Angela Merkel und Barack Obama Abschied in eine ungewisse Zukunft

Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama haben auf der Pressekonferenz in Berlin die gemeinsamen Werte und die transatlantische Gemeinschaft beschworen. Der Schock nach dem Trump-Sieg sitzt tief.

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Die Pressekonferenz machte trotz aller schönen Worte deutlich, dass Europa auch mehr als eine Woche nach der Wahl Donald Trumps noch unter Schock steht. Quelle: AFP

Berlin Selten wurde so viel über gemeinsame Werte gesprochen wie auf der gemeinsamen Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama am Donnerstag in Berlin. Fast beschwörend erinnerte Obama daran, dass die transatlantische Gemeinschaft zwischen Europa und Amerika unverzichtbar sei.

„Ohne diese Gemeinschaft und ihr Eintreten für gemeinsame Werte würde es der Welt schlechter gehen“, sagte der Amerikaner. Man dürfe Errungenschaften wie Demokratie, Menschenwürde und den Rechtsstaat nicht für selbstverständlich halten, sondern müsse immer wieder darum kämpfen. Zugleich lobte er Merkel in den höchsten Tönen als verlässliche Partnerin während seiner acht Jahre im Weißen Haus. „Sie ist herausragend.“

Dass sowohl Obama als auch Merkel die Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen stellten, hat natürlich mit Donald Trump und mit den Befürchtungen vor seiner Präsidentschaft zu tun. „Ich bin vorsichtig optimistisch“, sagte Obama, „dass mein Nachfolger sehr schnell merken wird, welch große Verantwortung nicht nur für Amerika, sondern international auf ihm lastet.“ Das zwinge jeden US-Präsidenten dazu, sich zu fokussieren und sein Amt ernst zu nehmen.

Obama machte aber deutlich, dass auch auf Merkel mehr Verantwortung zukommt. „Sie wird mehr Lasten schultern müssen, aber ich bin sicher, dass sie das schafft“, sagte der US-Präsident bei seinem sechsten und letzten Besuch in Deutschland. Noch einmal bekräftigte er seinen Eindruck, dass auch Trump die westliche Allianz und die Nato als unverzichtbar betrachte. „Ich hoffe außerdem, dass mein Nachfolger auch gegenüber Russland eine konstruktive Politik verfolgt, aber zugleich für die westlichen Werte einsteht“, sagte Obama.

Mit Blick auf das unvollendete Freihandelsabkommen TTIP räumten beide Regierungschefs ein, dass man es nicht ganz geschafft habe, das Vorhaben unter Dach und Fach zu bringen. „Wir sind ein gutes Stück vorangekommen“, sagte Merkel, „die USA sind der wichtigste Handelspartner für Deutschland.“ Die Kanzlerin betonte allerdings, dass man die Globalisierung „menschlich“ gestalten müsse.

Merkel bedankte sich bei dem US-Präsidenten für die gute Zusammenarbeit. Zwar habe es auch Verstimmungen wie zur Zeit der NSA-Affäre gegeben. Aber die Kooperation mit den USA und mit ihren Geheimdiensten bleibe für Deutschland unverzichtbar.

Die Kanzlerin räumte ein, dass nach der Wahl von Trump mehr Lasten auf Europa und Deutschland zukommen werden. „Amerika hat bislang die Hauptlast im Kampf gegen den Terror getragen“, sagte Merkel. Es sei klar, dass Europa hier mehr tun müsse. „Wir haben die Botschaft verstanden.“ Die Kanzlerin versprach, sie wolle auch mit dem neuen Präsidenten Trump gut zusammenarbeiten. „Gute Beziehungen zu den USA liegen im Interesse Deutschlands, unabhängig davon, wer Präsident ist.“

Die Pressekonferenz machte trotz aller schönen Worte deutlich, dass Europa auch mehr als eine Woche nach der Wahl Donald Trumps noch unter Schock steht. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, sagte ein Regierungschef, „die Lage ist gefährlich.“

Die politischen Führer Großbritanniens, Frankreichs, Italiens und Spaniens treffen am Freitag mit Merkel und Obama zusammen, um über die neue Lage nach der amerikanischen Präsidentschaftswahl zu beraten. „Wir brauchen endlich Klarheit über die Position der neuen amerikanischen Regierung“, sagte ein EU-Diplomat mit Blick auf die Krisenherde im Mittleren Osten und das angespannte Verhältnis zu Russland.

Trump hatte im Wahlkampf nicht nur die Bündnistreue der USA in der Nato infrage gestellt, sondern auch einen Neuanfang im amerikanisch-russischen Verhältnis angekündigt. Zugleich bekundete er offen seine Sympathie für die Führungsstärke des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Damit ist unklar, wie sich Trump zum Beispiel im Ukraine-Konflikt positionieren wird und ob er sich für eine Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland einsetzt.

Verstärkt wird die Unsicherheit noch dadurch, dass Trump noch keinen Außenminister für seine Administration benannt hat. Als Favoriten gelten der frühere New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani und der ehemalige amerikanische UN-Botschafter John Bolton. Vor allem Bolton hat sich unter dem früheren US-Präsidenten George W. Bush einen Namen als Hardliner in der Außenpolitik gemacht. Sowohl Giuliani als auch Bolton waren Befürworter des Irak-Krieges.

Ganz überraschend käme ein Kurswechsel in der amerikanischen Außenpolitik allerdings nicht. Schon unter Obama haben sich die USA aus wichtigen Krisenherden wie dem Mittleren Osten weitgehend herausgehalten. Obama hat nicht nur den Abzug der US-Truppen aus dem Irak vollzogen, sondern auch darauf verzichtet, aktiv in den Bürgerkrieg in Syrien einzugreifen. Eine militärische Drohung nach dem Einsatz von Chemiewaffen gegen die syrische Bevölkerung machte er nicht wahr.

In der Ukraine überließ er die Verhandlungen mit Putin über eine Friedenslösung Bundeskanzlerin Merkel. Im Kampf gegen den Terror setzte Obama vor allem auf Drohnenangriffe. Eine Strategie, die Trump weiterverfolgen dürfte. Auch die Kritik Trumps, Europa würde innerhalb der Nato nicht genug Lasten für seine eigene Sicherheit tragen, ist nicht neu. Obama hatte die Europäer nach der Intervention in Libyen bereits als militärische Trittbrettfahrer kritisiert.

Obama hatte vor seiner Ankunft in Berlin am Mittwoch bei einer Grundsatzrede in Athen die demokratischen Werte des Westens beschworen. „Die Demokratie ist größer als jede Einzelperson“, sagte der US-Präsident in Anspielung auf den Wahlsieg Donald Trumps. Zugleich versuchte er die Sorgen der Europäer vor einem Rückzug der USA von der Weltbühne zu zerstreuen: „Ich bin zuversichtlich, dass so, wie Amerikas Bekenntnis zur transatlantischen Allianz sieben Jahrzehnte gehalten hat – unter demokratischen und republikanischen Präsidenten – dieses Bekenntnis auch in Zukunft gelten wird.“ Das gelte auch für das Versprechen, jeden Verbündeten zu verteidigen.

Etwas schwermütig war beiden am Ende ihrer letzten Pressekonferenz schon zumute. Obama versprach, er werde als Privatmann nach Deutschland zurückkommen. Und die Kanzlerin öffnete ihm gleich die Tür: „Wir sind ja nicht aus der Welt.“

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