Arbeitsmarkt in Großbritannien Briten zuerst

Die britische Regierung will Unternehmen dazu bringen, Arbeitskräfte aus dem eigenen Land zu bevorzugen – Ausländern dagegen soll die Arbeitsplatzsuche erschwert werden. Dieses Vorhaben stößt auf heftige Kritik.

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Mays Aussagen über ausländische Arbeitnehmer sorgen für scharfe Kritik. Quelle: Reuters

London Großbritannien soll ein Land sein, „das für jedermann funktioniert“, hatte Premierministerin Theresa May stets betont. Doch vom Parteitag der Konservativen in Birmingham kommen andere Töne, wie Beobachter kritisieren. In ihrer Schlussrede am Mittwochnachmittag hatte May Unternehmen aufgefordert, sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst zu werden, also „junge Menschen auszubilden, bevor man billige Arbeitskräfte aus dem Ausland“ einstelle, rief sie den Anwesenden zu.

Ähnlich hatte sich zuvor Innenministerin Amber Rudd geäußert. Sie hatte angekündigt, den Zuzug ausländischer Arbeitnehmer erschweren zu wollen. „Wir prüfen, ob wir den Test verschärfen sollen, den Unternehmen vor der Rekrutierung im Ausland machen müssen“, hatte sie verkündet. Damit solle sichergestellt werden, dass bei einem Zuzug tatsächlich nur Lücken auf dem britischen Arbeitsmarkt geschlossen würden „und nicht Jobs vergeben werden, die auch Briten übernehmen können“. Zudem sollen die Regeln für die Vergabe von Visa für Studenten aus dem Nicht-EU-Ausland strikter gehandhabt werden.

„Erschreckend, rückschrittlich und zutiefst beunruhigend“

Derartige Pläne riefen bei Politikern anderer Parteien heftige Widerworte hervor. Jeremy Corbyn, Chef der Labour-Partei, warf May vor, mit solchen Vorhaben Fremdenfeindlichkeit zu schüren. Die konservative Parteiführung habe einen neuen Tiefpunkt erreicht, indem sie ausländische Arbeiter für das eigene Versagen verantwortlich machte und so die Abneigung gegen Ausländer verstärkte. „Die Konservativen sind nach rechts abgedriftet“, sagte auch Tim Farron, Vorsitzender der britischen Liberalen.

Die schottische Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon hielt ebenfalls nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg. Die Signale der Tories in Richtung ausländischer Arbeitskräfte seien „erschreckend, rückschrittlich und zutiefst beunruhigend“, erklärte sie. „Theresa Mays Vision von Großbritannien nach einem Brexit ist zutiefst hässlich“. May wolle „ein Land, in dem die Menschen nicht nach ihren Fähigkeiten oder ihrem Beitrag zur Allgemeinheit beurteilt werden, sondern nach ihrem Geburtsort oder ihrem Pass“. Diese Entwicklung wolle sie nicht mittragen.

Auch vom Unternehmerverband IoD kam Kritik. Sollten Unternehmen auflisten müssen, wie viele ausländische Arbeitskräfte beschäftigt würden, führe das nicht nur zu viel Bürokratie, sondern sende „die falschen Signale“, erklärte der IoD. „Die Premierministerin sollte stattdessen auf ihre eigenen Worte hören und sich daran erinnern, dass es in Großbritannien keine Rolle spielt, wo man geboren wurde“. Zum Erfolg der britischen Wirtschaft habe in der Vergangenheit wesentlich beigetragen, dass man die besten Arbeitskräfte aus aller Welt anlocken konnte.

Den Satz, dass Großbritannien ein Land werden soll, das „für jedermann funktioniert“, wiederholte May am Mittwoch viermal in ihrer Rede – doch bei vielen ist eine andere Nachricht angekommen.

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