Anschläge in Istanbul Türkische Führung kündigt Vergeltung an

Eine PKK-Splittergruppe bekennt sich zu den schweren Anschlägen in Istanbul. Die türkische Führung kündigt Vergeltung an. Merkel vereinbart mit Erdogan engere Zusammenarbeit im Kampf gegen Terrorismus.

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Trauer in Istanbul: Bei den Attentaten kamen am Wochenende zahlreiche Menschen ums Leben. Quelle: AFP

Istanbul Nach den Anschlägen auf die Polizei in Istanbul mit 38 Toten hat die türkische Führung mit Vergeltung gedroht. Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte, die Attentäter würden "einen hohen Preis zahlen". Zu den Anschlägen bekannte sich eine kurdische Extremistengruppe, die der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nahestehen soll. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vereinbarte mit Erdogan eine engere "Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus".

Die Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) hätten die Verantwortung für den Doppelanschlag als "Vergeltung" für das türkische Vorgehen gegen die kurdische Bevölkerung übernommen, meldete am Sonntag die Nachrichtenagentur Firat, die den kurdischen Rebellen nahesteht. Seit der erneuten Eskalation des Kurdenkonflikts im Sommer 2015 haben die PKK und die TAK zahlreiche Anschläge auf die Sicherheitskräfte verübt. Das genaue Verhältnis der beiden Gruppen zueinander ist unklar.

Am späten Samstagabend war nach dem Ende eines Fußballspiels zwischen den türkischen Erstligaklubs Besiktas und Bursaspor eine Autobombe vor der Vodafone Arena im Zentrum von Istanbul explodiert. Der Anschlag galt einem Bus mit Polizisten, die das Fußballspiel im schicken Viertel Besiktas absicherten. 45 Sekunden später sprengte sich im angrenzenden Macka-Park ein Attentäter inmitten einer Gruppe von Polizisten in die Luft.

Unter den 38 Opfern waren 30 Polizisten und sieben Zivilisten, einer der Toten konnte zunächst nicht identifiziert werden. 155 Menschen wurden verletzt, 14 davon lagen am Sonntagabend noch auf der Intensivstation. Nach Angaben der Regierung wurden 300 Kilogramm Sprengstoff verwendet. Die Autobombe hinterließ einen zwei Meter großen Krater.

Präsident Erdogan sprach von einem "Terrorakt", der möglichst viele Opfer verursachen sollte, und kündigte eine entschlossene Reaktion an. "Meine Nation und mein Volk können sich sicher sein: Wir werden die Geißel des Terrorismus bis zum Ende bekämpfen", sagte der Staatschef, der wegen der Anschläge eine Reise nach Kasachstan verschob.

Erdogan und Ministerpräsident Binali Yildirim nahmen im Istanbuler Polizeihauptquartier an der Trauerzeremonie für fünf getötete Polizisten teil. Yildirim ordnete für Sonntag einen Tag Staatstrauer an. "Früher oder später werden wir unsere Rache haben", sagte Innenminister Süleyman Soylu den Trauernden. "Der Arm des Gesetzes ist lang." Auch vor dem Besiktas-Stadion versammelten sich Trauernde und legten Blumen nieder.

"Nieder mit der PKK!", riefen die Trauernden, die türkische Fahnen schwenkten. "Unsere Heimat ist unteilbar!" Später marschierten tausende Menschen in einer Protestaktion gegen den Terror um das Stadion, wobei Anhänger der Regierung auf Fahrzeuge mit Oppositionsvertretern losgingen, bevor die Polizei sie trennte. Das Doppelattentat war der erste große Anschlag in Istanbul seit dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli.

Die Attentate erfolgten wenige Stunden, nachdem die regierende AKP ihren umstrittenen Entwurf für eine Verfassungsreform ins Parlament eingebracht hatte, mit der die Befugnisse des Präsidenten deutlich ausgeweitet werden sollen. Nach Ansicht der Opposition soll die Reform vor allem Erdogans persönliche Macht stärken. Die Regierung argumentiert hingegen, die Aufwertung des Präsidentenamts sei notwendig, um dem Land zu mehr Stabilität zu verhelfen.

Weltweit wurden die Anschläge scharf verurteilt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) telefonierte mit Erdogan und vereinbarte mit ihm, "die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus zu intensivieren", wie Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer in Berlin mitteilte. Bundespräsident Joachim Gauck zeigte sich "bestürzt" und versicherte den Türken sein Mitgefühl.

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