Aus der weiten Welt

Mehr Mist, weniger Bric?

Klaus Methfessel Ehem. Leiter der Georg-von-Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten und ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Global

Sind sie die neuen Wachstumsmotoren? Oder ist es nur ein Marketinggeck, um neue Investorengelder anzulocken? Statt auf die Bric-Staaten setzt Goldman Sachs jetzt auf vier Mist-Länder. Prüfen wir doch mal, welche Länder wirklich die größten Chancen versprechen.

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Premierminister Singh (links): Politische Paralyse und Korruption führen dazu, dass Indien sein Potenzial nicht erschließt Quelle: REUTERS

Vor elf Jahren schuf Goldman Sachs-Chefvolkswirt Jim O’Neill mit dem Akronym BRIC (für Brasilien, Russland, Indien und China) einen griffigen Sammelbegriff  für die vier größten Schwellenländer, die seiner Ansicht nach die globale Wirtschaft bis zum Jahr 2050 mehr und mehr dominieren und in die sich Investments rentieren würden.

Damit hatte er Erfolg – im hauseigenen Bric-Fonds sammelte Goldman Sachs 410 Millionen US-Dollar. Auch andere Banken und Vermögensverwalter sprangen auf den Bric-Zug auf: Zwischen 2001 und 2010 legten sie insgesamt 67 Milliarden Dollar in Bric-Fonds an.

Nicht zufällig spiegelte sich der Bric-Vormarsch auch in der internationalen Politik wieder. G8-Weltwirtschaftsgipfel sind seit 2009 nur noch Randereignisse, als die alten Weltwirtschaftsmächte allein nicht die Kraft zur Lösung der Finanzkrise hatten. Die globalen Entscheidungen finden jetzt im Rahmen der G 20 statt, wo die Schwellenländer, angeführt von China, Brasilien und Indien, eine entscheidende Rolle spielen.

Vor allem Brasilien und Indien enttäuschen

Doch  schon im vergangenen Jahr zogen die Geldanleger 15 Milliarden Dollar aus den Bric-Fonds ab. Der Grund: Die Bric-Länder zeigen Schwäche. Auch Jim O’Neill, inzwischen zum Chairman von Goldman Sachs Asset Management aufgerückt, sieht sich von seinen einstigen Stars „enttäuscht“. Sie bringen derzeit nicht das, was er sich und seinen Anlegern von ihnen versprochen hat.

Brasiliens Wirtschaftsboom etwa knickte schon im vergangenen Jahr ein und stagniert in diesem Jahr nahezu. Dabei hatte Goldman Sachs im nächsten Jahrzehnt für das größte Land Lateinamerikas ein durchschnittliches Wachstum von mehr als fünf  Prozent jährlich vorhergesagt. Und das,  obwohl es schon im vergangenen Jahrzehnt lediglich 3,3 Prozent im Jahresschnitt erreicht hatte. „Damit Brasilien unsere Erwartungen erfüllt, muss es sein Wachstum beschleunigen“, fordert O’Neill.

„Am meisten enttäuscht“ aber fühlt sich der Goldman Sachs-Mann von der aktuellen Wirtschaftsentwicklung Indiens. Nicht zuletzt, weil der Subkontinent seiner Ansicht nach „das langfristig höchste Wachstumspotenzial der vier Länder“ hat, nun aber schwächelt. Allein Russland und China sieht O‘Neill noch in der Spur. Russland überraschte ihn sogar positiv mit einem Wachstum von 4,9 Prozent im ersten Quartal dieses Jahres. Und China sieht er im sanften Gleitflug auf den für das nächste Jahrzehnt prognostizierten Wachstumspfad zwischen 7,5 und 8,0 Prozent. Zweistellige Zuwachsraten aber sind auch hier passé.

Mist - die neuen Hoffnungsträger

Das Ende des Wachstums
Brasilien: Schwache Strukturen bremsen das große PotenzialDie größte Volkswirtschaft Lateinamerikas will nicht mehr so recht anlaufen. Wuchs sie 2010 noch um über sieben Prozent, hat sie seitdem nicht einmal mehr drei Prozent erreicht. Der IWF korrigierte seine aktuelle Prognose sogar noch nach unten. Unter den Schwellenländern wurde die Prognose für Brasilien am stärksten gekürzt. Hier sieht der IWF im laufenden Jahr ein Wachstum von 0,3 Prozent und im nächsten Jahr von 1,4 Prozent. Im Juli rechnete der IWF noch mit 1,3 Prozent und zwei Prozent Plus. Langfristig sehen mehrere Studien nach wie vor ein großes Wachstumspotenzial für Brasilien. Das liegt vor allem an dem Rohstoffreichtum des Landes, der gut funktionierenden Landwirtschaft und der großen und konsumfreudigen Bevölkerung. Kurz- und mittelfristig seien die Aussichten allerdings unsicher. So bemängeln Analysten die hohen Steuern und das komplizierte Steuersystem. Weitere Wachstumshemmnisse sind die marode brasilianische Infrastruktur und die schwerfällige Bürokratie. Hohe Löhne und Finanzierungskosten sowie protektionistische Handelsregeln halten Investoren derzeit auf Abstand. Auch qualifizierte Arbeitskräfte sind Mangelware - die Arbeitsproduktivität in der sechst größten Volkswirtschaft der Welt liegt 30 bis 50 Prozent unter dem europäischen Niveau. Die Arbeitslosenquote ist mit 5,6 Prozent relativ moderat. Brasiliens Präsidentin Dilma Roussef hat nach ihrem knappen Wahlsieg viel zu tun, wenn sie die Potenziale ihrer Volkswirtschaft ausreizen will. Quelle: dapd
„Sollte das Wachstum jetzt geringer ausfallen, wird die Regierung alle Instrumente nutzen, um eine Konjunkturabkühlung zu verhindern“, erwartet José Carlos de Faria, Chefökonom der Deutschen Bank in São Paulo. Unterstützung erhält die Konjunktur dadurch, dass derzeit staatliche und private Infrastrukturprojekte für umgerechnet rund 180 Milliarden Euro bis 2014 umgesetzt werden. Und Brasilien verfügt über Spielraum für weitere Stimulierungen. Die Devisenreserven sind hoch, ausländisches Kapital strömt weiter ins Land, und auch die Notenbank kann die Zinsen noch senken. Doch Wachstumsraten von über sieben Prozent wie 2010 sind außer Sichtweite: Nach einer Umfrage der Zentralbank rechnen die führenden Investmentbanken damit, dass Brasilien 2013 rund vier Prozent wachsen wird. Alexander Busch Quelle: AP
Russland: Die Wirtschaftssanktionen sind nicht Russlands größtes ProblemDer größte Flächenstaat hat sich selbst in eine Krise manövriert. Die politische Machtdemonstration in der Ukraine kostet Russlands Wirtschaft Kraft. Erst im vergangenen Monat hat die US-Ratingagentur Moody's die Kreditwürdigkeit Russlands deswegen von „Baa1“ auf „Baa2“ herabgestuft – damit liegt die Bonität Russlands nur noch knapp über dem Ramschniveau. Auch der Ausblick für die zukünftige Entwicklung ist negativ. Die Sanktionen des Westens belasten die mittelfristigen Wachstumsaussichten. Der IWF geht davon aus, dass die russische Wirtschaft in diesem Jahr um 0,2 Prozent und im nächsten Jahr um 0,5 Prozent wachsen wird. Allerdings sind die Wirtschaftssanktionen nicht das größte Problem Russlands. Der Absturz des Rubels und des Ölpreises machen der Wirtschaft viel mehr zu schaffen. Quelle: picture-alliance/ dpa
Gazprom profitiert zwar von dem Ende des Gasstreits zwischen der Ukraine und Russland – gute Zukunftsaussichten sehen aber anders aus. Der Ölpreis ist aufgrund der nachlassenden Weltkonjunktur von 107 Dollar pro Fass auf 86 Dollar gefallen. Für die vom Öl und von Gas abhängige russische Wirtschaft birgt das große Probleme – Russland generiert rund die Hälfte seiner Einnahmen aus dem Verkauf von Öl und Gas. Die Schwäche des Rubels drückt das Wachstum ebenfalls und kostet Russland monatlich Milliarden. Seit Januar ist der Kurs des Rubels um 20 Prozent gefallen. Das führt dazu, dass die Importe teurer werden. Der Lebensmittelpreis ist beispielsweise im September um zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Quelle: dpa
Indien: Eine Wirtschaft auf ReformkursGemessen an den Bevölkerungszahlen ist Indien die zweitgrößte Wirtschaft der Welt. Auch in Bezug auf das Wirtschaftswachstum war Indien lange Zeit weltspitze. 2010 wuchs die Wirtschaft noch um über zehn Prozent – 2014 sind es vergleichsweise nur noch magere fünf Prozent. Gemessen an den westlichen Industrieländern ist diese Quote allerdings immer noch beeindruckend. Für 2015 erwartet der IWF, dass die indische Wirtschaft wieder stärker anzieht. Ein Wirtschaftswachstum von 6,5 Prozent wird erwartet. Besonders tragen dazu die Bereiche Elektrizität, Gas- und Wasserversorgung sowie Finanzen an. Analysten fühlen sich in ihrer Annahme bestätigt: Sie mutmaßten, dass das zuletzt verhältnismäßig enttäuschende Wirtschaftswachstum auf eine ineffiziente Wirtschaftspolitik zurückzuführen ist. In den letzten beiden Jahren wuchs die indische Wirtschaft um weniger als fünf Prozent. Der neue Premierminister Narenda Modi reformiert das Land. So erneuert er beispielsweise die indischen Arbeitsgesetze, die zum Teil noch aus der Zeit der britischen Kolonialherrschaft stammten, die 1974 endete. Quelle: ap
Problematisch ist für Indien die nach wie vor hohe Abhängigkeit von der Landwirtschaft. Zwar macht sie mittlerweile nur noch 14 Prozent der Wirtschaftsleistung aus, von ihren Erträgen hängt aber immer noch das Wohl von 40 Prozent der Bevölkerung ab. Der Monsunregen, der für die Landwirtschaft existenziell ist, fiel in diesem Jahr nur schwach aus. Ein weiteres Problem ist die Teuerung, die Indien nicht in den Griff zu kriegen scheint. Im Juli lagen die Verbraucherpreise Indiens über acht Prozent über dem Vorjahreswert. Der Notenbankgouverneur Raghuram Rajan hat sich deshalb verpflichtet, den Anstieg der Konsumentenpreise bis 2015 auf unter acht Prozent zu drücken. Quelle: dpa
China: Vom Bauernstaat zur modernen DienstleistungsnationVon 2002 bis 2012 wuchs Chinas Wirtschaft um unfassbare 170 Prozent. Doch die Zeiten des Super-Wachstums scheinen vorerst vorbei zu sein. Im dritten Quartal 2014 ist die chinesische Wirtschaft so langsam gewachsen wie seit 2009 nicht mehr. Der IWF geht aber nach wie vor von Wachstumsraten über sieben Prozent aus. China ist aber nur scheinbar geschwächt. Die Staatsführung will die Wirtschaft neu ausrichten und ist bereit, dafür geringeres Wachstum hinzunehmen. Der Kurs scheint erfolgreich. Alleine in den ersten acht Monaten dieses Jahres wurden in China zehn Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen. Ein moderner Dienstleistungsstaat will China werden. Dienstleistungen trugen im ersten Halbjahr 2014 mit 46 Prozent mehr zum BIP bei als die Industrie. Die Hightech-Industrie legte um 12,4 Prozent zu. Zu den neuen Motoren der chinesischen Wirtschaft zählt auch das Online-Geschäft, das um fast 50 Prozent zulegte. Quelle: dpa

Doch Jim O’Neill trauert nicht lange angesichts der Schwäche seiner Altstars. Er zaubert vier neue aus dem Hut mit dem schönen Akronym MIST: Mexiko, Indonesien, Südkorea und Türkei (alle übrigens auch bei den G20 dabei) sind seine neuen Hoffnungsträger. Die vier machen allein drei Viertel des Next-11 Fonds von Goldman Sachs aus, dessen Wert in diesem Jahr mit 12 Prozent ungefähr viermal so schnell wuchs der Bric-Fonds der Goldmänner.

Aber die Mist-Länderriege leidet unter dem gleichen Nachteil wie die Bric-Gruppe: Sie ist sehr heterogen zusammengesetzt, vom rohstoffreichen Indonesien bis hin zu dem Exportwunder Südkorea, das beim IWF unter den neuindustrialisierten Ländern Asiens geführt wird und längst den Kinderschuhen der Schwellenländern entwachsen ist.

Schon allein angesichts eines Bruttoinlandsprodukts pro Kopf in Höhe von 23 700 Dollar kann dieses Land naturgemäß nicht mehr so schnell wachsen wie Indien, dessen BIP pro Kopf nur ein Sechzehntel so hoch ist. Doch mit solchen strukturellen Merkmalen hält sich O’Neill nicht auf. Dabei lohnt es sich meiner Ansicht nach, die Bric- und Mist-Länder einmal in Bezug auf ihre Risikoanfälligkeit und ihre Wachstumschancen zu vergleichen.   

Risiko autoritäre Systeme…

Langfristig gesehen, das zeigt ein Blick in die Geschichte, dürfte politische Instabilität das größte Risiko sein. Allerdings ist sie auch am schwersten vorhersagbar. Umbrüche und Revolutionen wie zuletzt das Beispiel der arabischen Länder, aber auch das Ende des Ostblocks, kommen meist unvorhergesehen und überraschend. Von solchen Entwicklungen dürften, in unterschiedlichen Ausmaß, vor allem China, Russland, Indien und Südkorea betroffen sein, während Brasilien, Mexiko, Indonesien und die Türkei weniger gefährdet erscheinen.

Am anfälligsten für politische Risiken ist China. Viel wichtiger als die Frage, ob China jetzt eine konjunkturell sanfte Landung hinbekommt, dürfte es nämlich sein, ob das Land einen graduellen Übergang von der KP-Diktatur zu demokratischen gesellschaftlichen Strukturen findet. Wenn nicht, drohen früher oder später Eruptionen. Denn auch wenn autoritäre Länder zeitweilig wirtschaftlich erfolgreicher sein und eine gewisse Zeit lang ihre Bevölkerung dadurch kalmieren können, langfristig ist ein Wohlstand ohne mehr Partizipation undenkbar.

Russlands Fassade

Eine Mine in Brasilien Quelle: REUTERS

Ähnlich gilt das auch für Russland, dessen parlamentarische Fassade den autoritären Kern kaum verhüllen kann. Rechtsstaat ist hier ein Witz. Die rohstoffreiche Wirtschaft liegt weitgehend in den Händen einer mafiaösen, mit Minidiktator Wladimir Putin verwobenen Oligarchie. Die Bevölkerung partizipiert nur teilweise an den Erträgen der Rohstoffexporte. Auf Dauer wird sich die Mittelschicht dies nicht bieten lassen.

… und politische Instabilität

Anders gelagert sind die politischen Risiken in Indien und Korea. Indien feiert sich selbst gern als größte Demokratie der Welt, und in der Tat funktionieren die Regierungswechsel. Doch zeigt sich die nur um sich selbst besorgte politische Elite unfähig, Korruption und Armut zu beseitigen – trotz eines chronisch hochdefizitären Haushalts. Das führt zu ständigen Unruhen, Aufständische haben inzwischen ganze Landstriche dem Gewaltmonopol des Staates entzogen.

Südkorea hat dagegen seit dem Ende der Militärdiktatur große Fortschritte erzielt beim Aufbau von Demokratie und Wirtschaft. Über allem jedoch hängt das völlig unberechenbare Nordkorea wie ein zitterndes Damoklesschwert. Und selbst wenn es zu einer friedlichen Wiedervereinigung kommen sollte wie in Deutschland, dürfte nicht ohne Turbulenzen von statten gehen. Nordkoreas Bevölkerungszahl ist etwa halb so groß wie die des Südens, in Deutschland war das Verhältnis bloß eins zu vier, und trotzdem musste und muss Deutschland enorme Anstrengungen unternehmen, um die Lasten zu tragen.

Risiko Rohstoff-Abhängigkeit…

Das hohe Wachstum und das Aufkommen einer kaufkräftigen Mittelschicht im vergangenen Jahrzehnt beruhten im Fall von Brasilien, Russland und Indonesien vor allem auf dem Rohstoffboom, der durch die lockere Geldpolitik der US-Notenbank und der unersättlichen Nachfrage von China und Indien angetrieben wurde.

Die hohe Exportabhängigkeit vom Rohstoffsektor (Russland 80 Prozent, Brasilien über 60 Prozent) ist jedoch bei fallenden Rohstoffpreisen fatal. Genau das könnte im nächsten Jahrzehnt Realität werden, denn mit der lockeren Geld- und Schuldenpolitik des Westens kann es so nicht mehr lange weitergehen, und die Wachstumsraten flachen weltweit ab.

Gesteckte Ziele sind schwer zu erreichen

Die Börsenstars der BRIC-Länder
PetrobrasSeit 2009 steht der brasilianische Ölkonzern Petróleo Brasileiro an der Spitze der Liste der 500 größten Konzerne Lateinamerikas (nach Umsatz). 2010 setzte das Unternehmen 138,5 Milliarden Dollar um. Entwicklung in zehn Jahren: + 394,2 ProzentDurchschnittliche Rendite pro Jahr: + 17,3 Prozent Quelle: Reuters
Vale S. A.Das brasilianische Bergbauunternehmen Vale wurde 1997 privatisiert. Seitdem können sich die Aktionäre über traumhafte Renditen freuen. Besonders in der Förderung von Eisenerz ist Vale führend. In den vergangenen Jahren ist Vale immer wieder durch Übernahmen gewachsen - unter anderem kaufte das Unternehmen 2006 den kanadischen Bergbaukonzern Inco. Entwicklung in zehn Jahren: + 1291,45 ProzentDurchschnittliche Rendite pro Jahr: + 30 Prozent Quelle: dpa
AmbevDie brasilianische "Companhia de Bebidas das Américas" ist die größte Brauerei Südamerikas und gehört zum belgisch-brasilianischen Mutterkonzern Anheuser-Busch InBev. AmBev ist 1999 aus einem Zusammenschluss zwischen Brahma und Antarctica entstanden. Entwicklung in zehn Jahren: + 894,3 ProzentDurchschnittliche Rendite pro Jahr: + 25,8 Prozent Quelle: ap
Banco do BrasilDie größte lateinamerikanische Bank existiert schon seit 1808. In jüngster Zeit hat sie ihre Investoren mit großzügigen Renditen beglückt - und das während anderswo auf der Welt Finanzwerte eingebrochen sind. Das Institut ist in staatlicher Hand. Nach einer langen Verlustgeschichte ist die Banco do Brasil allerdings in den vergangenen Jahren profitabel geworden.Entwicklung in zehn Jahren: + 936,4 ProzentDurchschnittliche Rendite pro Jahr: + 26,3 Prozent Quelle: Reuters
NovatekDer russische Öl- und Gaskonzern mit Sitz in Sibirien fördert und verkauft fossile Brennstoffe. Das Unternehmen ist nach Gazprom der zweitgrößte Erdgasproduzent Russlands, doch die Aktie des Unternehmens schlägt die von Gazprom um Längen.Entwicklung in sieben Jahren: + 1382 Prozent Quelle: Reuters
TransneftTransneft betreibt in Russland Erdöl-Pipelines und ist im russischen Leitindex RTS gelistet. Das Unternehmen verfügt über das weltgrößte Pipeline-System. Auch wenn das Unternehmen in Deutschland durch Berichte über Lieferengpässe in den Medien eher negativ bekannt ist, ist es bei Aktionären beliebt.Entwicklung in neun Jahren: + 427,7 Prozent Quelle: AP
Tata MotorsDer indische Autobauer Tata Motors baut Wagen in allen Preisklassen, von spottbillig bis sündhaft teuer. Der "Nano", hier aus Gold, Silber und Edelsteinen hergestellt, wurde ursprünglich vor zwei Jahren als billigstes Auto der Welt auf den Markt gebracht. Erschwingliche Konsumgüter herzustellen ist in Schwellenländern ein erfolgreiches Geschäftsmodell.Entwicklung in zehn Jahren: + 698 ProzentDurchschnittliche Rendite pro Jahr: + 23,1 Prozent Quelle: dapd

Dass Russland in den nächsten zehn Jahren das von Goldman Sachs unterstellte ehrgeizige Wachstumsziel von vier bis fünf Prozent erreichen wird, erscheint mir denn auch äußerst zweifelhaft. Auch Brasilien dürfte Probleme bekommen, den von O’Neill gesetzten Maßstäben eines Bric-Landes zu entsprechen. Die Geschichte ist voll von Ländern, deren Wohlstand zeitlich begrenzt war, weil ihre Wirtschaft zu stark von Rohstoffen abhängig war.

… und mangelnde Integration in die globale Wirtschaft

Die Kehrseite der hohen Rohstoffabhängigkeit der Exporte: Solange sich damit relativ leicht Devisen verdienen lassen, um die Importe zu finanzieren, vernachlässigen die Regierungen die internationale Wettbewerbsfähigkeit bei Industrie- und Fertigwaren. Mit der Folge, dass diese Länder meist nur gering in die Weltwirtschaft einbezogen sind und weniger von der internationalen Arbeitsteilung profitieren.

So ist Russland erst jetzt, mehr als zehn Jahre nach China, WTO-Mitglied geworden, seine Industrie gerät jetzt unter Wettbewerbsdruck. Auch Brasilien schützt seine Wirtschaft durch hohe Zölle. Dadurch ist sie international nicht konkurrenzfähig, die Exportquote ist mit etwa zehn Prozent nur unterdurchschnittlich entwickelt.

Mit etwa zwölf Prozent ist auch Indiens Exportquote mager – im Unterschied zum rohstofflastigen Brasilien exportiert Indien immerhin zu zwei Dritteln Industriegüter. Das ist jedoch zu wenig, was sich nicht zuletzt in einem chronischen Leistungsbilanzdefizit, dem größten der vier Bric-Länder, niederschlägt.

Mexiko ist auf dem richtigen Weg

International über eine wettbewerbsfähige Wirtschaft verfügt demgegenüber Südkorea (Exportquote 43 Prozent, davon überwiegend industrielle Produkte). Auf einem guten Weg ist – Überraschung – auch Mexiko, dessen Wahrnehmung in Deutschland, so scheint mir, durch die Horrorberichte über den Drogenkrieg verzerrt ist. Dabei hat das Land etwas vorzuweisen: Es exportiert fast ein Drittel seiner Wirtschaftsleistung, der Anteil der Industriegüter daran vervierfachte sich seit 1985 auf heute 60 Prozent. Der Anteil von Rohöl am Export ist von fast neun Zehntel auf ein Zehntel zurückgegangen.

International schlägt sich auch Exportweltmeister China sehr gut. Das kommunistische Land kommt inzwischen auf eine Exportquote von einem Viertel mit überwiegend Industriegütern. Auf den ersten Blick gilt das ebenfalls für die Türkei mit einer Exportquote von 20 Prozent und einem hohen Anteil von Industriegütern. Das wird jedoch relativiert durch das hohe Leistungsbilanzdefizit von zuletzt fast neun Prozent des BIP. Offenbar ist die Türkei noch nicht auf einem wirklich nachhaltigen Weg, sondern auf ständigen Kapitalimport angewiesen.

Risiko Demografie

Diese Volkswirtschaften geben 2050 den Ton an
Skyline Berlin schön Quelle: dpa
Eine Frau verkauft Hülsenfrüchte Quelle: REUTERS
Platz 9: Russland und der IranDank erneut hoher Ölpreise und einer stark steigenden Konsumnachfrage ist das russische BIP im Jahr 2011 laut amtlicher Statistik um 4,3 Prozent gewachsen. Für die kommenden drei Jahre sagen die HSBC-Experten Wachstumsraten in ähnlicher Größenordnung voraus. Sie gehen davon aus, dass Russland bis 2050 durchschnittlich um 3,875 Prozent wächst. Damit würde das Riesenreich in der Liste der größten Volkswirtschaften der Welt von Rang 17 (2010) auf Rang 15 steigen. Ebenfalls eine durchschnittliche Wachstumsrate von 3,875 Prozent bis 2050 prophezeit die britische Großbank dem Iran. Im Jahr 2011/2012 betrug das Bruttoinlandsprodukt Schätzungen zufolge circa 480 Milliarden US-Dollar. Zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen Irans zählen die Öl- und Gasindustrie, petrochemische Industrie, Landwirtschaft, Metallindustrie und Kfz-Industrie. Die Inflationsrate wird von offizieller Seite mit 22,5 Prozent angegeben, tatsächlich liegt sie bei über 30 Prozent. Die Arbeitslosenrate beträgt offiziellen Angaben zufolge 11,8 Prozent. Quelle: dpa-tmn
Ginza-Viertel in Tokio Quelle: dpa
Mexikanische Flagge Quelle: dapd
Copacabana Quelle: AP
Baustelle in Jakarta Quelle: AP

Langfristig spielt das Bevölkerungswachstum eine ganz entscheidende Rolle für das Wachstum eines Marktes. Für seine Attraktivität ist nicht nur die absolute Größe der Bevölkerung wichtig, sondern auch die Entwicklung des Arbeitskräftepotenzials. Mit einer prognostizierten Bevölkerung von 44 Millionen wird Südkorea deshalb auch im Jahre 2050 noch ein recht überschaubarer Markt sein. Und selbst wenn es bis dahin mit dem Norden vereint sein sollte, wäre es noch mit Abstand das kleinste unter den betrachteten acht Ländern. Nach der Prognose der HSBC-Bank fällt das Land bis zum Jahr 2050 denn auch um zwei Ränge auf Platz 13 der größten Wirtschaftsnationen zurück.

 

Wie sich das Humankapital entwickelt

 

Geburten-

Ziffer*

Arbeitskräfte-

potenzial** (%)

Bevölkerung

2050 (Mio.)

Indien

2,7

0,9

1.614

Mexiko

2,3

0,2

129

Indonesien

2,1

0,4

288

Türkei

2,1

0,5

97

Brasilien

1,8

0,1

219

China

1,7

-0,3

1.417

Russland

1,4

-0,9

116

Südkorea

1,1

-0,9

44

*Kinder pro Frau** jährliche Veränderung zwischen 2010 und 2050

Quelle: HSBC, eigene Berechnungen

 

Russlands Bevölkerung wird in den nächsten 40 Jahren um rund 25 Millionen schrumpfen, Chinas und Brasiliens Bevölkerungszahl wird dagegen noch wachsen, wenn auch langsam.

Russland ist der große Verlierer

Stärken und Schwächen der BRIC-Staaten
Die Skyline der Millionen-Metropole Shanghai, China Quelle: REUTERS
Leute shoppen auf den Straßen von Sao Paulo, Brasilien Quelle: dapd
Der ehemalige brasilianische Präsident Lula da Silva mit ölverschmierten Händen auf einer Ölplattform vor Bacia De Campos Quelle: dpa
Indien befindet sich laut einer Studie der Weltbank zu den Rahmenbedingungen für unternehmerische Tätigkeiten nur auf Platz 132. Genehmigungen, Kredite bekommen, Vertragseinhaltung - alles ist auf dem Subkontinent mit erheblichen Aufwand und Unsicherheiten verbunden. Hinzu kommt Korruption, eines der größten Probleme für das Land. Transparency International listete Indien im Jahr 1999 noch auf Patz 72, elf Jahre später ist das Land auf Platz 87 im Korruptionsindex abgerutscht. Nicht nur für die ausländischen Unternehmen ist Korruption ein Ärgernis, weil sie stets fürchten müssen, dass Verträge nicht eingehalten werden. Korrupte Beamte und Politiker sind auch eine enormes Problem für die mittleren und unteren Schichten, denen schlicht das Geld zur Bestechung fehlt. Um öffentliche Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die den Bürgern per Gesetz zustehen, müssen laut Transparency International mindestens 50 Prozent ihrer Befragten Bestechungsgelder zahlen. Der volkswirtschaftliche Schaden ist immens. Analysten gehen davon aus, dass die Direktinvestitionen in Indien um ungefähr 31 Prozent zurückgegangen sind und aus dem indischen Aktienmarkt etwa 1,4 Milliarden Euro abgezogen worden sind. Besonders brisant: nach einer Studie der Washingtoner Global Financial Integrity Organisation leitete die Liberalisierung und Markt-Deregulierung im Jahr 1991 die Hochzeit der Korruption und des illegalen Geldtransfers ein. Im Bild: Der Antikorruptions-Aktivist, Anna Hazare, im August 2011 in Neu Delhi. Hazare ging für zwölf Tage in einen Hungerstreik, um gegen die grassierende Korruption seines Landes zu protestieren. Tausende Sympathisanten unterstützen den Aktivisten bis zum Schluss seiner Aktion. Quelle: dapd
Verkehrsstau auf dem Delhi-Gurgaon Expressway, in Neu Delhi, Indien. Quelle: AP
Im Bild: eine Fabrikarbeiterin in einer Textilfabrik aus der Provinz Anhui, China. Quelle: REUTERS
Im Bild: Ein Eierverkaufsstand in Jiaxing, Zhejiang Provinz. Quelle: REUTERS

Demografisch am besten positioniert sind Indien, Mexiko und Indonesien, die ihre Positionen auf der Rangliste der Wirtschaftsnationen bis zum Jahr 2050 um jeweils fünf Plätze verbessern können, sowie die Türkei, die sogar sechs Plätze gutmacht und an Südkorea vorbeiziehen dürfte – wenn auch mit einer mehr als doppelt so großen Bevölkerungszahl.

Fazit: Der Sieger in allen Kategorien ist, ta ta ta…

…Mexiko, das in keiner einzigen Kategorie Schwächen zeigt, und mit Abstrichen, die Türkei. Verlierer ist Russland, das ohne seinen Rohstoffreichtum wirtschaftlich und ohne seine Atomwaffenarsenale politisch keine Weltmacht wäre. Eine Chance auf Prosperität und Stabilität hat Russland nur bei dauerhaft hohen Rohstoffpreisen.

Positiv positioniert sind auch Indien, Südkorea und China, sofern sie die politischen Risiken managen können. Als rohstoff- und bevölkerungsreiches Land droht Indonesien die Gefahr, den Aufbau einer international wettbewerbsfähigen Wirtschaft zu vernachlässigen. Deshalb würde ich das Land eher im Mittelfeld ansiedeln. Die jüngste Entwicklung Brasiliens sollte eine Warnung sein, was geschieht, wenn die Regierung es unterlässt, das wirtschaftliche Potenzial zu erschließen. Nach meinem Urteil kommt Brasilien deshalb trotz stabiler politischer Verhältnisse und günstiger demografischer Daten nur auf den vorletzten Platz, aber noch weit vor  Russland.

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