Appell an Schäuble und den IWF Athen pocht auf Schuldenerleichterungen

Griechenlands Finanzminister Tsakalotos fordert eindringlich Zugeständnisse der Gläubiger in der Schuldenfrage: „Wir haben bei den Reformen getan, was wir versprochen haben“. Das erwarte er nun auch von den Geldgebern.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Griechenlands Finanzminister Euklid Tsakalotos fordert die Gläubiger auf, die neuen Hilfsgelder freizugeben. Quelle: Reuters

Athen Nach dem Schiffbruch beim Treffen der Euro-Finanzminister am 22. Mai wächst in der griechischen Regierung die Nervosität. Im Juli steht das Krisenland vor milliardenschweren Tilgungen und Zinszahlungen, die ohne neue Finanzspritzen der internationalen Geldgeber nicht zu stemmen sind. Aber die neuen Hilfen, die eigentlich schon vor Monaten fließen sollten, lassen weiter auf sich warten. Dem Staat könnte im Sommer ein Zahlungsausfall drohen.

„Wir haben alle Bedingungen erfüllt und eine riesige Menge von Reformen umgesetzt“, sagte der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos am Montag vor ausländischen Korrespondenten in Athen. Der Ball liege jetzt im Spielfeld der Gläubiger. „Jetzt ist es an der Zeit, eine neue Seite aufzuschlagen, wir brauchen das Fundament für Wachstum“, appellierte Tsakalotos.

Die Strapazen der vergangenen Monate sind an Tsakalotos nicht spurlos vorübergegangen. Der 57-Jährige wirkt müde und mürrisch. Seit einem Jahr ringt er mit den Gläubigern um einen Abschluss der zweiten Prüfrunde des laufenden Hilfsprogramms. Sie soll den Weg für die Freigabe weiterer Kreditraten ebnen, Griechenland eine Aufnahme ins Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank ermöglichen und damit die Rückkehr an die Finanzmärkte erleichtern.

Acht Stunden tagten die Eurofinanzminister am vergangenen Montag, doch wieder kam keine Einigung zustande. Sie scheiterte daran, dass sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und der Internationale Währungsfonds (IWF) nicht auf Schuldenerleichterungen einigen konnten. Schäuble will darüber erst nach dem Abschluss des laufenden Programms im Sommer 2018 mit sich reden lassen, um so den Reformdruck auf Athen aufrechtzuerhalten.

Der IWF hingegen macht Schuldenerleichterungen zur Bedingung für seine weitere Beteiligung am Griechenlandprogramm. Ein Kompromisspapier, mit dem der Schuldenstreit im Grunde erneut vertagt werden sollte, lehnte Finanzminister Tsakalotos beim letzten Treffen der Eurogruppe ab – auf telefonische Weisung seines Premierminister Alexis Tsipras, wie Insider berichten.

Viel mehr als den bereits vor einer Woche vorgelegten Kompromiss werden Tsipras und Tsakalotos aber wohl auch beim nächsten Treffen der Eurogruppe nicht erreichen, meinen Beobachter. Für Tsipras, der seinen Regierungsabgeordneten die Zustimmung zu dem jüngsten Spar- und Reformpaket mit der Aussicht auf Schuldenerleichterungen schmackhaft machte, wäre das eine politische Niederlage.

Um vielleicht doch noch einige Zugeständnisse herauszuschlagen, macht die Regierung jetzt Druck über die Medien. „Wir haben bei den Reformen getan, was wir versprochen haben“, sagt Finanzminister Tsakalotos. Athen erwarte, dass sich nun auch die Geldgeber an ihre bereits 2016 gegebene Zusage halten und „die Zusagen über mittel- und langfristige Schuldenerleichterungen spezifizieren“. Es gebe „keine Entschuldigung, die Prüfung nicht erfolgreich zu beenden“, sagt Tsakalotos sichtlich verärgert.

Eine Lösung des Schuldenstreits sei auch im Interesse der Kreditgeber, denn damit werde Griechenland die Rückkehr an die Finanzmärkte eröffnet, unterstrich Tsakalotos: „Die Investoren stehen in großer Zahl vor der Tür – aber sie warten auf einen klaren Fahrplan, wie Griechenlands Schulden tragfähig gemacht werden können.“ Am Montagnachmittag unterrichtete Tsakalotos die Botschafter der Euro-Staaten in Athen. Auch hier war der Tenor des Treffens: Nachdem die Griechen die schmerzlichen neuen Sparbeschlüsse durchs Parlament gebracht haben, verdienen sie nun Entgegenkommen in der Schuldenfrage.

Auch Premierminister Tsipras macht Druck: Er erwarte eine Schuldenregelung im Juni, sagte Tsipras am Montag in Athen nach einem Treffen mit dem estnischen Ministerpräsidenten Jüri Ratas. Estland übernimmt am 1. Juli den EU-Ratsvorsitz. Bis müsse es „eine saubere Lösung zur Minderung der griechischen Schulden“ geben, unterstrich Tsipras.

Und was passiert andernfalls? Auf diese Frage gibt Finanzminister Tsakalotos keine klare Antwort. „Wir können kein Deal akzeptieren, der nicht den Vereinbarungen (zur Schuldenfrage) entspricht“, unterstreicht er trotzig. Wird die Regierung also möglicherweise die ausstehende Finanzspritze ausschlagen und einen Zahlungsausfall riskieren, wenn sie nicht die geforderten Zusagen über Schuldenerleichterungen bekommt?

Tsakalotos will sich nicht in die Karten sehen lassen. „Keiner will einen Zahlungsausfall im Juli, auch die Gläubiger nicht“, sagt er. Doch das könnte der Joker sein, mit dem die Athener Regierung in den Verhandlungen vor dem nächsten Treffen der Eurogruppe auftrumpfen will. Ein riskantes Spiel.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%