Anschlag in London „Das passiert viel zu häufig, das ist einfach zu viel”

Gut zwei Wochen nach dem Terroranschlag im Zentrum Londons ist die britische Hauptstadt erneut in heller Aufregung. Wieder ist ein Lieferwagen in eine Menschenmenge gerast, ein Mensch kam ums Leben. Ein Ortsbericht.

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„Ich will Moslems töten“, soll der Fahrer des Fahrzeugs gerufen haben. Quelle: Reuters

London Er war am späten Sonntagabend in der Moschee, als ganz in der Nähe ein Transporter in die Besucher raste. Und ist auch wieder einige Stunden später auch wieder an dem Unglücksort: „Etwas muss passieren. Menschen sterben für nichts und wieder nichts“, sagt Atif Badeer im Interview mit der „BBC“, „das ist viel zu häufig, das ist einfach zu viel.“

Mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Wut reagieren Londoner am Montagmorgen auf den jüngsten Vorfall auf der Insel, bei dem Ermittler einen terroristischen Hintergrund vermuten. Ein Mensch ist dabei im Londoner Stadtteil Finsbury Park ums Leben gekommen, zehn wurden verletzt. Die Polizei sprach von einem Anschlag auf London und hat einen 48-jährigen Mann festgenommen. Es werde untersucht, ob er geistig zurechnungsfähig gewesen sei. Londons Bürgermeister Sadiq Khan nannte es einen „Angriff auf unschuldige Londoner, von denen viele gerade die Gebete während des heiligen Monats Ramadan beendeten“.

Es war das dritte Mal in knapp mal drei Monaten in der britischen Hauptstadt, dass ein Auto Passanten rammte. Ende März starben bei einem ähnlichen Vorfall im Londoner Regierungsviertel sechs Menschen. Vor zwei Wochen raste ebenfalls ein Transporter in Passanten auf der London Bridge. Die Angreifer gingen danach mit Messern auf die Besucher von Bars und Restaurants los. Acht Menschen sind bei diesem Anschlag ums Leben gekommen.

Am Montag kreisen Hubschrauber über den Unglücksort im Londoner Norden, den die Polizei weitläufig abgesperrt hat. Polizisten stehen an Kreuzungen und patrouillieren durch die Straßen im Norden Londons. Anwohner und Augenzeugen berichten, was sie gesehen und gehört haben. So soll der Fahrer des Transporters, der die Menschen gerammt habe, geschrien haben: „Ich will Moslems töten.“ Eine Gruppe von Menschen habe ihn festgehalten, bis die Polizei kam. „Ich habe ihm einen Schlag in die Magengruppe versetzt, er wollte fliehen“, erzählt Abdul Rahman vor einer Kamera, „ich und andere haben ihn zu Boden gedrückt, so dass er sich nicht bewegen konnte.“

Ein anderer Augenzeuge schildert den Vorfall im Gespräch mit britischen Medien etwas anders: „Menschen hielten den Fahrer fest und begannen, ihn zu schlagen.“ Der Imam der benachbarten Moschee sei dazugekommen und habe dem Angreifer quasi das Leben gerettet, bis die Polizei gekommen sei.

Ein weiterer Augenzeuge berichtet: „Es war wie in einem Horrorfilm, ich war schockiert.“ Und ein anderer erzählt: „Der Mann, der festgenommen wurde, hat den Umstehenden zugewinkt, er wirkte glücklich und stolz auf das, was er getan hatte.“

Die islamische Gemeinde nannte den Vorfall „den gewaltsamsten Ausdruck von Islamfeindlichkeit“ und macht sich für verstärkte Sicherheitsmaßnahmen in der Nähe von Moscheen stark. Man haben sich bereits seit geraumer Zeit dafür eingesetzt, dass etwas im Kampf gegen die zunehmende Tendenz bei Hasskriminalität passieren müsste, teilte der Muslimische Rat von Großbritannien mit. Es müsste jetzt endlich gehandelt werden, nicht nur mit Blick auf den Vorfall in der Nähe von Finsbury, sondern insgesamt mit Blick auf Islamfeindlichkeit und die zunehmende Zahl besorgniserregender Vorfälle.

Mohammed Kozbar, ein Vertreter der Moschee im Stadtteil Finsbury rief die Menschen zum Zusammenhalt auf: „Wir leben hier in Harmonie. Wer auch immer dies getan hat, er war nicht aus dieser Gegend“, sagte Kozbar.

Einige Meter von dem Unglücksort entfernt am Bahnhof Finsbury Park versucht ein Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe, den Menschen Mut zu machen: „Harte Zeiten währen nicht ewig“, hat er auf eine Tafel am Eingang zur U-Bahn geschrieben, „widerstandsfähige Menschen halten zusammen. Wir alle.“

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