Aung San Suu Kyi Myanmars Heldin in der Kritik

Jahrzehntelang wurde Aung San Suu Kyi für ihren Kampf gegen Myanmars Militärjunta verehrt wie eine Heilige. Seit 65 000 Muslime aus dem Land geflohen sind, leidet das Bild der Friedensnobelpreisträgerin.

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Aung San Suu Kyi steht im Verdacht, Gräueltaten der Armee im eigenen Land zu decken. Andere Nobelpreisträger sprechen von ethnischen Säuberungen in Myanmar, die von Suu Kyi autorisiert würden. Quelle: Reuters

Rangun Was dieser Tage in Myanmar geschieht, erinnert an ein schlechtes Drehbuch: Eine Friedensnobelpreisträgerin, die jahrzehntelang gegen die Militärdiktatur kämpfte, deckt nun Gräueltaten der Armee. Für die noch junge Regierung von Aung San Suu Kyi ist die Krise, die sich im Westen des südostasiatischen Landes an der Grenze zu Bangladesch abspielt, die größte Herausforderung bislang. Und der Ruf der „Lady“ leidet inzwischen sehr.

Nachdem Anfang Oktober neun Grenzschutzpolizisten getötet worden waren, begann die Armee eine monatelange Razzia. Menschenrechtsgruppen sehen die Aktion längst außer Kontrolle. Den Soldaten werden Brandstiftung, Vergewaltigung und Mord vorgeworfen. Der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zufolge sind schon mehr als 65 000 Angehörige der muslimischen Minderheit der Rohingyas nach Bangladesch geflohen.

Obwohl sie seit Generationen in Myanmar zuhause sind, wird den meisten Rohingyas dort die Staatsbürgerschaft verweigert. Viele haben deshalb nur beschränkten Zugang zu Bildung, Arbeit und medizinischer Versorgung. Die UN spricht von einer der am meisten verfolgten Minderheiten der Welt. Heute leben Buddhisten und Muslime im westlichen Bundesstaat Rakhine überwiegend getrennt voneinander, die Rohingyas oft unter miserablen Bedingungen in Camps.

Schon vor der aktuellen Krise wurde Suu Kyi – die als Staatsrätin und Außenministerin die Geschicke Myanmars lenkt, weil sie verfassungsgemäß nicht Präsidentin sein darf – dafür kritisiert, sich nicht für die Rohingyas einzusetzen. Ihr Lager führt die Regierungsgeschäfte seit April vergangenen Jahres. Seither sind im ganzen Land Kämpfe zwischen Militär und ethnischen Gruppen wieder aufgeflammt. Investoren sind enttäuscht vom schleppenden Gang der wirtschaftlichen Öffnung. Und immer noch gelten repressive Gesetze aus der Junta-Zeit.

Viele halten die Krise in Rakhine jedoch für die größte Belastungsprobe für die De-facto-Staatschefin. Im Dezember wurde die 71-Jährige von 13 anderen Nobelpreisträgern dafür getadelt. In einem Offenen Brief an den UN-Sicherheitsrat kritisierten sie, die Ereignisse in Rakhine grenzten an „ethnische Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Wochenlang blockte das Militär in der Konfliktzone internationale Hilfslieferungen ab.

Die Regierung weist jedoch alle Vorwürfe zurück, dass Soldaten dort massiv gegen Menschenrechte verstießen. Stattdessen beschuldigte Suu Kyis Ministerium die Rohingyas, ihre Häuser selbst anzuzünden, um internationale Aufmerksamkeit zu erregen. Der ausländischen Presse hält man vor, Falschmeldungen zu verbreiten.

„Es ist grausig, wie Suu Kyi diese Krise managt“, sagt David Mathieson, ein in Rangun ansässiger Myanmar-Experte. Einen Großteil der Kritik hält er aber für unfair. „Es sieht inzwischen ja fast schon so aus, als hätte sie und nicht das Militär das ganze Chaos angerichtet.“ Andere verweisen darauf, dass die neue Regierung verfassungsgemäß nur wenig Macht habe. Noch immer kontrolliert das Militär ein Viertel des Parlaments sowie die Ministerien für Verteidigung, Inneres und Grenzfragen.

In Myanmar sind die meisten dagegen, den Rohingyas die Staatsbürgerschaft zu geben. Die Muslime gelten als illegale Einwanderer aus Bangladesch. Die 34-jährige Khin Thet Maw aus Rangun, der größten Stadt des Landes, kann nicht verstehen, wieso Suu Kyi vom Ausland so sehr kritisiert wird. „Mutter Suu führt unser Land“, sagt sie. „Es ist wie in einer Familie. Alle Mitglieder sollten dem Oberhaupt folgen.“

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