Aus der weiten Welt

Wie stark wächst China noch?

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Steckt China in der Rezession?

Als Indikator für die Wirtschaftskraft dient der Verbrauch von Benzin und Diesel - das Wachstum wird langsamer. Quelle: AP

Auch jetzt gibt ein Indikator Anlass zu Sorge: So wuchs der Elektrizitätsverbrauch zuletzt um weniger als drei Prozent. Gleichzeitig soll jedoch, im Widerspruch dazu, die Produktion der Industrie, des größten Elektrizitätsverbrauchers, um knapp zehn Prozent zugelegt haben. Auch die Exporte, von denen der Chinaboom der vergangenen drei Jahrzehnte abhing, stagnieren inzwischen.

Ist der Konjunktureinbruch also schlimmer als Peking zugibt? Droht dem Land statt des angestrebten Soft Landing in Wirklichkeit eine harte Landung?

Dafür spricht bislang wenig. Ersetzt man den Verbrauch an Elektrizität durch den an Benzin und Diesel, ebenfalls ein Indikator, der die Aktivität der Wirtschaft annähernd widerspiegelt, signalisiert das nur ein langsameres Wachstum, aber noch keine Rezession.

Außerdem haben die Statistiken der Zentralregierung in jüngster Zeit an Glaubwürdigkeit gewonnen. Denn Peking selbst hat einige Veränderungen angeordnet, um sich nicht länger von den regionalen Kadern an der Nase herumführen zu lassen. Um über exakte Daten zu verfügen, müssen seit kurzem 700.000 Unternehmen ihre Daten direkt per Internet nach Peking melden, ohne dass sie vorher von lokalen Stellen aufbereitet werden. In jüngster Zeit weicht denn auch der Li-Keqiang-Index nicht mehr so eklatant vom BIP-Verlauf ab.

Das deckt sich mit den Ergebnissen des Londoner Forschungsinstituts Capital Economics. Es entwickelte in der Krise 2008/09 einen eigenen Index, um der chinesischen Statistik den Spiegel vorzuhalten, doch dieser läuft zur Überraschung der Londoner Wissenschaftler weitgehend parallel zu den offiziellen chinesischen Zahlen. Allerdings gingen die beiden Zeitreihen im ersten Quartal dieses Jahres wieder etwas auseinander. Anstatt der offiziellen 8,1 Prozent kommt Capital Economics nur auf 7,6 Prozent. Aber ein halber Prozentpunkt weniger bedeutet noch keine harte Landung.

Umsteuerung auf Konsum und Service-Bereich

Um sich ein Bild über den Service-Sektor in China machen zu wollen, dient die amtliche chinesische Statistik nicht. Quelle: dapd

Ohnehin kann die offizielle Statistik die Aktivität der chinesischen Wirtschaft in einigen Bereichen nicht vollständig erfassen. So lässt sich zwar durch die direkte Unterstellung der großen Unternehmen unter die statistische Aufsicht der Zentrale das Produktionswachstum in der Industrie besser ermitteln. Im Service-Sektor mit seinen vielen kleinen Unternehmen ist die Datenbasis jedoch viel schwächer. Während die amtliche Statistik die Lage der chinesischen Autoproduktion gut abbilden dürfte, ist sie beispielsweise zur Erfassung des privaten Konsums in Restaurants weniger geeignet.

Das wäre unerheblich, wenn die Wirtschaftsstrukturen in China gleichblieben. Verzerrungen würden sich dann im Jahresvergleich herausrechnen. Doch ist China bestrebt, seine Wirtschaftsstrukturen zu modernisieren – mit dem Ziel, einfache Industriearbeit durch hochwertige Arbeitsplätze zu ersetzen und in der Wertschöpfungskette nach oben zu klettern.

Damit wird der statistisch weniger gut erfasste Servicebereich anteilmäßig zunehmen. So soll der Anteil der Dienstleistungen an der nationalen Wertschöpfung nach einer Projektion der Weltbank von derzeit etwa 48 Prozent auf über 60 Prozent bis zum Jahr 2030 steigen, während der Anteil der Industrie sich in diesem Zeitraum um zehn Prozentpunkte abnehmen wird.

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