Angela Merkel zu Kurzbesuch in Washington Fremdeln unter Freunden

Trump und Merkel sind sich bei ihrem ersten persönlichen Treffen nicht nähergekommen. Der transatlantischen Freundschaft stehen schwere Zeiten bevor. Das Risiko eines Wirtschaftskonflikts ist nicht gebannt.

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Da bleibt noch viel Arbeit zu tun: Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Donald Trump kamen sich am Freitag in Washington nur wenig entgegen. Quelle: Reuters

Washington Das Reiseziel war klar umrissen: Angela Merkel wollte in Washington Gemeinsamkeiten mit der neuen amerikanischen Regierung suchen. Doch das geriet zu einem mühsamen Unterfangen, die Atmosphäre im Weißen Haus war angespannt, von persönlicher Sympathie zwischen den beiden Regierungschefs nichts zu spüren.

Schon die Begrüßung im Oval Office ging daneben. Während die Fotographen ihre Bilder knipsten, saß Trump fast regungslos da und starrte vor sich hin. Seiner Besucherin verweigerte er den Handschlag, auch nach mehrmaligem Nachfragen. „Schickt ein schönes Foto zurück nach Deutschland“, sagte er mürrisch, bevor die Journalisten aus dem Raum geschickt wurden.

Angela Merkel war sichtbar überrascht, im US-Fernsehen wurde die Szene als Affront bewertet. Kanadas Ministerpräsidenten Justin Trudeau hatte Trump erst vor ein paar Wochen geradezu überschwänglich begrüßt. Ebenso Japans Regierungschef Shinzō Abe und Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu.

Der frostige Empfang ruft Erinnerungen wach: Trump hat Merkel in der Vergangenheit scharf kritisiert, ihre Flüchtlingspolitik sei ein katastrophaler Fehler gewesen, behauptete er. Merkel ist bereit, das zu vergessen. „Es ist besser miteinander zu reden, als übereinander“, hat sie in den vergangenen Wochen immer wieder betont. Doch Trump war am Freitag erkennbar nicht daran interessiert, ein warmherziger Gastgeber zu sein.

Erst später, als sich beide zu einer Pressekonferenz im East Room des Weißen Hauses eingefunden hatten, versuchte der Hausherr, Merkel bei ihrer Suche nach Gemeinsamkeiten behilflich sein – und löste damit gleich die nächste Irritation aus. „Was das Abhören der letzten Regierung angeht“, antwortete er auf eine Frage nach seinen Anhörvorwürfen gegen seinen Vorgänger Barack Obama und drehte seinen Kopf in Merkels Richtung. „Ich denke, da haben wir etwas gemeinsam, vielleicht.“ Eine Anspielung auf die NSA-Affäre, ein Thema, bei dem Berlin wenig Spaß versteht.

Die Kanzlerin machte ein ziemlich fassungsloses Gesicht. Sie guckte zu Trump, auf ihre Zettel und wieder zu Trump. Es dauerte ein wenig, bis sich an ihren Mundwinkeln so etwas wie ein Lächeln gebildet hat. Merkel will nicht verstimmt wirken. Es geht um Wichtigeres. Um Bekenntnisse der US-Regierung zu Grundpfeilern der internationalen Ordnung, die Trump im Wahlkampf in Frage gestellt hatte. Bekenntnisse zur Nato, zum Einsatz der Bundeswehr im Ausland, zum Friedensprozess in der Ukraine. Und natürlich zum Freihandel.


Gedenken and tote deutsche Soldaten

Hier kam Trump ihr entgegen, ein bisschen jedenfalls. Er hob die Bedeutung der Nato hervor, forderte aber, dass Deutschland endlich das Versprechen einlöst und seine Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung erhöht. Dass Trump die Leistung Deutschlands in Afghanistan mit insgesamt 50 toten Soldaten erwähnte, ist keine Selbstverständlichkeit. Im Gegenzug bedankte sich Merkel für die Unterstützung Amerikas beim Wiederaufbau Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg und bei der Wiedervereinigung des geteilten Landes.

Beim umstrittenen Thema Handelspolitik vermieden beide eine Konfrontation. So betonte Trump, dass er keine Abschottungspolitik im Sinn habe. „Ich bin kein Isolationist“, versicherte er. Vielmehr strebe er „eine faire Handelspolitik“ an. Trump versuchte damit den Eindruck zu korrigieren, dass Handel für ihn ein Nullsummenspiel sei.

„Ich will keinen Sieg, aber Fairness“, sagte der Präsident. Die Importsteuer, mit der die US-Regierung auch deutschen Firmen gedroht hat, sprach er nicht an. Das bedeutet allerdings auch: Es muss deshalb weiter damit gerechnet werden, dass eine solche Steuer eingeführt wird.

Was der Präsident außerdem nicht erwähnte: die EU. Brüssel ist nach europäischem Recht für Handelspolitik zuständig. Doch offenbar hat zumindest Trump sich noch nicht von der Idee verabschiedet, bilaterale Gespräche mit Berlin darüber zu führen, wie das Handelsungleichgewicht zwischen den USA und Deutschland reduziert werden kann.

Derzeit verkaufen deutsche Firmen in den USA weit mehr, als amerikanische Firmen in Deutschland erlösen. Die Differenz beträgt 64 Milliarden Dollar. Trump sieht darin den Beweis, dass Deutschland viel bessere Verhandlungsführer hat als die USA. Deutschland und die meisten Ökonomen argumentieren dagegen, dass sich in der Handelsbilanz die freiwilligen Kaufentscheidungen von Abermillionen Konsumenten ausdrücken.

Dennoch zeigte die Bundeskanzlerin ein gewisses Verständnis für die Argumente des US-Präsidenten. „Wir sollten die Globalisierung offen, aber auch fair gestalten", sagte Merkel, ohne sich auf eine Debatte über den deutschen Exportüberschuss einlassen zu wollen. Über Details könne man noch sprechen.

Zuvor hatten Merkel und Trump mit den Vorstandschefs von Siemens, BMW, Schaeffler, IBM, Salesforce und Dow Chemical über die Bedeutung der dualen Ausbildung diskutiert. Im Kabinettraum des Weißen Hauses saß Merkel zwischen Trumps Tochter Ivanka und Schaeffler-Chef Klaus Rosenfeld. An dem Gespräch nahm auch Trumps Wirtschaftsberater Peter Navarro teil, der jüngst Deutschland eine Manipulation des Euro-Wechselkurses zur Stärkung der eigenen Exporte vorgeworfen hatte.

Trump nannte das deutsche Ausbildungssystem „großartig“. In einer gemeinsamen Erklärung bekräftigten beide Länder die Absicht, „Arbeitskräfte berufsbegleitend umzuschulen, da es durch technologische Fortschritte zu erheblichen Wissenslücken bei den Arbeitnehmern kommt“. Zudem verpflichten sich die Vorstandschefs amerikanischer und deutscher Firmen, „im Einklang mit ihren steigenden Anlageinvestitionen und dem steigenden Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften die duale Ausbildung auszubauen.“


Die Erwartungen waren ohnehin nicht hoch

Salesforce-Chef Marc Benioff verkündete, dass durch eine bessere Zusammenarbeit fünf Millionen zusätzliche Arbeitsplätze in Amerika möglich seien. Was man so sagt, wenn man zum Gespräch mit dem US-Präsidenten eingeladen ist und die Weltpresse für ein paar Minuten dabei ist. So vollmundige Versprechen gab es von den übrigen Vorstandschefs nicht. Aber immer wieder der Hinweis, wie gut und gerne man in den Vereinigten Staaten sei und dort auch investiere.

Merkel hatte keine großen Erwartungen an den Antrittsbesuch im Weißen Haus. Sie wollte vor allem zuhören, verstehen, Argumente austauschen. Trotz der Irritationen über Trumps NSA-Kommentar und den verweigerten Handschlag bezeichnete sie das erste persönliche Treffen mit dem neuen Präsidenten als „freundschaftlich“ und „warmherzig“. Man hätte die Absicht, Lösungen und Kompromisse zu finden, „die gut und fair sind“. Und: „Für die Menschen muss etwas herauskommen."

Herausgekommen ist vor allem die Erkenntnis, dass Merkel und Trump nicht zueinander gefunden haben. Zu unterschiedlich sind die beiden. Sie analytisch, ruhig und risikoscheu. Er impulsiv, laut und draufgängerisch. Merkel hält nichts von Trumps Krawallstil. Und Trump muss es rasend machen, dass Merkel von Kommentatoren im eigenen Land zur „Anführerin der freien Welt“ ausgerufen wird.

Im Juli empfängt Merkel Trump in Hamburg zum G-20-Gipfel, vielleicht kommen sie sich dann näher. Doch bis auf Weiteres bleibt Trump für die Bundesregierung schwer einzuschätzen. Und damit besteht auch das Risiko fort, dass Merkel und die Konzernchefs, die sie mitgebracht hatte, eigentlich am Freitag bannen wollten: dass der Streit um den deutschen Exportüberschuss in einen Handelskonflikt mündet.

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