Per se ist niemand gegen gute Beziehungen mit China. China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner. 170 Milliarden Euro flossen zwischen den Wirtschaftsmächten im vergangenen Jahr. Mittlerweile ist Deutschland aber auch in eine Abhängigkeit zum chinesischen Partner geraten. Allein VW verkauft heute mehr als jedes zweite Auto in China. Das sieht die Expertin kritisch: „Die deutsche Automobilindustrie ist absolut abhängig von China und das wird durch die unklare Situation in den USA noch weiter verstärkt“, sagt sie. Verschlechtert sich das Geschäft in China, werden die Autobauer in massive Schwierigkeiten geraten, prophezeit die Expertin. Das hätte dementsprechend schwere gesamtwirtschaftliche Folgen für Deutschland.
Wie schnell das auf dem chinesischen Markt passieren kann, zeigt sich aktuell an Südkorea. Das Land hat China durch die Stationierung des US-Raketenabwehrsystems THAAD verärgert. Deshalb hat Peking in den vergangenen Wochen eine regelrechte Hetzjagd auf das Nachbarland eröffnet.
Wie bereits seit einigen Jahren in der chinesischen Außenpolitik üblich, verhängt China keine Sanktionen, die gegen WHO-Regulierungen verstoßen. Es setzt auf eine Mischung aus Handelshindernissen, Diskriminierung und Boykottaufrufen, die zu einem großen Teil über die Medien gesteuert werden und sich in der nationalistisch aufgeheizten Gesellschaft hochschaukeln. In südkoreanischen Geschäften kommt es seitdem zu Randale und Übergriffen, die gefilmt und ins Netz gestellt werden. Alle Geschäfte des südkoreanischen Mischkonzerns Lotte wurden aufgrund von angeblichen Sicherheitsproblemen geschlossen. Das Unternehmen hat 8,8 Milliarden Dollar in China investiert und gerät nun massiv unter Druck. Meissner glaubt, dass sich solche Kampagnen auch gegen deutsche Unternehmen richten könnten, wenn Deutschland Peking auf die Füße tritt. Auf solche Krisensituation muss sich die deutsche Industrie sowie die Bundesregierung deshalb einstellen, sagt die Expertin. „Es braucht Krisenpläne in den Schubladen, die auf solche Ereignisse in China reagieren können“, sagt sie.
Dazu kommt, dass China nicht nur viele Bereiche der Wirtschaft nie liberalisiert hat. Auch die Gängelungen im Alltag machen deutschen Unternehmen zu schaffen: Viele ausländische Unternehmen berichten, dass sie zwar bei öffentlichen Ausschreibungen antreten dürfen. Chancen haben wir aber nicht, berichtet ein Mittelständler aus der Nähe von Shanghai. Die meisten Verträge werden an chinesischen Firmen vergeben, die Kontakte in die Regierung haben. Solche Entscheidungen fallen dann beim Reiswein trinken in Hinterzimmern anstatt in einem fairen Verfahren.
In anderen Branchen wird sogar berichtet, dass ein Technologietransfer die Voraussetzung für die Vergabe von Lizenzen ist. Dies werde dann häufig auf „freiwilliger Basis“ durchgeführt, damit die Betroffenen später nicht gegen das Verstoßen von WTO-Regeln klagen können.
Ähnliche Spielchen drohen auch ausländischen Techunternehmen, die im Land Geschäfte machen wollen. Angeblich um zu beweisen, dass das Unternehmen kein Risiko für die nationale Sicherheit darstellt, mussten bereits IMB, Apple und Microsoft in die Herzen ihrer Unternehmen blicken lassen - und ihre Quellcodes offenlegen.
Und in diesem Bereich steht auch schon der nächste Super-GAU an: Im Sommer kommt ein neues Gesetz, das Unternehmen zwingen wird, alle in China produzierten Daten auch im Land zu speichern. Und den Chinesen dazu im Zweifel Zugang zu geben. Der ehemalige IBM-Vizechef Steve Mills erklärte 2015, als er die chinesische Regierung vor der Tür hatte, dass man eben die Unterstützung der Regierung brauche. Sonst könnte man nicht auf dem chinesischen Markt aktiv sein.
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