Arbeiten bis zum Umfallen Nur wenige Länder bieten Alten Sicherheiten

Experten schlagen seit längerem Alarm. Die Menschen auf der Welt leben immer länger, aber in vielen Ländern fehlt ein Sicherheitsnetz für die Senioren. Eine neue Studie bestätigt das. Demnach haben es die Alten in Schweden am besten. Deutschland ist Nummer drei.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
In vielen Ländern gibt es keinerlei soziale Netze für ältere Menschen. Quelle: AP

Die Weltbevölkerung wird immer älter. Das geht so rasch, dass die meisten Länder nicht darauf vorbereitet sind, ihre Senioren ausreichend zu unterstützen. Das ist der Kern einer globalen Studie, die am Dienstag von den UN und einem internationalen Hilfswerk veröffentlicht werden soll. In dem Report werden die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen von älteren Menschen in 91 Ländern bewertet. Spitzenreiter ist Schweden, Schlusslicht Afghanistan. Besonders aufsehenerregend jedoch: Der Studie zufolge wird es spätestens 2050 erstmals auf der Welt mehr Menschen über 60 geben als Kinder unter 15. Experten hatten schon seit langem die Alarmglocken geläutet, gefordert, dass mehr getan werden müsse, um einer solchen Entwicklung gerecht zu werden. Mehr - und zwar rasch.

Arbeiten bis zum Tod

Hinter den Zahlen in der Studie stehen Schicksale. Da ist zum Beispiel Truong Tien Thao, der einen kleinen Teeladen in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi betreibt. Der 65-Jährige ist sich wie Millionen andere darüber im klaren, dass er ohne Sicherheitsnetz in seinen letzten Lebensabschnitt tritt. Er würde gern in den Ruhestand gehen, aber er und seine 61-jährige Frau sind von den umgerechnet 37 Euro abhängig, die ihr Geschäft monatlich abwirft. „Menschen in meinem Alter sollten sich ausruhen können“, sagt Thao. „Aber meine Frau und ich haben keine Rente, keine Krankenversicherung. Ich habe schon Angst, wenn ich nur daran denke, dass ich krank werden könnte.“

Thaos Schilderung spiegelt einen Kernpunkt in dem Report wider, der Associated Press vor der offiziellen Veröffentlichung zugeleitet wurde. Demnach betrifft die Überalterung alle Teile der Welt. Vielleicht etwas überraschend ist dieser Prozess in Entwicklungsländern am rapidesten, etwa in Jordanien, Laos, Nicaragua und Vietnam. Dort wird sich der Studie zufolge die Zahl der Älteren bis 2050 mehr als verdreifacht haben. Und alle diese Staaten sind auf der Liste der Lebensbedingungen für Senioren in der unteren Hälfte angesiedelt.

Der Global AgeWatch-Index wurde von der Gruppe HelpAge International und dem Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen geschaffen und wird passend am Weltaltentag veröffentlicht. Er basiert auf Daten verschiedener Einrichtungen, darunter die UN, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Weltbank. Ausgewertet werden Statistiken zu Einkommen, Gesundheit, Bildung, Beruf und ein seniorenfreundliches Umfeld in den einzelnen Ländern. Auf die Herausforderungen des Älterwerdens spezialisierte Organisationen haben seit längerem beklagt, dass es kaum Daten zu diesem Thema gebe. Und das wiederum mache es schwer, die Aufmerksamkeit der Regierungen auf diese Problematik zu richten. „Solange du etwas nicht misst, existiert es nicht wirklich in den Köpfen der Entscheidungsträger“, sagt John Beard von der WHO. So sei zwar allgemein bekannt, dass die Menschen länger lebten, aber ob in guter Gesundheit oder krank - wer könne das schon sagen?

Rente nur für Regierungsmitglieder

So viel Rente bekommen Sie
DurchschnittsrentenLaut den aktuellen Zahlen der Deutschen Rentenversicherung bezogen Männer Ende 2014 eine Durchschnittsrente von 1013 Euro. Frauen müssen inklusive Hinterbliebenenrente mit durchschnittlich 762 Euro pro Monat auskommen. Quellen: Deutsche Rentenversicherung; dbb, Stand: April 2016 Quelle: dpa
Ost-Berlin mit den höchsten, West-Berlin mit den niedrigsten RentenDie Höhe der Rente schwankt zwischen den Bundesländern. Männer in Ostberlin können sich mit 1147 Euro Euro über die höchste Durchschnittsrente freuen. In Westberlin liegt sie dagegen mit 980 Euro am niedrigsten. Aktuell bekommen männliche Rentner: in Baden-Württemberg durchschnittlich 1107 Euro pro Monat in Bayern durchschnittlich 1031 Euro pro Monat in Berlin (West) durchschnittlich 980 Euro pro Monat in Berlin (Ost) durchschnittlich 1147 Euro pro Monat in Brandenburg durchschnittlich 1078 Euro pro Monat in Bremen durchschnittlich 1040 Euro pro Monat in Hamburg durchschnittlich 1071 Euro pro Monat in Hessen durchschnittlich 1084 Euro pro Monat in Mecklenburg-Vorpommern durchschnittlich 1027 Euro pro Monat in Niedersachsen durchschnittlich 1051 Euro pro Monat in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 1127 Euro pro Monat im Saarland durchschnittlich 1115 Euro pro Monat in Sachsen-Anhalt durchschnittlich 1069 Euro pro Monat in Sachsen durchschnittlich 1098 Euro pro Monat in Schleswig-Holstein durchschnittlich 1061 Euro pro Monat in Thüringen durchschnittlich 1064 Euro pro Monat Quelle: AP
Frauen mit deutlich weniger RenteFrauen im Ruhestand bekommen gut ein Drittel weniger als Männer. Auch sie bekommen in Ostberlin mit durchschnittlich 1051 Euro die höchsten Bezüge. Am wenigsten bekommen sie mit 696 Euro in Rheinland-Pfalz. Laut Deutscher Rentenversicherungen beziehen Frauen inklusive Hinterbliebenenrente: in Baden-Württemberg durchschnittlich 772 Euro pro Monat in Bayern durchschnittlich 736 Euro pro Monat in Berlin (West) durchschnittlich 861 Euro pro Monat in Berlin (Ost) durchschnittlich 1051 Euro pro Monat in Brandenburg durchschnittlich 975 Euro pro Monat in Bremen durchschnittlich 771 Euro pro Monat in Hamburg durchschnittlich 848 Euro pro Monat in Hessen durchschnittlich 760 Euro pro Monat in Mecklenburg-Vorpommern durchschnittlich 950 Euro pro Monat in Niedersachsen durchschnittlich 727 Euro pro Monat in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 749 Euro pro Monat im Saarland durchschnittlich 699 Euro pro Monat in Sachsen-Anhalt durchschnittlich 964 Euro pro Monat in Sachsen durchschnittlich 983 Euro pro Monat in Schleswig-Holstein durchschnittlich 744 Euro pro Monat in Thüringen durchschnittlich 968 Euro pro Monat Quelle: dpa
Beamtenpensionen deutlich höherStaatsdienern geht es im Alter deutlich besser. Sie erhalten in Deutschland aktuell eine Pension von durchschnittlich 2730 Euro brutto. Im Vergleich zum Jahr 2000 ist das ein Zuwachs von knapp 27 Prozent. Zwischen den Bundesländern schwankt die Pensionshöhe allerdings. Während 2015 ein hessischer Staatsdiener im Ruhestand im Durchschnitt 3150 Euro ausgezahlt bekam, waren es in Sachsen-Anhalt lediglich 1940 Euro. Im Vergleich zu Bundesbeamten geht es den Landesdienern dennoch gut. Im Durchschnitt kommen sie aktuell auf eine Pension von 2970 Euro. Im Bund sind es nur 2340 Euro. Quelle: dpa
RentenerhöhungIm Vergleich zu den Pensionen stiegen die normalen Renten zwischen 2000 und 2014 deutlich geringer an. Sie wuchsen lediglich um 15,3 Prozent. Quelle: dpa
Reserven der RentenkasseDabei verfügt die deutsche Rentenversicherung über ein sattes Finanzpolster. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung betrug die sogenannte Nachhaltigkeitsrücklage Ende 2014 genau 35 Milliarden Euro. Das sind rund drei Milliarden Euro mehr als ein Jahr zuvor. Rechnerisch reicht das Finanzpolster aus, um fast zwei Monatsausgaben zu bezahlen. Nachfolgend ein Überblick, mit welcher Rente die Deutschen im aktuell im Durchschnitt rechnen können: Quelle: dpa
Abweichungen vom StandardrentnerWer 45 Jahre in den alten Bundesländern gearbeitet hat und dabei den Durchschnittslohn verdiente, bekommt pro Monat 1314 Euro ausgezahlt. Bei 40 Arbeitsjahren verringert sich die monatliche Auszahlung auf 1168 Euro. Wer nur 35 Jahre im Job war, bekommt 1022 Euro. Quelle: Fotolia

Tatsächlich handelt es sich um eine komplexe Frage. Auf der einen Seite ist die höhere Lebenserwartung ein Zeugnis der Fortschritte bei der Gesundheitsversorgung und Ernährung, und es wird vielfach betont, dass die Älteren nicht als Last betrachtet werden sollten, sondern als wertvolle Ressource. Auf der anderen Seite aber fehlt es in vielen Ländern am sozialen Schutz der Senioren, von finanzieller und medizinischer Versorgung bis hin zu geeigneten Unterkünften.

Afghanistan beispielsweise bietet nur Regierungsbediensteten eine Rente. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt UN-Daten zufolge bei 59 für Männer und 61 für Frauen, während es im Weltdurchschnitt 68 und 72 Jahre sind. Abdul Wasai lebt in Kabul, und mit 75 Jahren muss er praktisch ums Überleben kämpfen. Der ehemalige Koch und Schmied verbringt den größten Teil seiner Tage damit, auf einem Markt Zahnbürsten und Zahnpasta zu verkaufen. Das bringt ihm täglich gerade mal gut vier Euro ein, kaum genug, um seine Frau versorgen. Die Eheleute ernähren sich meistens von Kartoffeln und Curry-Gemüse, Fleisch können sie sich höchstens zweimal im Monat leisten.

Die gefährlichsten Länder der Welt
Zwei Jahren nach dem Aufstand ist Ägypten noch immer nicht zur Ruhe gekommen. Die Bewegung 6. April hatte 2011 maßgeblich zum Sturz des damaligen Präsidenten Husni Mubarak beigetragen. Im Wahlkampf 2012 unterstützte sie den Muslimbruder und heutigen Präsidenten Mohammed Mursi. Inzwischen gehört die Jugendbewegung jedoch zu den erbittertsten Gegnern der regierenden Islamisten. Die Terrorgefahr in dem nordafrikanischen Land ist weiterhin auf der höchsten Stufe. Dementsprechend weit oben steht das Land auf der Liste des Versicherungsmaklers Aon, der Risiken für Firmen und ihre Mitarbeiter weltweit versichert. Entstanden ist daraus eine "Weltkarte des Terrors"."Die Nachwirkungen des Arabischen Frühlings sind enorm", sagt Luisa Sprafke, Terrorexpertin von Aon in Deutschland. Bürgerkriege in Libyen und Syrien hätten in den angrenzenden Ländern zu hohen Risiken beigetragen. "Ägypten wurde in diesem Jahr aufgrund der anhaltenden öffentlichen Tumulte, der politischen Instabilität und des Terrorismus' wieder in den Kreis der Länder mit den höchsten Risikobewertungen aufgenommen", so Sprafke. Quelle: dapd
Im westafrikanischen Staat Mali besteht ein kontinuierliches Risiko politischer Instabilität. Weltweit ist 2013 die Bedrohung durch Terroranschläge oder politische Gewalt hoch. Mali gehört laut der "Weltkarte des Terrors" zu den gefährlichsten Staaten der Welt. Quelle: REUTERS
Mit dem Niger gehört ein weiterer westafrikanischer Staat zu den gefährlichsten der Welt. Hier ist die Terrorgefahr sogar noch angestiegen. Die gefährlichsten Regionen sind im Nahen Osten und Nordafrika. In 85 Prozent der Länder in diesen Regionen stellen Terrorismus und Sabotage die größten Bedrohungen dar. Quelle: REUTERS
Die Lage in Pakistan bleibt "äußerst instabil". Terroristen inszenieren beinahe täglich Anschläge in verschiedenen Provinzen. Hinzukommt eine schwierige Wirtschaftslage, wie auch ein hohes Maß an Gewalt und Korruption. In 44 Prozent der untersuchten Länder besteht eine latente Gefahr durch Terroranschläge. Quelle: dpa
Auch einige latein-und südamerikanische Länder, wie Honduras, finden sich unter den gefährlichsten Ländern der Welt. Nach der Absetzung von Präsident José Manuel Zelaya 2009 ist das Land instabil, vor allem, weil die Institutionen schwach sind. Die Gefahr von Streiks, Aufständen und Aufruhr wird durch die hohe Arbeitslosigkeit, politische Polarisierung und eine anhaltende Wirtschaftskrise verschärft. Quelle: REUTERS
Haiti ist nicht nur das ärmste Land der Karibik, sondern auch das gefährlichste. Das geht aus der Weltkarte für politische Risiken 2013 hervor, die der Versicherungsmakler Aon veröffentlicht hat. Dafür werden nach Angaben von Aon das politische Risiko in 163 Ländern und Territorien gemessen. Die aus den Daten erstellte Weltkarte dokumentiert das Risiko für Gewalt und Terrorismus, aber auch für Zahlungsausfälle und politische Einflussnahme. In jeder einzelnen Risikokategorie und in der Gesamtbewertung werden die Länder in sechs Stufen von niedrig bis sehr hoch bewertet. Haiti ist eines von 14 Ländern mit der Gesamtwertung sechs - sehr hohes Risiko. "Sowohl rechtliche und regulatorische Risiken als auch andauernde politische Gewalt sind besonders besorgniserregend", heißt es in der Länderbeschreibung der Risiko-Weltkarte. Mit Unruhen und kriegerischen Auseinandersetzungen beschäftigt sich dagegen das Heidelberger Institut für Konfliktforschung, das jedes Jahr das "Conflict Barometer" vorstellt. Quelle: REUTERS
Politische Instabilität und ein Umfeld der Unsicherheit attestieren die Risikoforscher dem südamerikanischen Venezuela. Nach dem Tod von Präsident Hugo Chávez - das Bild zeigt den Leichenzug zu seinen Ehren - steht das Land zwar möglicherweise vor einem Umbruch, dennoch hat das Land große finanzielle Probleme. "Die Haushaltslage hat sich deutlich verschlechtert", steht in der Beschreibung der Karte. Immerhin: Die Anfälligkeit des Bankensektor wird nur mit Stufe zwei Bewertet - mittel-niedrig. Diese Kategorie, genau wie Risiken im Zusammenhang mit Konjunkturpaketen und Geschäftsrisiken, ist in der Erhebung für 2013 neu dabei. Die Untersuchung konzentriert sich vor allem auf Afrika, Südamerika sowie Nah- und Fernost. Mitgliedsländer der Europäischen Union und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) werden in der Weltkarte für politische Risiken 2013 nicht bewertet. Quelle: REUTERS

Viele Regierung scheuen sich, das Problem in Angriff zu nehmen, weil sie es als äußerst kompliziert betrachten - und Lösungen als teuer und daher schädlich für die Wirtschaft. Aber das ist nicht zwangsläufig so, sagt Silvia Stefanoni, Chefin von HelpAge International. Japan und Deutschland etwa, so sagt sie, gehörten zu den Ländern mit dem höchsten Anteil von älteren Menschen, aber zugleich wiesen sie eine stabile Wirtschaft auf.

Aber das wiederum heißt nicht, dass Wohlstand an sich Schutz für die Alten gewährleistet. So rangieren etwa die Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika auf dem Index tiefer als einige ärmere Staaten wie Uruguay und Panama. Dennoch, so heißt es in dem Report, sind reichere Nationen in der Regel besser auf den Schutz und die Versorgung der Älteren vorbereitet als ärmere Länder.

So glänzt etwa Schweden besonders mit seinem sozialen Netz, der Bildung und Gesundheitsfürsorge. Zweiter ist Norwegen, auf der Liste gefolgt von Deutschland, den Niederlanden und Kanada. Die USA landen auf dem achten Rang.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%