Angelockt, ausgequetscht, abgedrängt Die Chinafalle - und die Folgen für deutsche Unternehmen

Für viele deutsche Unternehmen war der chinesische Markt lange ein Hoffnungsträger. Mehr als ein Jahrzehnt später ist davon nicht mehr viel übrig. Eine Vorschau auf die neue Titelgeschichte der WirtschaftsWoche.

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Kein Reich des Reibachs: Deutsche Firmen wie Media Markt müssen in China oft wieder einpacken. Quelle: Laif

Lange Zeit herrschte in China Goldgräberstimmung. Ob bekannter Autobauer oder kleiner Mittelständler: Jeder Manager wollte dabei sein. Und auch wenn die Chinesen viele Versprechen nicht hielten, regnete es vielerorts hohe Gewinne. Der ehemalige Siemens-Chef Heinrich von Pierer fasste das Mantra vieler Wirtschaftsführer so zusammen: „Das Risiko, nicht in China zu sein, ist größer als das Risiko, in China zu sein.“

Ob das auch heute noch gilt, ist fraglich. Mit dem angekündigten Rückzug von Präsident Donald Trump aus dem Welthandel scheint China zwar die neue Nummer 1 im Bundeskanzleramt zu sein. Und China nutzt diese Chance: Es betont die enge Freundschaft zwischen Berlin und Peking, gelobt Besserung in Sachen Marktliberalisierung und Protektionismus und macht scheinbar großzügig Geschenke. So zumindest verstehen viele Unternehmer das Versprechen von Xi Jinping an Merkel, die angekündigte E-Auto-Quote zu verschieben, die bereits ab kommendem Jahr deutschen Autohersteller vorgeschrieben hätte, wie viele E-Autos sie produzieren müssen.

Ein verlässlicher Partner ist China aber nie geworden, sagt Hanna Müller. "Die Probleme sind unübersehbar“, so die Chefin des Büros des Bundesverbandes der Deutschen Industrie in Peking, die sich täglich mit den Sorgen der deutschen Industrie im Land beschäftigt. Seit Jahren versprechen die Chinesen den Markt zu liberalisieren, passiert ist das nie, so die Expertin. Im Gegenteil: In China gibt es immer noch Listen für Branchen, in die ausländische Unternehmen nicht investieren dürfen.

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Die chinesische Regierung behält sich dort vor, die Sahnestücke unter den eigenen Firmen zu verteilen. Gleichzeitig gehen die Chinesen aber im Ausland immer häufiger auf Einkaufstour. Ob Kuka, die Wassertechnologie-Sparte von Bilfinger oder Osram: Sie alle haben seit vergangenem Jahr ein chinesisches Klingelschild an der Tür. Laut einer Studie des Merics Instituts in Berlin investierten Chinesen 2016 rund 35 Milliarden Euro in der EU. 77 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Elf Milliarden davon flossen allein nach Deutschland.

Das Land hat einen besonders guten Ruf in China, so dass vor allem deutsche Schlüsselindustrien im Fokus der chinesischen Shoppingtouren stehen, darunter besonders der Maschinenbau und die Informationstechnologie. „Deutschland braucht eine klare Strategie, wie es mit den Übernahmen umgehen will“, fordert deshalb Mirjam Meissner, Wirtschaftsexpertin am Merics Institut in Berlin. Deutsche Unternehmen könnten durchaus von Investitionen aus China profitieren. „Gleichzeitig muss die Bundesregierung aber sicherstellen, dass kein Ausverkauf von wichtigen Schlüsseltechnologien stattfindet“, so die Expertin.

Die Kauflust der Chinesen kommt nicht überraschend. China steht unter Druck. Die Lohnkosten steigen rasant, die Wettbewerbsfähigkeit des Landes sinkt. Um weiter zu wachsen, pumpt Peking Geld in Infrastrukturprojekte. Und schraubt währenddessen an seiner Industriepolitik.

Worum streiten die USA und China?

Kern der Reform: Die Made in China 2025 Initiative. Und die hat es in sich. Erster Schritt: Modernisierung der Industrie mithilfe ausländischer Technologie. Dafür investieren chinesische Firmen kräftig in deutsche Maschinenbauer und kaufen deutsche Roboter. 300 Milliarden stellt die chinesische Regierung dafür bereit. Zweiter Schritt: China first. Bis 2025 sollen 70 Prozent aller „wichtigen Werkstoffe und Kernkomponenten“ in China produziert werden. E-Autos sollen mit einem Marktanteil von 80 Prozent von chinesischen Autobauern gebaut werden, und das sind nur zwei Beispiele.

Kurzfristig ist die Kampagne also eine cash cow für deutsche Unternehmen. Langfristig soll es sie aber aus China vertreiben. Der Chef der Europäischen Handelskammer in China Jörg Wuttke wird dementsprechend deutlich: Der Plan werfe die Frage auf, „ob die Kampagne nicht lediglich auf eine Einkaufsliste von Unternehmen hinausläuft, die Technologien besitzen, die China noch nicht selbst entwickeln kann.“

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