Aus der weiten Welt

Brasilien: Das Ende der Wachstumsstory?

Klaus Methfessel Ehem. Leiter der Georg-von-Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten und ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Global

Brasilien erlebt derzeit den stärksten Wachstumseinbruch aller Bric-Staaten. Das Land ist immer noch stärker von Rohstoffen abhängig als viele Experten glaubten – und tut zu wenig, um das zu ändern.

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Flugzeugbau bei Embraer Quelle: dpa/dpaweb

Langsamer Walzer statt Samba: Im ersten Quartal wuchs die brasilianische Wirtschaft nur um 0,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr – weniger als selbst die schlimmsten Pessimisten vorhergesagt hatten. Die Investitionen schrumpften sogar um 2,1 Prozent. Besserung ist nicht in Sicht. Der Einkaufsmanagerindex fiel jüngst für die Industrie wie auch den Dienstleistungssektor unter die kritische Marke von 50, die eine Kontraktion signalisiert.

Die Volkswirte der HSBC revidierten daraufhin kürzlich ihre Brasilien-Prognose für das Gesamtjahr 2012 von 3,7 auf 2,5 Prozent – und sind damit immer noch optimistisch. Denn dies impliziert, dass die Konjunktur des Schwellenlandes schon bald wieder an zieht.

Der Hoffnungsträger enttäuscht

„Brasilien ist die große Enttäuschung“, konzedieren die HSBC-Ökonomen. Selbst wenn die Wirtschaft in diesem Jahr noch um 2,5 Prozent wachsen sollte, so ist das nur noch ein Drittel so viel wie 2010. Damit ist der Wachstumseinbruch in Brasilien, der nun schon das zweite Jahr in Folge anhält, der stärkste unter den Bric-Staaten. Schon 2011 hatte das größte Land Südamerikas mit 2,7 Prozent hier die Rote Laterne.

Schlusslicht Brasilien

Reales Wirtschaftswachstum der Bric-Staaten

 

2010

2011

2012

Brasilien

7,5 %

2,7 %

2,5 %

Russland

4,3 %

4,3 %

3,0 %

China

10,4 %

9,2 %

8,4 %

Indien

8,2 %

7,5 %

5,9 %

Quelle: HSBC

Was ist bloß los mit Brasilien? Vor kurzem noch feierte alle Welt das Land als neue Wirtschaftssupermacht. Die meisten Ökonomen prognostizierten für Brasilien ein Wirtschaftswachstum von fünf Prozent jährlich bis 2020. 30 Millionen Einwohner sind in den vergangenen Jahren in die Mittelklasse aufgestiegen, der Konsum wuchs zwischen vier und sieben Prozent jährlich.

„Der Eindruck, Brasilien sei eine reine Rohstoffökonomie, ist falsch“, schreibt WirtschaftsWoche-Korrespondent Alexander Busch in seinem Buch „Wirtschaftsmacht Brasilien“. Das ist sicher richtig. Denn in der Tat hat Brasilien im vergangenen Jahrzehnt große wirtschaftliche Fortschritte erzielt. So hat es eine ganze Reihe international wettbewerbsfähiger Konzerne hervorgebracht wie den Flugzeugbauer Embraer oder der Brauerrei-Riese InBev, die auch die Märkte im Ausland aufrollen.

Erfolge verbuchte das Land vor allem auch bei seinen Finanzen. Nach Jahrzehnten unverantwortlicher Schuldenpolitik und Hyperinflation betreibt die Regierung in Brasilia nun eine solide Finanz- und Geldpolitik. Das Haushaltsdefizit und die staatliche Verschuldung sind verglichen mit den problematischen Eurostaaten marginal. Mit Devisenreserven in Höhe von 370 Milliarden Dollar, davon allein 170 Milliarden in den vergangenen vier Jahren, scheint Brasilien gewappnet für eine führende Rolle unter den Schwellenländern, die das Schicksal der Weltwirtschaft in den nächsten Jahrzehnten dominieren werden.

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