Amtseinführung des US-Präsidenten Trumps Rede darf die Wähler nicht enttäuschen

Nach dem Wahlsieg versprach Trump, fortan „präsidialer“ zu agieren. Bisher war davon wenig zu spüren. Kein Wunder: Zwar übernimmt er nun tatsächlich das Amt des Präsidenten, seine Wähler darf er aber nicht enttäuschen.

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Im Wahlkampf ließ Trump keine Gelegenheit aus, gegen das „Establishment“ in Washington zu wettern. Quelle: AP

Washington Mit der Vereidigung beginnt der Ernst. Ginge es nach der Tradition, wäre die Zeit der flapsigen Sprüche dann auch für Donald Trump vorbei. Doch gerade das Missachten von Gepflogenheiten hat den Milliardär überhaupt bis an diesen Punkt gebracht. Wenn er am Freitag vor dem Kapitol seine Antrittsrede hält, muss er sich allerdings entscheiden. Entweder er bleibt seiner Linie treu. Oder er schlägt versöhnliche Töne an, um der Präsident aller Amerikaner zu werden. In beiden Fällen hat er viel zu verlieren.

Im Wahlkampf ließ Trump keine Gelegenheit aus, gegen das „Establishment“ in Washington zu wettern. Nun zieht er selbst ins Weiße Haus ein. Nicht wenige seiner Anhänger dürften daher von ihm erwarten, dass er tatsächlich einiges umkrempelt. Doch bei aller Lockerheit: Auch Trump wird sich darüber im Klaren sein, dass jede unüberlegte Handlung eines US-Präsidenten gravierende Folgen für das ganze Land haben könnte - oder gar für die ganze Welt.

Gleich zum Amtsantritt muss der Republikaner deswegen einen Balanceakt meistern, sowohl inhaltlich als auch im Stil. „Die Rede zur Vereidigung ist für die Geschichtsbücher“, sagt die Kommunikationswissenschaftlerin Kathleen Hall Jamieson von der University of Pennsylvania. Dies gelte umso mehr, wenn die Bevölkerung gespalten sei. „Du musst zum Präsidenten aller Menschen werden, einschließlich derer, die sich heftig gegen deine Wahl gewehrt haben.“

Trump scheint das durchaus verstanden zu haben. In den zurückliegenden Wochen äußerte er sich bewundernd über die Antrittsreden von Ronald Reagan und John F. Kennedy. Es wird erwartet, dass seine eigene Rede recht persönlich sein wird, dass aber auch zentrale Themen seines Wahlkampfs erneut zur Sprache kommen. Dem US-Fernsehsender Fox sagte er am Dienstag, er werde damit beginnen, „allen“ für ihre Freundlichkeit zu danken, auch seinem Vorgänger Barack Obama und dessen Frau Michelle.

Während die meisten bisherigen Auftritte Trumps eher spontan und improvisiert wirkten, hat er beim Nominierungsparteitag der Republikaner gezeigt, dass er auch anders kann. Dort hielt er sich weitgehend an sein Manuskript und ließ sich auch von Sprechchören der eigenen Anhänger nicht aus dem Konzept bringen. Die Ansprache in Cleveland war aber vor allem eine Abrechnung, die Schilderung einer Nation in der Krise. Bei einer Vereidigung wird so etwas nicht funktionieren. „Es muss um die Zukunft gehen, um die eigene Vision“, sagt Michael Gerson, der einst Reden für Präsident George W. Bush schrieb und zuletzt immer wieder mit Kritik an Trump hervortrat.

Neben der eigentlichen Rede zählt natürlich auch das Verhalten davor und danach. Denn selbst wenn Trump, mithilfe seines Redenschreibers Stephen Miller, genau die richtigen Worte findet und sie ohne Zwischenfälle vorträgt - mit einem unpassenden Tweet direkt im Anschluss könnte er alles wieder kaputtmachen. Schon in seiner Siegesrede im November hatte er alle Landsleute aufgerufen, „als vereintes Volk wieder zueinanderzufinden“. Doch was er selbst in den folgenden Wochen per Twitter von sich gab, waren Beschimpfungen, Gereiztheit und persönliche Abrechnungen.

Wenn sich Trump nun plötzlich staatsmännisch gebe, „weiß niemand, wie das aufzunehmen ist, von wem das kommt und wie ernst das gemeint ist“, sagt der Sprachwissenschaftler Wayne Fields, der sich an der Washington University auf die Rhetorik von Präsidenten spezialisiert hat. Falls für die Präsidentschaft eine Änderung des Stils geplant sei, müsse dies in einer konsequenten, langfristig angelegten Art erfolgen. „Das ist eine enorme Herausforderung“, sagt Fields.

Immerhin einen Vorteil hat Trump nach Einschätzung der Kommunikationswissenschaftlerin Jamieson im Hinblick auf die Antrittsrede: die geringen Erwartungen. Sein eher hemdsärmeliger und nicht selten aufrührerischer Stil kam bei vielen Wählern gut an. Von daher rechnet nun wohl auch niemand mit einer erhabenen oder gar besinnlichen Ansprache nach Art von Obama.

Der frühere Redenschreiber Gerson merkt dennoch an, dass die Hürden für Trump hoch lägen, weil er sich den Wahlsieg auf Kosten einer Spaltung der Gesellschaft gesichert habe. „Die Methode, mit der er gewonnen hat, stellt ihn zugleich vor die erste große Herausforderung seiner Präsidentschaft - nämlich die, die Menschen auf breiter Ebene von seinen Zielen und Visionen zu überzeugen.“

Wenn Trump wirklich „präsidialer“ werden will, wäre die Vereidigung eine gute Gelegenheit, damit anzufangen. Doch gleichzeitig wird er wissen, dass hunderttausende Zuschauer vor dem Kapitol genau das überhaupt nicht wollen. Sollte er sein Image des „Störenfrieds“, der in Washington „mal so richtig aufräumt“, auf einmal komplett ablegen, werden viele enttäuscht sein.

„Jeder Präsident muss lernen, wie er gute Reden für sich nutzt“, sagt Gerson. Und der einstige Bush-Mitarbeiter betont, dass Präsidenten manchmal an nur einem Tag gleich bei drei öffentlichen Veranstaltungen reden müssen. „Das wird vermutlich anders als alles, was er bisher kennt, denn im Wahlkampf wurde es durchaus honoriert, wenn er spontan und unvorbereitet war. Im Rahmen der Präsidentschaft gibt es aber viele Bereiche, wo das nicht der Fall sein wird.“

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