Anschlag im Regierungsviertel Harper wertet Schießerei als Terroranschlag

Kanada rückt zusammen: Einen Tag, nachdem ein Bewaffneter das Sitzungsgebäude gestürmt hatte, ehren die Abgeordneten ihren Sicherheitschef, der den Angreifer erschoss. Die Mutter des Attentäters weint um die Opfer.

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Kanadas Premierminister Stephen Harper und seine Ehefrau Laureen legten am Weltkriegsdenkmal Blumen nieder. Quelle: ap

Ottawa Der Angreifer, der am Mittwoch das kanadische Parlament gestürmt hat, war nach Angaben der Polizei ein Einzeltäter. Es gebe für die öffentliche Sicherheit keine Bedrohung mehr, teilte die Polizei am Donnerstag mit. Polizei und Regierung hatten zunächst gemutmaßt, bei dem Angriff hätten mehrere Personen beteiligt sein können. Der Mann hatte einen Wachsoldaten getötet und zwei Menschen verletzt. Seine Mutter bekundete den Opfern ihr Beileid.

Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich den Ermittlern zufolge um einen mehrfach vorbestraften 32-jährigen Mann, der kürzlich zum Islam konvertiert ist. Das ist eine Parallele zu dem Zwischenfall vom Montag, bei dem ein Mann auf einem Parkplatz in Ottawa zwei Soldaten überfuhr und dann später auf der Flucht von Polizisten erschossen wurde. Auch dieser Mann war kürzlich zum Islam übergetreten.

Die Tatorte im Herzen der kanadischen Hauptstadt lagen laut der Polizei weniger als eine Meile (1,6 Kilometer) voneinander entfernt. Die ersten Schüsse fielen am Weltkriegsdenkmal, wo der Mann ein Mitglied der Ehrenwache aus nächster Nähe niederschoss. Der Wächter starb später im Krankenhaus.

Der Täter stürmte ins Parlament, wo gerade die Fraktionen tagten. Als er um sich schoss, flohen viele Menschen aus dem Gebäude, andere verbarrikadierten sich in Büros. Premierminister Stephen Harper wurde in Sicherheit gebracht. Vor dem Fraktionssaal sei der Angreifer schließlich vom Sergeant of Arms, Kevin Vickers, erschossen worden, teilten mehrere Regierungsbeamte mit. Vickers ist nicht nur Zeremonienmeister des Parlaments, sondern auch für die Sicherheit im Gebäude verantwortlich.

Als der 58-jährige Vickers am Donnerstag zur Parlamentssitzung erschien, sprangen die Abgeordneten von den Sitzen auf und klatschten ihm minutenlang Beifall. Harper bedankte sich persönlich bei ihm. „Wir nehmen unsere Sitze ein in unserer Kammer, dem Herz unserer Demokratie, und tun unsere Arbeit“, sagte Harper. „Wir lassen uns nicht einschüchtern.“ Zuvor hatte der Regierungschef am Weltkriegsdenkmal einen Kranz niedergelegt. Zugleich kündigte Harper schärfere Anti-Terror-Gesetze an.

Kanada vermutet hinter den beiden tödlichen Zwischenfällen in dieser Woche Terrorangriffe wegen seiner Beteiligung am Kampf gegen die Extremisten-Miliz Islamischer Staat. Das Land stellt acht der Kampfjets, mit denen die US-geführte Allianz Luftangriffe auf Stellungen des IS fliegt. Am Dienstag hatte Kanada die Terroralarmstufe von niedrig auf mittel erhöht, weil zuvor die allgemeine Kommunikation radikalislamischer Organisationen zugenommen habe.

Der am Mittwoch getötete Verdächtige Michael Zehaf-Bibeau hatte Gerichtsakten zufolge ein langes Vorstrafenregister. Demnach gingen eine Reihe von Raubüberfällen, Drogen- und Waffendelikten sowie gewalttätige Übergriffe auf sein Konto.

Seine Mutter Susan Bibeau sagte, sie weine um den getöteten Wachsoldaten. „Kann man so etwas jemals erklären?“, sagte sie während des kurzen und tränenreichen Telefongesprächs mit der Nachrichtenagentur AP. „Es tut uns leid“. Zuvor hatte sie in einer Email geschrieben, sie habe ihren Sohn in der vergangenen Woche zum ersten Mal seit mehr als fünf Jahren wieder gesehen und könne wenig zu seiner Entwicklung sagen.

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