Arbeitszeiten So arbeitet die Welt

Deutschland diskutiert über flexiblere Arbeitszeiten und neue Arbeitszeitmodelle. Doch wie sieht es in anderen Ländern aus? Wie viel und wie arbeiten die Menschen dort? Unsere Korrespondenten berichten.

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Sind die Arbeitszeitmodelle in Deutschland flexibel genug? Deutschland diskutiert. Quelle: dpa

Düsseldorf/London/Paris/Rom/Stockholm/Tokio Es ist dieses eine Zitat, das in Deutschland gerade für Unruhe sorgt: „Es sollte zum Beispiel möglich sein, auch einmal über zehn Stunden hinaus zu arbeiten und den Ausgleich hierfür an anderen Tagen zu nehmen“, sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer.

Ihm ist das deutsche System zu starr. Mehr Flexibilität soll her. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hält dagegen: Flexibleren Arbeitszeiten könne es nur geben, wenn es im Gegenzug mehr Sicherheit für die Beschäftigten gebe. „Wenn Unternehmen Flexibilität einfordern, müssen sie diese auch möglich machen. Wir müssen weg von der reinen Anwesenheits-Kultur, hin zu mehr Homeoffice und anderen flexiblen Möglichkeiten kommen“, sagte sie.

Viele Menschen in Deutschland arbeiten längst jenseits des immer gleichen Vollzeitjobs von neun bis fünf. Das Recht auf Teilzeit ist auch gesetzlich verankert. Doch andere Arbeitszeitmodelle wie Zeitkonten, Jahresarbeitszeitkonten oder Homeoffice sind keinesfalls Standard.

In Deutschland dürfen Arbeitnehmer laut Gesetz maximal acht Stunden täglich arbeiten, in Ausnahmefällen bis zu zehn Stunden – aber auch nur dann, wenn wenn in sechs Monaten die durchschnittliche Tagesarbeitszeit nicht über acht Stunden liegt.

1.656,5 Stunden arbeiteten die Deutschen 2015, im Schnitt 41,5 Stunden pro Woche, damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich zwar im Durchschnitt, doch im weltweiten Vergleich nur darunter. Mexiko, Südkorea Griechenland oder Polen arbeiten weitaus mehr. Laut Gesetzt stehen den Deutschen 24 Urlaubstage zu, doch meistens haben Arbeitnehmer wegen bestehender Tarifverträge 30 Tage Urlaub oder mehr. Im Vergleich: In China sind es laut Statista per Gesetz nur 5, in Russland 22, genauso wie in Spanien. Die Frauenerwerbsquote liegt bei 72 Prozent, aber viele Frauen arbeiten in Nebenjobs oder in Teilzeit.

Doch wie sieht es in anderen Ländern aus? Wie viel und wie arbeiten die Menschen dort. Unserer Korrespondenten berichten.


Japan: „Ich würde damit meinen Kollegen zur Last fallen“

Japan hat die Kunst kultiviert, Theorie und Praxis aneinander vorbeileiten zu lassen. Besonders im Arbeitsmarkt. In Japan wird seit längerem diskutiert, wie sich die Arbeitszeiten familienfreundlicher gestalten lassen können. Und oberflächlich hat sich auch einiges getan.

Die Regelarbeitszeit beträgt 40 Stunden pro Woche. Es gibt alle möglichen Formen der Gleit- und Teilzeit. Zudem ist die vertraglich festgelegte jährliche Arbeitszeit laut einer Statistik des Instituts für Arbeitspolitik von 1946 Stunden im Jahr 1.980 auf 1.634 Stunden im Jahr 2014 gesunken. Dazu addieren sich 154 Überstunden.

Aber nach einer amtlichen Statistik arbeiten rund 22 Prozent der Arbeitskräfte mehr als 49 Stunden pro Woche. Und gewerkschaftliche Umfragen legen nahe, dass die Überstunden in vielen Fällen nicht einmal bezahlt werden.

Auch bei Urlaub klaffen Papierform und Realität weit auseinander. Nach einer Statistik des Instituts standen japanischen Arbeitnehmern 2014 im Schnitt 18,4 Werktage bezahlter Urlaub zu. Dazu addieren sich noch 15 nationale Feiertage, von denen alle, die auf ein Wochenende fallen, in der Woche nachgeholt werden. Aber tatsächlich nahmen die Arbeitnehmer nur 8,8 Tage wahr.

Die Japaner schöpfen ihren Anspruch nur zur Hälfte aus. Kaum jemand nimmt zwei oder drei Wochen am Stück eine Auszeit. „Ich würde damit meinen Kollegen zur Last fallen“, begründet eine Angestellte einer Chemiefirma die Zurückhaltung.

Elternzeit gibt es auch, aber de facto nur für Mitarbeiter größerer Firmen. Sie läuft in der Regel vom Ende des Mutterschutzes bis zum ersten Geburtstag des Kindes. Doch das Männer diese Möglichkeiten wählen, ist die absolute Ausnahme. Denn es ist oft ein herber finanzieller Verlust.

So werden zwar zwei Drittel des Grundgehalts weitergezahlt. Aber in dem sind die Boni, die in vielen Firmen drei bis sechs Monatsgehälter ausmachen, nicht einbegriffen, so dass der reale Lohnverlust deutlich höher ist. Martin Koelling, Tokio


Großbritannien: Die U-Bahn und die veränderten Arbeitszeiten

Geht es um die Veränderung der Arbeitszeiten für britische Arbeitnehmer, dann ziehen Fachleute zuletzt gerne vor allem eine Statistik heran: die Anzahl der U-Bahn-Nutzer in London zu bestimmten Zeiten. Und diese belegen vor allem eins: Arbeitszeiten sind in den vergangenen Jahren auf der Insel deutlich flexibler geworden und der Anteil der Selbstständigen hat zugelegt, die mit weniger Einschränkungen entscheiden können, was sie morgens mit der Arbeit loslegen und wann sie Schluss machen.

Das zeigt die Anzahl der Briten, die außerhalb der traditionellen verkehrsreichen Zeiten mit der U-Bahn zur Arbeit pendeln. Waren 2003 die meisten Pendler noch zwischen 7.30 und 9 Uhr zur Arbeit unterwegs, ist deren Hauptverkehrszeit jetzt länger. Sie beginnt bereits vor 7 Uhr und geht bis kurz nach 10 Uhr. Noch stärker haben sich die Stoßzeiten nach Feierabend ausgedehnt, wie Zahlen der Londoner Verkehrsbetriebe deutlich machen. Waren die meisten Arbeitnehmer 2003 noch zwischen 17 und 18.30 Uhr auf dem Weg nach Hause, beginnt dieses Zeitfenster jetzt bereits vor 16 Uhr und endet nach 19 Uhr.

Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit für Vollzeit-Beschäftigte ist in dieser Zeit leicht gestiegen. Sie liegt nach Zahlen der Statistikbehörde ONS Ende 2003 bei 37,2 Stunden die Woche und Ende 2015 bei bei 37,6 Stunden in der Woche. Je nach Branche und Beruf sind allerdings auch deutlich längere Arbeitszeiten üblich von mehr als 40 Wochenstunden – etwa in der Landwirtschaft, im Transportgewerbe sowie in Top-Positionen in der Wirtschaft. Britische Arbeitnehmer kommen zudem auf deutlich längere Arbeitszeiten, wenn man etwa unbezahlte Überstunden berücksichtigt.

In diese Richtung geht auch eine in dieser Woche veröffentlichte Studie der Denkfabrik Smith Institute: In einer Umfrage haben zwei Drittel der Briten angegeben, dass sie länger arbeiten als noch vor zwei Jahren, aber nur ein Bruchteil geht davon aus, dass damit auch eine Produktivitätssteigerung einherging. Die meisten meinen, das Gegenteil sei der Fall. Das belegen auch andere Statistiken, die damit die Sorge befördern, dass Großbritannien auf billige Arbeitskräfte mit langen Arbeitszeiten angewiesen ist, um die Wirtschaftsleistung zu steigern.

Eine andere Veränderung britische Arbeitnehmer hat nicht ganz den erhofften Effekt gebracht: So können Beschäftigte auf der Insel seit April vergangenen Jahres eine großzügigere Elternzeitregelung nutzen. Bis zu 50 Wochen stehen ihnen zu, die sich Mütter und Väter aufteilen können. Bis zu 37 Wochen werden bezahlt. Wenn beide Elternteile sich um den Nachwuchs kümmern, gibt es staatliche Unterstützung. Zuvor konzentrierte sich die Elternzeitregelung auf Mütter. Väter hatten nur ein Anrecht auf zwei Wochen.

Nach Schätzungen von Experten haben bisher aber nur etwa 0,5 bis zwei Prozent der Väter, die diese neuen Vorgaben nutzen können, auch davon Gebrauch gemacht. Die Regierung hatte mit zwei bis acht Prozent gerechnet.
Katharina Slodczyk, London


Skandinavien: Arbeitszeit sinkt, Umsatz steigt

Nichts ist unmöglich: Eine Toyota-Werkstatt in Göteborg hat es allen vorgemacht. Dort wurde bereits Anfang dieses Jahrtausends der Sechs-Stunden-Tag eingeführt. Statt der bislang achtstündigen Öffnungszeit, bietet der Händler nun einen zwölfstündigen Service für seine Kunden. Die Mitarbeiter arbeiten in zwei Schichten, eine von sechs bis zwölf, die zweite von zwölf bis 18 Uhr. Die Arbeitszeit wurde also um zwei Stunden gesenkt, der Umsatz dagegen stieg. Eine „Win-Win-Situation“, wie der Toyota-Händler sagt. Die Werkstatt ist nur ein Beispiel aus dem hohen Norden für verschiedene Arbeitszeitmodelle.

Mehrere Städte, darunter Göteborg und Stockholm, haben in den vergangenen Jahren den Sechs-Stunden-Tag getestet. In Krankenhäusern, Altenheimen und Kindertagesstätten wurde die Arbeitszeit um zwei Stunden gekürzt, um die Jobs attraktiver zu machen. Allerdings konnten nicht alle Versuche weitergeführt werden, da die Politik die dafür nötigen zusätzlichen Mittel nicht länger zur Verfügung stellten.

Der Sechs-Stunden-Tag gehört in allen nordeuropäischen Ländern weiterhin zur Ausnahme, doch in Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden wird immer wieder einmal mit kürzeren Arbeitszeiten experimentiert. Allerdings fehlt oftmals das Geld, um die Modelle langfristig zu etablieren. Wissenschaftler sind sich dagegen einig, dass in gewissen Berufen ein kürzerer Arbeitstag zu höherer Zufriedenheit und weniger Krankschreibungen führt.

Deutlich erfolgreicher ist dagegen das Arbeiten von zuhause. Viele Unternehmen in Nordeuropa bieten eine Homeoffice-Möglichkeit an. Auch Behörden ermöglichen ihren Mitarbeitern, von zuhause aus zu arbeiten. Nach einer im vergangenen Jahr von der Gewerkschaft Union durchgeführten Untersuchung arbeiten zu gewissen Zeiten vier von zehn Staatsdienern von zuhause aus. Psychologen wie Ann Bergman von der Universität in Karlstadt warnen allerdings davor, dass die Homeoffice-Möglichkeit zu größerem Stress führen kann. Es bestehe die Gefahr, dass das Arbeitsleben den Familienalltag immer stärker beeinflusst.

Die Frauenerwerbsquote zählt in Nordeuropa zu den höchsten in der EU. In Schweden liegt die Beschäftigungsquote bei Frauen bei mehr als 73 Prozent. Da in den meisten Familien beide Elternteile arbeiten, sind flexible Arbeitszeit- und Urlaubsmodelle notwendig, um Arbeit und Familie vereinbaren zu können. Während der Elternzeit, die in Schweden insgesamt 16 Monate beträgt, zahlt der Staat bis zu 80 Prozent des Gehalts weiter. Während dieser Zeit darf die Mutter oder der Vater nicht arbeiten.

Helmut Steuer, Stockholm


Frankreich: Die berühmte 35-Stunden-Woche ist durchlöchert

Die französische 35-Stunden-Woche hat weltweit Berühmtheit erlangt. Sie gilt noch heute, 16 Jahre nach ihrer offiziellen Einführung. In der Wirklichkeit der Unternehmen ist sie jedoch bereits seit langem durchlöchert und gelockert. Laut Gesetz sind 35 die reguläre Arbeitszeit. Daneben gibt es weitere Bestimmungen über die maximale Arbeitszeit. Pro Woche dürfen nicht mehr als 48 Stunden gearbeitet werden. Unter „besonderen Umständen“ und mit einer Ausnahmegenehmigung der Arbeitsinspektion dürfen es auch 60 Stunden sein. Im einem Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Wochen aber darf ein Schnitt von 44 Stunden nicht überschritten werden.

Diese unterschiedlichen Regeln ermöglichen eine Vielzahl von unterschiedlichen Modellen. Ein Unternehmen kann sich stur an die 35-Stunden-Woche halten. Es kann aber auch mit seinen Gewerkschaften, die die Mehrheit der Beschäftigten repräsentieren müssen, eine Abweichung vereinbaren. Dafür gelten dann die oben genannten Schranken: Bis zu 48 Stunden oder mit besonderer Genehmigung auch bis zu 60 Stunden, in jedem Quartal muss man aber den Höchstwert von 44 Stunden einhalten.

Im Jahresmittel muss die 35-Stunden-Woche respektiert werden, durch die Vergabe von Ausgleichstagen. Manche französische Arbeitnehmer kommen dadurch auf acht bis neun Wochen Jahresurlaub, der Schnitt sind vier Wochen. Auch das ist aber wieder nur der Regelfall. Wenn die Arbeitnehmer mitspielen, fällt die Ausgleichszeit unter den Tisch und es werden lediglich Überstundenzuschläge gezahlt. Die waren unter Nicolas Sarkozy sogar steuerfrei, sein sozialistischer Nachfolger François Hollande schaffte diese Vergünstigung ab – sehr zum Ärger der Gewerkschaften. Mit der neuen Arbeitsmarktreform, die in der kommenden Woche ins Parlament kommt, sollen Abweichungen von der 35-Stunden-Woche weiter erleichtert werden. Abzuwarten bleibt, was am Ende der Debatte tatsächlich noch im Gesetz steht.

Teilzeitarbeit ist weniger verbreitet als in Deutschland. Das liegt sicher auch daran, dass es in Frankreich leichter ist, Familie und Beruf zu vereinbaren. Dabei ist die Kinderbetreuung nicht einmal besser als bei uns: Viele Familien müssen sich mit einer privaten Lösung wie einer Tagesmutter behelfen. Doch allgemein ist es akzeptiert, dass Frauen mit Kindern rasch wieder arbeiten. Nicht selten findet man in Frankreich Frauen in Führungspositionen, die drei oder vier Kinder haben. Dumme Sprüche über „Rabenmütter“ muss sich in Frankreich keine Frau anhören.

Hinter der raschen Rückkehr in den Beruf steckt in manchen Fällen allerdings auch ein erheblicher Druck seitens der Unternehmen: Die wollen nicht lange auf ihre qualifizierten weiblichen Mitarbeiter verzichten und verlangen, dass diese schon wenige Monate nach der Geburt wieder am Arbeitsplatz auftauchen.

Thomas Hanke, Paris


Italien: Rückständiger als der Norden

Es tut sich was in Italien. Das Land mit der Rekordzahl an arbeitslosen Jugendlichen, Schlusslicht in Europa in puncto Kinderbetreuung und Krippenplätze, wo das Wort Vaterurlaub ein Fremdwort ist, holt langsam auf bei neuen Arbeitszeitmodellen. Noch sind es allerdings große Unternehmen und Banken, die ihren Angestellten Flexibilität anbieten, aber das Phänomen verbreitet sich langsam.

Unicredit und Barilla sind federführend. Bei der größten Bank Italien mit Sitz in Mailand wurde das „smart working“ im Juni 2014 eingeführt. Zwei Stockwerke im Hochhaus an der Piazza Gae Aulenti sind komplett als Zukunftsbüros eingerichtet: Jeder hat ein Schließfach für Computer und anderes und sucht sich einen Arbeitsplatz, zusammen mit Kollegen seines Teams, wenn er dort zu tun hat und nicht unterwegs ist oder von zu Hause oder in einem der Hubs arbeitet, die näher an seiner Wohnung sind. 130.000 Kilometer Fahrzeit und 45 Stunden am Steuer pro Person wurden so gespart. In der Zentrale wurde die Quadratmeterzahl pro Person von 15 auf elf verkleinert, dafür gibt es mehr Konferenzflächen und Rückzugsorte für Telefonate. Bis Jahresende sollen 4.000 Bankangestellte so arbeiten.

Und in Parma, beim Pasta-Produzenten Barilla, nehmen bereits 1.600 Angestellte das Angebot zum Homeoffice wahr. Ab 2020, so der Plan des Unternehmens, sollen alle 8.000 Mitarbeiter einbezogen werden. Die neue Arbeitswelt wird an der Technischen Universität von Mailand beobachtet. „2015 haben 17 Prozent der italienischen Unternehmen Smart-Working-Projekte aufgelegt, das war fast doppelt so viel wie die acht Prozent von 2014”, so Fiorella Crespi vom „Osservatorio Smart working” der Universität.

Doch trotz Homeoffice, Gleitzeit und Flexibilität ist generell in Italien die Arbeitswelt rückständiger als im Norden. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt wir in den meisten EU-Staaten 40 Stunden, die gesetzliche Höchstgrenze liegt bei 48 Stunden. Urlaubslänge ist in Italien laut Gesetz vier Wochen. Das gilt aber nur für die Tarifverträge. Und in der Praxis arbeiten die angestellten Italiener bis in den Abend und oft samstags. Der Arbeitsmarkt ist weiterhin gespalten in geschützte, unbefristete Arbeitsplätze einerseits und prekäre Jobs. Die Arbeitsmarkt-Reform des Premiers Matteo Renzi von 2014 galt vor allem einer Lockerung des Kündigungsschutzes.

Die Bedingungen für Mutterschaftsurlaub und Elternzeit sollen verbessert werden, aber das Parlament und die Öffentlichkeit diskutieren im Moment lieber über gleichgeschlechtliche Partnerschaften und das Recht für diese, ein Kind zu adoptieren. Der Mutterschutz beträgt in Italien fünf Monate, zwei Monate vor und drei Monate nach der Entbindung. Das Tagesgeld in der Zeit beträgt 80 Prozent des letzten Einkommens. Vaterurlaub gibt es nicht.

Regina Krieger, Rom


Österreich: rigide Arbeitszeitpolitik

Österreich verfolgt grundsätzlich eine rigide Arbeitszeitpolitik. Als Normalarbeitszeit gelten 40 Stunden die Woche. Doch in einer Reihe von Branchen wie Automobil wird heute 38,5 Stunden wöchentlich gearbeitet. Zudem gibt es zahlreiche Ausnahmen, die in der Praxis zu einer hohen Flexibilität führen. So kann die Normalarbeitszeit auch auf neun Stunden täglich ausgedehnt werden, wenn beispielsweise dadurch das Wochenende durch einen freien Nachmittag frei ist. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Arbeitszeit auch über den wöchentlich 40 Stunden betragen. Pausen werden in Österreich grundsätzlich nicht als Arbeitszeit gerechnet. Sie gelten als Freizeit. In der Wirtschaft kommt das bisherige Modell nicht gut an. „Das derzeitige österreichische Arbeitszeitrecht ist unübersichtlich und sehr restriktiv. Die Rahmenbedingungen entsprechen vielfach nicht den Notwendigkeiten einer modernen Arbeitswelt“, kritisiert die österreichische Industriellenvereinigung. Die Wirtschaft kritisiert die bürokratischen Regeln. Die Unternehmen fordern daher mehr Ausnahmen für selbstbestimmte Mitarbeiter und praktikable Höchstarbeitszeitgrenzen.

Das Arbeiten von zuhause aus, ist in der Alpenrepublik kein großes Thema. Selbst die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Homeoffice, wie ihn die Niederlande als erstes Land der Welt eingeführt hatte, löste in Österreich keine politische Diskussion aus. Wer in Österreich in den eigenen vier Wänden für seine Firma aktiv werden möchte, braucht die ausdrückliche Zustimmung seines Arbeitgebers. Es gibt nur wenige Unternehmen, wie beispielsweise Microsoft, die Heimarbeit aktiv unterstützen. „Es gibt bei uns keine große Kultur des Homeoffice“, sagt ein Experte in Wien.
Populär sind zwischen Bregenz und Wien hingegen Gleitzeitmodelle populär, die in einer gesonderten Betriebsvereinbarung festgelegt werden. Dabei können Arbeitnehmer bis zu zehn Stunden arbeiten und so ein Zeitguthaben aufbauen. Als Gleitzeit gilt in Österreich jedoch nur die Zeit zwischen sieben und 19 Uhr.

Die rot-schwarze Regierung in Wien legt großen Wert darauf, dass junge Paare Beruf und Elternschaft vereinbaren können. Deshalb wurden erst 2016 das Mutterschutzgesetz und das Väterkarenzgesetz novelliert. In der Wirtschaft gab es auch Kritik. „Unser Ziel ist, Müttern einen früheren Wiedereinstieg zu ermöglichen, daher sehen wir die maximale Bezugsdauer von 35 Monaten skeptisch. Wir hätten eine Anpassung an den gesetzlichen Kündigungsschutz von 24 Monaten als sinnvoller erachtet“, rügt Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung. Bereits seit dem Jahr 2002 gibt es ein Kinderbetreuungsgeld über 30 Monate und sechs Monate für den zweiten Partner. Da jedoch lange Berufsunterbrechungen die Karrierechancen senken, wählen rund zwei Drittel der Frauen ein kürzeres Modell, das 2008 eingeführt wurde. Die bisherige Regelung reicht aber der österreichischen Arbeiterkammer aber nicht aus. Die Interessensvertretung der Arbeitsnehmer fordert ein Recht auf ein bezahltes Monat für den Vater und ein Ende der finanziellen Benachteiligung von Eltern, die sich für eine kurze Kinderbetreuungszeit entscheiden haben.

Die Österreicher haben weniger Urlaub als ihre deutschen Nachbarn. Die jährliche Urlaubszeit für Arbeitnehmer beträgt 25 Tage. Erst ab dem 26. Arbeitsjahr gibt es eine weitere Woche hinzu. Im Vergleich aber zu einigen überwiegend protestantischen Bundesländern in Deutschland gibt es im katholischen Österreich mehr Feiertage, so dass der Nachteil aufgehoben wird. Insgesamt kommen die Arbeitsnehmer im Alpenland auf 38 freie Tage.

Hans-Peter Siebenhaar, Wien


Niederlande: Rechtsanspruch auf Homeoffice

Die Niederlande sind Europameister der Teilzeitjobs. In keinem anderen europäischen Land arbeiten so viele Menschen in Teilzeit wie in dem kleinen Königreich. In den Neunziger Jahren verabschiedeten die Niederländer ein Gesetz, das Angestellten die Reduzierung ihrer Arbeitszeit erleichtern sollte. Arbeitgeber sind zudem verpflichtet, Teilzeit- und Vollzeitarbeitskräfte gleichberechtigt zu behandeln, und Arbeitnehmer haben einen Rechtsanspruch auf Home-Office.

Doch wird das Teilzeitmodell wie hierzulande überwiegend von Frauen wahrgenommen. Deren durchschnittliche Wochenarbeitszeit betrug im Jahr 2014 24,5 Stunden, die von Männern hingegen 34,9. Damit sind die Niederlande das EU-Land, in denen Frauen am wenigsten arbeiten. Berücksichtigt man bei der Berechnung nur die Vollzeitarbeitskräfte liegt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Niederländer bei 40,9 Stunden – nahe am EU-Durchschnitt, der bei 41,5 Stunden liegt.

25,6 bezahlte Urlaubstage stehen den Niederländern durchschnittlich zu, sofern sie nach Tarifvertrag angestellt sind. Damit bilden die Niederländer das Schlusslicht bei den alten EU-Staaten. Verglichen mit allen EU-Staaten erhalten sie jedoch etwas mehr bezahlten Urlaub als der EU-Schnitt.

Eva Fischer, Düsseldorf

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