Vater ins Immobilienmetier und machte auch mit Misswahlen und Spielcasinos Geld. Trump hatte unter anderem mit der Fernsehshow „The Apprentice“ Erfolg, sie machte „The Donald“ als Reality-TV-Star einem großen Publikum in den USA bekannt.
Trumps Erfolge als Unternehmer sind umstritten. Wie reich er wirklich ist, bleibt Spekulation. Bis heute weigert sich der Unternehmer, seine Steuererklärung offenzulegen.
Wegen seiner zahllosen Ausfälle wurde Trump heftig angegangen und vielen zum Feindbild. Trump wird oft parodiert, anderen ist er Idol. Seinen Anhängern steht er - getreu dem Motto„Make America Great Again“ für Neuanfang, ein Aufbrechen verkrusteter Strukturen, eine Rückbesinnung auf Amerika und einen radikalen Abschied von der politischen Agenda Barack Obamas.
Tabubrüche waren und sind typisch für Trump. Er hetzte gegen Ausländer, verhöhnte Behinderte, sagte skandalöse Dinge über Frauen. „Ich könnte jemanden auf der Straße erschießen und würde trotzdem keinen einzigen Wähler verlieren“, sagte er einmal.
Trump, dem viele Affären nachgesagt wurden, ist zum dritten Mal verheiratet. Mit seiner ersten Frau Ivana hat er die Kinder Donald (39), Eric (33) und Ivanka (35). Die zweite Frau, Marla Maples, brachte die gemeinsame Tochter Tiffany (23) zur Welt. Mit seiner dritten Frau, dem aus Slowenien stammenden Model Melania, hat er den zehnjährigen Sohn Barron. Die Familie gehört für den Baulöwen zu den bei weitem wichtigsten Konstanten.
"Es ist gut möglich, dass diese Administration einen Handelskrieg mit China und Europa anzettelt“, sagt Handelsforscher Kirkegaard. Die Twitter-Aktionen der vergangenen Wochen, etwa gegen BMW, seien nur ein Anfang. Sein worst-case-Szenario: Trump erklärt den nationalen Notstand aufgrund Chinas angeblicher Währungsmanipulationen. Er erhebt eine Sonderabgabe auf chinesische Produkte. Die Chinesen reagieren indem sie alle US-Firmen im Land zur Steuer-Sonderprüfung bitten, irgendetwas finden und Milliardenstrafen verlangen. Trump müsste amerikanische Firmen schützen und würde weitere Strafen verhängen. So könnte es mit einigen Ländern laufen – auch mit Europa. „Die Welthandelsorganisation WTO müsste dann einschreiten. Also tritt Trump auch dort aus“, sagt Kirkegaard. „Dann wäre das Welthandelssystem zurück im Jahr 1930.“
Neues Steuersystem – neue Verlierer
Für Anna Maria Schneider ist das fast das kleinere Übel. Volkswagens Cheflobbyistin in den USA ist seit Wochen auf dem Capitol Hill in Washington unterwegs, um etwas noch viel Schlimmeres zu verhindern: die geplante Unternehmenssteuerreform, die Trump im Wahlkampf versprochen hat. Schneider, eine elegante US-Lady im rosa Kostüm, das blonde Haar aufgefönt und jahrzehntelange Lobby-Erfahrung im Rücken, weiß ja, dass am Steuersystem dringend etwas getan werden muss. Der US-Steuertarif für Konzerne gehört mit 35 Prozent zu den höchsten aller Industrieländer, die letzte große Reform gab es 1986 – vor über 30 Jahren. Aber das, was Trump und die Republikaner da planen, grenzt für Schneider an Enteignung: Im Gegenzug für die Senkung der allgemeinen Unternehmenssteuern auf 20 Prozent will Trump eine Abgabe auf importierte Waren und Zulieferteile einführen: ebenfalls 20 Prozent, die sogenannte „border adjustment tax“. Für VW ein Horrorszenario: der Konzern produziert im US-Werk in Chattanooga nur zwei Modelle – alle anderen Volkswagen, Audi, Lamborghini oder Bugatti, auch viele Zulieferteile, importiert der Konzern: aus Mexiko natürlich, aber auch aus Übersee. Eine neue Steuer würde für die Volkswagen-Gruppe mit ihren neun Marken gegenüber den US-Wettbewerbern deutlich benachteiligen. Zumal der Konzern ohnehin noch mit den Nachwehen des Dieselskandals zu kämpfen hat.
Schneider greift also in diesen Tagen tief in die Lobb-Trickkiste. „Viele in der Autoindustrie sind sehr besorgt wegen der Pläne zur Steuerreform, vor allem aufgrund der Grenzeinfuhrsteuer“, sagt sie. Deshalb habe sie in den vergangenen Wochen mit den anderen Autobauern eine breite Lobby-Koalition geschlossen, um gegen die Pläne zu opponieren. Ihr Plan: sie wollen Händler aus ganz Nordamerika nach Washington fliegen, damit die die Kongressabgeordneten von der Unsinnigkeit ihrer Pläne überzeugen. „Unsere Händler sind unsere besten Anwälte“, sagt Schneider, „Sie werden den Abgeordneten verdeutlichen, welchen Effekt die Grenzeinfuhrsteuer auf Autopreise, Verkäufe und auch auf Jobs hat.”
Im Kern sollen in Zukunft nicht mehr die Gewinne versteuert werden, sondern der Konsum. Die Maßnahme richtet sich nicht ausschließlich an Mexiko und ist im Kern auch nicht als Strafzoll definiert. Doch sie träfe die importierende Wirtschaft hart und soll Unternehmen dazu bringen, ihre Produktion wieder in die USA zu holen.
Die Wahlversprechen Donald Trumps
- Schaffung von 25 Millionen Jobs in der ersten Amtszeit
- Bau einer Mauer auf der kompletten Grenze zu Mexiko, für die Mexiko bezahlt
- Abschiebung von zwei Millionen illegalen Immigranten
- „Extreme Überprüfung“ aller Einreisenden
- Einstellung von Visa an Angehörige von Staaten, die „kriminelle illegale Einwanderer“ nicht „zurücknehmen“
- Verschärfung der Visa-Regeln
- Die Gesundheitsversicherung Obamacare soll abgeschafft und ersetzt werden
- Das Handelsabkommen Nafta soll neu verhandelt werden
- Rückzug aus dem transpazifischen Handelsabkommen TPP
- Auswahl eines Richters von einer Vorschlagsliste mit 20 Namen
- Für jede neue Regulierung sollen zwei alte abgeschafft werden
- Reduzierung der Steuerklassen von sieben auf drei
- Runterfahren der Unternehmenssteuern von 35 auf 15 Prozent
- Aufhebung der „Begrenzungen“ für Jobs in der Energiebranche
- Wiederbelebung gestoppter Energie-Infrastrukturprojekte wie der Keystone-Pipeline
- Einstellung der Zahlungen an UN-Klimaprogramme
- Strafzölle für Unternehmen, die Arbeitsplätze ins Ausland verlegen
- Ausweitung des Militäretats
- Die US-Wirtschaft soll um vier Prozent wachsen
Grund für den steuerlichen Shift: Die USA haben mit 35 Prozent zwar einen der höchsten Steuersätze der Welt. Eigentlich wird der Tarif auf die weltweiten Gewinne angesetzt. Doch im Schnitt zahlen die Unternehmen rund 22 Prozent, unter anderem weil die Unternehmen die Steuern auf ausländische Gewinne verschieben können, solange sie das Geld nicht in die USA holen. Die Diskrepanz zwischen dem eigentlichen Steuertarif und der tatsächlichen Zahlung an das Finanzamt will der republikanisch geprägte Kongress beheben. Künftig soll die Steuerpflicht ausschließlich den Konsum im Inland berücksichtigen. Trumps engste Wirtschaftsberater hegen Sympathien für den Plan.
Die Grenzeinführungssteuer ist zunächst eine Konsumsteuer, vergleichbar mit der Mehrwertsteuer. Die Steuer berücksichtigt also, wo ein Produkt endet und nicht, wo es produziert wird. Angenommen, ein US-Reifenhersteller exportiert seine Reifen mit einem Schiff nach Mexiko und verkauft die Produkte an dort produzierende Unternehmen. Der Hersteller würde dann keine Steuern in den USA zahlen, weil die Einnahmen im Ausland entstehen.
Importiert hingegen ein US-Unternehmen Reifen aus Mexiko und verkauft es das Auto dann in den USA, fiele die Konsumsteuer beim Verkauf des Autos an. Die Ausgaben für die Reifen könnte der Autohersteller darüber hinaus auch nicht absetzen. Dieses Szenario soll Unternehmen dazu veranlassen, Produkte in den USA herzustellen und zu exportieren und weniger zu importieren.
Hinzu kommt, dass Importe zusätzlich mit einem Importzoll von 20 Prozent belastet werden sollen. Das soll die Unternehmen dazu bringen, Zulieferteile künftig in den USA zu kaufen und nicht in Mexiko. Für die auf Importe angewiesene Industrie sind die Pläne daher Gift. Je höher der Importanteil in der Wertschöpfungskette eines Produktes ist, desto mehr muss er versteuern. Unterm Strich dürften etwa deutsche Autohersteller deutlich stärker belastet werden als US-Hersteller, da sie in der Regel einen höheren Warenwert in die USA einführen.
Neuer Handelskrieg steht bevor
Aber auch US-Produzenten laufen Sturm: Die Koch-Brüder, zwei milliardenschwere Industrielle, gehören zu den größten Importeuren von Teersanden für die Produktion von Petroleum-Produkten. Das Unternehmen würde leiden.
Steht die Welt also tatsächlich vor einem neuen Handelskrieg wie in den 1930 Jahren? Ist es für Trump tatsächlich so einfach? Die erschreckende Antwort: Im Grunde ja.
Zwar braucht der neue Präsident für die Steuerreform den Kongress, doch ist dieser mehrheitlich in republikanischer Hand. Zumal sich beide Parteien seit langem darüber einig sind, dass die Unternehmenssteuern reformiert werden müssen. Auch die großen Industriekonzerne des Landes, General Electric, GM oder Ford, könnten sich mit einer Grenzeinfuhrsteuer wohl anfreunden – wenn sie im Gegenzug mit niedrigen Inlandssätzen belohnt würden. Für sie würde sich so ein Geschäft – im Gegensatz zu deutschen Firmen – wohl rechnen. Daher ist es wahrscheinlich, dass eine große Steuerreform tatsächlich kommt.
Auch beim Thema Handel sieht es nicht gut aus für die Deutschen. Der Kongress könnte zwar – wollte er Trumps Alleingänge verhindern – dem Präsidenten die einmal gewährten Befugnisse in Sachen Handel einzeln wieder aufheben. Das allerdings würde im Falle Chinas konkret bedeuten, ein Gesetz zum Schutz der Volksrepublik zu erlassen – und gegen den eigenen Präsidenten, der ja angeblich nur die heimische Wirtschaft schützen will. Man stelle sich nur Trumps Tweets vor. Ein abwegiges Szenario.
Bliebe noch die Welthandelsorganisation WTO. „Eigentlich kann ihn nur die WTO stoppen“, sagt DGAP-Handelsexpertin Claudia Schmucker. „Währungen aber werden von ihr zwar gar nicht geregelt. Strafzölle hingegen schon. Würde etwa Mexiko gegen einen Strafzoll klagen, würden sie auf jeden Fall Recht bekommen. Aber damit wäre Trumps Zoll nicht abgeschafft. Mexiko dürfte dann nur einen eigenen Ausfuhrzoll gegen Amerika beschließen.“ Das immerhin, glaubt die Fachfrau, dürfte dazu führen, dass viele Vorprodukte für die US-Industrie, die in Mexiko gefertigt werden, teurer würden und der US-Wirtschaft so mittelbar schadeten. „Wenn es der Wirtschaft schlecht geht, ist Trump vielleicht Pragmatiker genug, seine Position zu überdenken“, sagt Schmucker. „Durch checks and balances kann man ihm bei der Handelspolitik nicht beikommen. Aber durch Zölle gegen Amerika vielleicht.“
Tatsächlich wäre das der Einstieg in einen Handelskrieg zwischen altem und neuen Kontinent. Ein „race to the bottom“, bei dem beide Volkswirtschaften verlieren. Wobei viele Experten die amerikanische Wirtschaft – schlicht aufgrund der riesigen Größe ihres Binnenmarktes – für unverwundbarer halten als die fragmentierte und angeschlagene Eurozone. Aber auch für die Bundesrepublik gibt es Berechnungen, nach denen der volkswirtschaftliche Schaden mit Gegenmaßnahmen fast genauso hoch ist, wie ohne.
Trumps Amerika: Die Pläne des neuen US-Präsidenten
Trump will sich ganz von amerikanischen Interessen, vor allem den Sicherheitsinteressen leiten lassen. Höchste Priorität soll der Kampf gegen islamistische Terrororganisationen wie den Islamischen Staat (IS) haben. Russland wird in den Eckpunkten nicht direkt erwähnt, es gibt aber einen Satz, der als Botschaft an Russland verstanden werden kann. „Die Welt muss wissen, dass wir keine Feinde suchen, dass wir immer froh sind, wenn alte Feinde zu Freunde werden, und wenn alte Freunde zu Verbündeten werden.“ Internationale Bündnisse und Organisationen wie die Nato, die Europäische Union und die Vereinten Nationen kommen in den Eckpunkten nicht vor.
Trump setzt auf „harte und faire“ Handelsabkommen, die vorrangig der US-Wirtschaft nutzen sollen. Darauf will er seine „härtesten und klügsten“ Leute ansetzen. Erstes Ziel: „Rückzug aus der transpazifischen Partnerschaft.“ Das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta der USA mit Kanada und Mexiko will er neu verhandeln und aufkündigen, wenn es keinen „fairen Deal“ gibt. Verstöße anderer Länder gegen Handelsabkommen will er „mit allen Mitteln“ bekämpfen.
Die Kürzungen bei den US-Streitkräften will Trump rückgängig machen. „Unsere militärische Dominanz darf nicht infrage gestellt werden.“ Kein Land dürfe die USA militärisch überholen. Trump kündigt ein Raketenabwehrsystem zum Schutz vor Angriffen des Iran und Nordkoreas an. Dem Cyber-Krieg soll Priorität eingeräumt werden. Dabei sollen sowohl die defensiven als auch die offensiven Fähigkeiten der Streitkräfte gestärkt werden.
„Die Trump-Regierung wird eine Law-and-Order-Regierung (Recht und Ordnung) sein“, heißt es in den Eckpunkten. Vor allem die Gewaltkriminalität will der neue US-Präsident durch effektivere Polizeiarbeit, konsequentere Anwendung von Strafgesetzen und mehr bürgerliches Engagement bekämpfen. Das Recht auf Waffenbesitz soll nicht angetastet werden, um es jedem US-Bürger zu ermöglichen, sich selbst zu verteidigen.
Ein Grenzwall nach Mexiko soll illegale Einwanderung stoppen. Außerdem will Trump Migranten, die straffällig geworden sind, abschieben.
In zehn Jahren will Trump 25 Millionen Arbeitsplätze schaffen und vier Prozent Wachstum pro Jahr erreichen. Er will die Steuern für Bürger und Unternehmen senken sowie das gesamte Steuersystem vereinfachen. Staatliche Regulierung will die neue US-Regierung so weit wie möglich zurückfahren.
Trump will Energie für die Bürger möglichst billig machen und unabhängig sein von ausländischem Öl. Dafür will er Gesetze zum Klima- und Wasserschutz zurücknehmen, die Obama durchgesetzt hat. Stattdessen setzt er auf Fracking, also die Förderung von Erdgas aus Gesteinsschichten. Die US-Kohleindustrie will er „wiederbeleben“. Die Umweltbehörde EPA soll sich auf den Luft- und Wasserschutz konzentrieren. Trump hat früher abgestritten, dass es den menschengemachten Klimawandel gibt.
Forscher Kirkegaard rät Europa deshalb von einem Handelskrieg ab. Statt sich unnütz lange mit Gegenmaßnahmen zu beschäftigen, sollte sich der alte Kontinent lieber um sich selbst kümmern, nach dem Brexit wieder zusammenfinden – und dann anders orientieren. Wenn die USA um Himmels Willen protektionistischer und nationalistischer werden wollten - na bitte. Schließlich gebe es auch noch China. Und Japan. Dort sei Premierminister Shinzō Abe ohnehin gerade auf der Suche nach neuen Handelspartnern, nun, da Trump das transpazifische TPP Abkommen quasi abgeräumt habe. "Warum nicht mit Japan ein Handelsabkommen schließen und mit China eine Investitionspartnerschaft", fragt Kirkegaard. Der asiatische Elektronikkonzern Huawei etwa zeige doch heute schon, dass es für eine Weltfirma möglich sei, zu bestehen, ohne auf dem US-Markt vertreten zu sein. "Für die USA wäre das zwar nicht schön. Aber vielleicht muss man Trump und den Amerikanern zeigen, dass man sie nicht um jeden Preis braucht. Dass sie im Gegenteil sogar unendlich viele wirtschaftliche Nachteile haben, ohne den Welthandel."
Klingt logisch. Allerdings ist Logik bisher keine Dimension, die Donald Trump zu interessieren scheint.