Die internationale Gemeinschaft hofft auf die baldige Rückeroberung der zweitgrößten irakischen Stadt Mossul vom Islamischen Staat (IS). Bei einer Konferenz in Washington berieten Vertreter von mehr als 40 Staaten über ihre Strategie.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte die Hoffnung, die Einnahme von Mossul würde dem IS einen „entscheidenden Schlag“ versetzen. Einen konkreten Termin für die erwartete Militäroffensive gibt es aber weiterhin nicht. Problematisch ist vor allem, dass sich in der Stadt noch rund 800.000 Zivilisten aufhalten sollen. Deswegen glauben aktuell nicht einmal irakische Offiziere daran, dass das noch in diesem Jahr möglich sein soll.
An dem Treffen in Washington nahmen auch Außen- und Verteidigungsminister von Staaten teil, die im Irak militärisch aktiv sind. Mossul wird seit Juni 2014 vom IS gehalten. Die Terrormiliz, die auch in Syrien große Gebiete besetzt hält, hat in den vergangenen Monaten aber mehrere irakische Städte und Gebiete wieder an reguläre irakische Einheiten verloren. Laut dem Conflict Monitor der Beratungsfirma IHS hat der IS allein seit Jahresbeginn zwölf Prozent des von ihm kontrollierten Gebiets verloren, 2015 waren es 14 Prozent.
Die Akteure im Syrien-Konflikt
Anhänger von Präsident Baschar al-Assad kontrollieren weiter die meisten großen Städte wie Damaskus, Homs, Teile Aleppos sowie den Küstenstreifen. Syriens Armee hat im langen Krieg sehr gelitten, konnte aber infolge der russischen Luftunterstützung seit September 2015 wieder Landgewinne verzeichnen. Machthaber Assad lehnt einen Rücktritt ab.
Die Terrormiliz beherrscht im Norden und Osten riesige Gebiete, die allerdings meist nur spärlich besiedelt sind. Durch alliierte Luftschläge und kurdische Milizen mussten die Islamisten im Norden Syriens mehrere Niederlagen einstecken. Unter der Herrschaft der Miliz, die auch im Irak große Gebiete kontrolliert, verbleibt die inoffizielle Hauptstadt Raqqa, die bedeutende Versorgungsstrecke entlang des Euphrat und ein kleiner Grenzübergang zur Türkei. Offiziell lehnen alle lokalen und internationalen Akteure den IS ab.
Sie sind vor allem im Nordwesten und Süden Syriens stark. Ihr Spektrum reicht von moderaten Gruppen, die vom Westen unterstützt werden, bis zu radikalen Islamisten.
Die zu Beginn des Kriegs bedeutende Freie Syrische Armee (FSA) hat stark an Einfluss verloren. Sie kämpft vor allem gegen Diktator Assad.
In der „Islamischen Front“ haben sich islamistische Rebellengruppen zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist der Sturz Assads und die Errichtung eines „Islamischen Staates“ – die gleichnamige Terrormiliz lehnen sie jedoch ab. Sie werden von Saudi-Arabien unterstützt und sind ideologisch mit al-Qaida zu vergleichen. Militärisch untersteht ihr auch die „Dschaisch al-Fatah“, die von der Türkei unterstützt wird. Teilweise kooperieren sie mit der al-Nusra-Front, Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida.
Sie ist zersplittert. Das wichtigste Oppositionsbündnis ist die Syrische Nationalkoalition in Istanbul. Diese wird von zahlreichen Staaten als legitim anerkannt, von vielen lokalen Akteuren wie al-Nusra oder der kurdischen PYD jedoch abgelehnt.
In Damaskus sitzen zudem Oppositionsparteien, die vom Regime geduldet werden. Bei einer Konferenz in Riad einigten sich verschiedenen Gruppen auf die Bildung eines Hohen Komitees für Verhandlungen, dem aber einige prominente Vertreter der Opposition nicht angehören.
Kurdische Streitkräfte kontrollieren mittlerweile den größten Teil der Grenze zur Türkei: Sie sind ein wichtiger Partner des Westens im Kampf gegen den IS.
Dabei kämpfen sie teilweise mit Rebellen zusammen, kooperieren aber auch mit dem Regime. Führende Kraft sind die „Volksverteidigungseinheiten“ YPG der Kurden-Partei PYD, inoffizieller Ableger der verbotenen türkisch-kurdischen Arbeiterpartei PKK. Diese streben einen eigenen kurdischen Staat an – die Türkei lehnt das vehement ab.
Washington führt den Kampf gegen den IS an der Spitze einer internationalen Koalition. Kampfjets fliegen täglich Angriffe. Beteiligt sind unter anderem Frankreich und Großbritannien. Deutschland stellt sechs Tornados für Aufklärungsflüge über Syrien, ein Flugzeug zur Luftbetankung sowie die Fregatte „Augsburg“, die im Persischen Golf einen Flugzeugträger schützt. Washington unterstützt moderate Regimegegner.
Die Türkei setzt sich für den Sturz Assads ein und unterstützt seit langem Rebellengruppen wie die islamistische Dschaisch al-Fatah. Neben der Sicherung ihrer 900 Kilometer langen Grenze ist die Türkei seit August 2016 auch mit Bodentruppen in Syrien vertreten. Ziel ist neben der Vergeltung für Terroranschläge des IS auch, ein geeintes Kurdengebiet im Norden Syriens zu verhindern.
Der Abschuss eines russischen Flugzeugs über türkischem Luftraum im November 2015 führte zu Spannungen zwischen Russland und der Türkei.
Seit September 2015 fliegt auch Russlands Luftwaffe Angriffe in Syrien. Moskau ist einer der wichtigsten Unterstützer des syrischen Regimes: Rebellenorganisationen werden pauschal als „Terroristen“ bezeichnet und aus der Luft bekämpft. Der Kampf gegen islamistische Rebellen soll auch ein Zeichen an Separatisten im eigenen Land senden.
Geostrategisch möchte Russland seinen Zugriff auf den Mittelmeerhafen Tartus nicht verlieren.
Teheran ist der treueste Unterstützer des Assad-Regimes, auch aus konfessionellen Gründen. Iraner kämpfen an der Seite der syrischen Soldaten. Die von Teheran finanzierte Schiitenmiliz Hisbollah ist ebenfalls in Syrien im Einsatz. Sie fürchten die Unterdrückung der schiitischen Minderheit im Falle eines Sieges sunnitischer Rebellen, aber auch den Verlust von regionalem Einfluss.
Riad ist ein wichtiger Unterstützer vornehmlich islamistischer Rebellen. Sie fordern, dass Assad abtritt. Saudi-Arabien geht es auch darum, den iranischen Einfluss zurückzudrängen. Der Iran ist der saudische Erzrivale im Nahen Osten.
Trotz religiöser Ähnlichkeiten zwischen IS und dem saudischen Wahabismus engagiert sich Saudi-Arabien im Kampf gegen den IS.
Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums wurden seit Beginn der Offensive insgesamt 45 Prozent der Territorien zurückerobert.
Steinmeier sagte, die Einnahme von Mossul würde den IS auch in Syrien schwächen, weil die Strukturen der Miliz in beiden Ländern miteinander verbunden seien. Zu den Aussichten sagte er: „Ob es gelingt, wann es gelingt, ist offen.“
Auch US-Außenminister John Kerry hatte sich am Mittwoch auf keinen Termin für den Beginn des Angriffs festlegen lassen. Experten erwarten die Offensive in den nächsten Monaten. Zudem wird befürchtet, dass der IS noch mehr Selbstmordanschläge in Auftrag gibt, um seine Schlagkraft zu beweisen.
Hinzu kommt die Sorge, dass der Kampf um Mossul eine neue große Fluchtbewegung zur Folgen haben könnte. Nach UN-Schätzungen könnten bis zu 1,5 Millionen Menschen gezwungen sein, ihre Heimat zu verlassen. Heute schon gibt es im Irak mehr als 3,3 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene. Auf einer Geberkonferenz am Mittwoch hatte die internationale Gemeinschaft für den Irak mehr als zwei Milliarden US-Dollar (etwa 1,8 Milliarden Euro) zusammengebracht - insbesondere um die Not der Menschen zu lindern.
Terroristische Einzeltäter in Europa
Ein Islamist ersticht im Umland von Paris einen Polizisten und verschanzt sich in dessen Haus. Die Polizei stürmt das Gebäude und erschießt den Täter. Später wird dort auch die Lebensgefährtin des Opfers tot aufgefunden.
Ein 25-jähriger Marokkaner eröffnet in einem Zug von Amsterdam nach Paris das Feuer und wird von mehreren Fahrgästen überwältigt. Die Pariser Staatsanwaltschaft geht von terroristischen Motiven aus.
Ein 35-Jähriger wird überwältigt, als er in einem Industriegas-Werk bei Lyon eine Explosion verursachen will. Er hatte zuvor seinen Arbeitgeber enthauptet und den Kopf mit zwei Islamisten-Flaggen auf den Fabrikzaun gesteckt.
Ein arabischstämmiger 22-Jähriger feuert in Kopenhagen auf ein Kulturcafé. Ein Mann stirbt. Vor einer Synagoge erschießt der Attentäter einen Wachmann, bevor ihn Polizeikugeln tödlich treffen.
In Brüssel erschießt im Jüdischen Museum ein französischer Islamist vier Menschen. Kurz darauf wird er festgenommen. Als selbst ernannter „Gotteskrieger“ hatte er zuvor in Syrien gekämpft.
Ein junger Kosovo-Albaner erschießt auf dem Flughafen Frankfurt/Main zwei US-Soldaten und verletzt zwei weitere schwer. Der Mann gilt als extremistischer Einzeltäter.
Der norwegische Rechtsterrorist Anders Behring Breivik tötet bei zwei Anschlägen insgesamt 77 Menschen. Er zündet zuerst eine Bombe im Osloer Regierungsviertel und erschießt dann 69 meist jugendliche Teilnehmer eines sozialdemokratischen Ferienlagers.
Deutschland stellt bis Ende nächsten Jahres 160 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung. Damit summiert sich die deutsche Irakhilfe auf annähernd eine halbe Milliarde Euro. Hinzu kommt ein ungebundener Kredit von 500 Millionen Euro. Das Geld soll unter anderem für humanitäre Hilfe und die Minenräumung in Städten und Gegenden ausgegeben werden, die einst vom IS besetzt waren.
US-Verteidigungsminister Ashton Carter unterstrich die militärische Entschlossenheit der USA im Kampf gegen die Terrormiliz. „Wir werden uns nicht ausruhen“, sagte er am Mittwoch nach einem Treffen mit Verteidigungsministern aus Ländern der Anti-IS-Koalition. Es sei absolut notwendig, den IS in Syrien und im Irak zu zerstören. „Aber das Muttergeschwür des IS zu zerstören, ist nicht genug.“ Es müsse mehr getan werden - in Libyen, in Afghanistan, aber auch beim Schutz der eigenen Länder.