Aus der weiten Welt

Weniger Kinder - weniger Gewalt?

Klaus Methfessel Ehem. Leiter der Georg-von-Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten und ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Global

Islamischer Terrorismus, aber auch die jüngsten politischen Umbrüche in Arabien haben viel mit dem hohen Anteil der Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung zu tun. Nun fallen die Geburtenraten in einigen islamischen Ländern stark. Ein Indiz dafür, wo weiterhin Unruhe und Gewalt programmiert sind und wo sich die Lage bessert?

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Junge Männer in der freien syrischen Armee Quelle: dapd

Haben Sie sich auch schon mal gefragt, warum gerade der Europa vorgelagerte islamische Gürtel mit dem Nahen Osten als Kern politisch nicht zur Ruhe kommt und es gerade hier so viele Kriege gab? Warum Afghanistan zehn Jahre nach dem Sturz der Taliban immer noch nicht befriedet ist, Pakistan ins Chaos zu kippen droht, Al-Kaida im Jemen und in der Sahara Stützpunkte hat, Somalia zu einem Piratennest verkommen ist, Syrien im Bürgerkrieg versinkt, aber auch warum nach Jahrzehnten scheinbarer Ruhe auf einmal der Arabische Frühling Diktatoren von Tunesien bis Ägypten stürzte? 

Dafür gibt es eine ganze Menge Gründe, von strategischen bis hin zu religiösen: die Rivalität der Großmächte um die Vormacht in der Region mit den größten Ölreserven, der israelisch-palästinensische Konflikt, die gewaltsam ausgetragenen Widersprüche zwischen Schiiten und Sunniten, die neuen Kommunikationsmöglichkeiten durch Facebook und mobilen Telefon und eine ganze Reihe weiterer, die alle eine Rolle spielen.  

Demografie: eine Ursache politischer Gewalt

Eine Ursache wird dabei häufig übersehen: die Demografie. Denn diese Länder haben ein Phänomen gemeinsam, was die Engländer mit dem Begriff  „youth bulge“ umschreiben. Der Völkermordforscher Gunnar Heinsohn übersetzt ihn gelegentlich mit „Jugendboom“. Gemeint ist eine demografische Entwicklung, bei der Gesellschaften aufgrund hoher Geburtenraten einen überdurchschnittlich hohen Anteil von 15- bis 24-Jährigen ausweisen.

Heinsohn sieht in dem sogenannten Youth Bulge die entscheidende Ursache für die Gewalt und die gesellschaftlichen Umbrüchen in der islamischen Welt. „Nicht Religionen, Stammesfehden oder Armut sind die Hauptgründe für die Eskalation des Terrorismus. Vielmehr sorgt ein übergroßer Anteil von Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung für tödliche Kämpfe.“

Schon Samuel Huntington hatte in seinem Werk „Kampf der Kulturen“ auf dieses Phänomen hingewiesen: „Junge Menschen sind die Protagonisten von Protest, Instabilität, Reform und Revolution.“ Dabei sah auch Huntington den Nährboden für die gewaltbereiten islamischen Fundamentalisten nicht in der Religion selbst: „Ich glaube nicht, dass der Islam per se gewalttätiger ist als irgendeine andere Religion. Entscheidend ist der demografische Faktor. Im Allgemeinen sind die Leute, die andere töten, Männer im Alter zwischen 16 und 30.“

Youth Bulges und politische Gewalt

Ein Beispiel dafür ist die Geschichte des Irak, durch dessen Geschichte sich nach der Unabhängigkeit ein Roter Faden aus Blut und Gewalt zieht: Massenmord an Kurden und Schiiten, Kriege gegen Iran und Kuwait, zwei provozierte Kriege gegen die USA, seitdem Operationsgebiet terroristischer Gruppierungen und religiöser Fanatiker. Der demografische Hintergrund: Die Bevölkerungszahl hat sich von 5,7 Millionen 1950 bis heute fast versechsfacht. Und wächst schnell weiter.

Was Heinsohn und Huntington eher anekdotisch beschreiben, hat der Wissenschaftler Henrik Urdal kürzlich in einer empirischen Studie für den Zeitraum von 1950 bis 2000 untersucht. Urdal, der in Harvard und am Peace Research Institute Oslo forscht, kommt in einer Studie im Auftrag der Vereinten Nationen („A Clash of Generations? Youth Bulges and Political Violence“) zu dem Ergebnis: „Die empirische Evidenz lässt darauf schließen, dass Youth Bulges verbunden sind mit einem erhöhten Risiko von politischer Gewalt.“

Urdal: „Für jeden Prozentpunkt, um den der Anteil der Jugendlichen an der erwachsenen Bevölkerung steigt, wächst das Risiko eines Konflikts um vier Prozent.“ Insbesondere die Länder im Nahen Osten, Afrika und Teilen von Asien, wo die Geburtenraten hoch sind, sind seiner Analyse zufolge stärker durch Gewaltexzesse gefährdet.

Das Jahrhundert des Islam

Das Jahr der Proteste
Arabischer Frühling Quelle: dpa
Occupy Wall Street Quelle: REUTERS
Stuttgart 21 Quelle: REUTERS
Euro (gegen Sparmaßnahmen) Quelle: dpa
Euro (gegen Euro-Rettung) Quelle: dapd
Tottenham Quelle: Reuters
Camila Vallejo Quelle: REUTERS

Tatsächlich haben hohe Geburtenraten in den islamischen Ländern zu einer Bevölkerungsexplosion geführt. Innerhalb eines Jahrhunderts hat sich die Einwohnerzahl in den Gebiete des Islam von 150 auf 1200 Millionen verachtfacht – das schnellste Wachstum in der Dritten Welt. In Indien hat sich die Bevölkerungszahl im gleichen Zeitraum lediglich vervierfacht, in China verdreifacht.

Machten Muslime Huntington zufolge 1980 erst 18 Prozent der Weltbevölkerung aus, dürfte ihr Anteil 2025 schon 31 Prozent betragen. Fast ein Drittel der Menschheit dürfte sich dann zum Islam bekennen. Das ist mehr als Europas Anteil an der Weltbevölkerung zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als sich die führenden europäischen Staaten daran begaben, sich die Welt untertan zu machen. Damals lebte jeder vierte Erdenbewohner in Europa. Deshalb prophezeien manche Wissenschaftler auch, dass dieses Jahrhundert nicht das asiatische, amerikanische oder chinesische werde, sondern das Jahrhundert des Islams.

 

Der Europa vorgelagerte islamische Gürtel (Bevölkerung in Millionen)

 

 

2010

2050

2100

1

Pakistan

174

275

261

2

Irak

32

83

145

3

Sudan*

44

91

128

4

Ägypten

81

124

123

5

Afghanistan

31

76

111

6

Jemen

24

62

99

7

Türkei

72

91

79

8

Somalia

9

28

73

9

Iran

74

85

62

10

Saudi Arabien

27

45

42

11

Algerien

36

47

40

 

Palästina

4

9,7

14,9

 

Israel

7,4

12

15,3

*vor der Aufteilung. Quelle: UN

 

Die islamischen Länder werden bis zum Ende dieses Jahrhunderts nicht nur die geopolitische Weltkarte verändern. Auch innerhalb dieser Ländergruppe zeichnen sich dramatische Verschiebungen ab:

- Neben Pakistan werden einige weitere Länder die 100-Millionen-Einwohner-Grenze erreichen und überschreiten, darunter die Unruheherde Irak, Sudan, Afghanistan und Jemen.

- Alarmierend auch: In Somalia wird sich die Bevölkerungszahl verachtfachen – trotz oder vielleicht auch wegen des Zerfalls der Staatlichkeit. Das bedeutet viel Rekrutierungspotenzial für Al Kaida und Piraten.

- Ägypten, derzeit das bevölkerungsreichste Land Arabiens, wird seine Position an den Irak verlieren, dessen Einwohnerzahl sich mehr als vervierfachen wird.

- Die Regionalmächte Türkei und Iran, nach Pakistan und Ägypten derzeit die größten Länder des islamischen Gürtels, werden an Gewicht verlieren.

- Aufschlussreich ist auch das demografische Wettrennen zwischen Palästina und Israel. Israel muss mit Sorge sehen, dass Ende dieses Jahrhunderts auf jeden Israeli ein in den besetzten Gebieten lebender Palästinenser kommt – derzeit ist das Verhältnis noch zwei zu eins zugunsten Israels.

Demografische Gewaltpotenzial

Die jüngsten Länder der Welt
Familie mit Kind Quelle: dpa
Kinder spielen mit Wasser Quelle: dpa
Junge aus Vanuatu Quelle: Graham Crumb
Kinder in Brasilien Quelle: dpa
Kinder in Japan Quelle: AP
Aus Mali geflüchtete Kinder Quelle: dpa
Kinder in Angola Quelle: Paulo César Santos

Die islamischen Gesellschaften weisen im Vergleich mit den entwickelten Industrieländern alle eine sehr junge Bevölkerung auf. „Der Islam erlebt eine Bevölkerungsexplosion mit destabilisierenden Folgen für muslimische Länder und ihre Nachbarn“, schreibt Huntington.

Ein überdurchschnittliches Gewaltpotenzial lauert nach Erkenntnissen der Forscher überall dort, wo der Anteil der 15- bis 24-Jährigen mindestens 20 Prozent und der Kinderanteil (bis 14 Jahre) mindestens 30 Prozent beträgt.

Dabei rebellieren die Jugendlichen nicht in erster Linie, weil sie zu wenig Lebensraum, Nahrung oder Bildung haben, sondern weil sie in ihren Ländern ungenügende soziale Aufstiegschancen vorfinden. Heinsohn: „Getötet wird für Status und Macht.“

 

Die Heimatländer der unruhigen Jugend

 

Geburtenrate*

Kinder bis 14**

Jugendliche (15 – 24)**

Afghanistan

6,6

46,4

20,2

Somalia

6,4

44,9

18,6

Jemen

5,5

44,2

22,1

Irak

4,9

43,2

19,6

Palästina

4,7

42,5

21,2

Sudan

4,6

40,1

19,7

Pakistan

3,7

35,4

21,5

Syrien

3,1

36,9

20,4

Saudi Arabien

3,0

30,3

18,0

Ägypten

2,9

31,5

19,7

Türkei

2,2

26,4

17,7

Iran

1,8

22,9

22,0

China

1,6

19,5

16,8

Deutschland

1,4

14,2

11,8

*Kinder pro Frau **in Prozent der Gesamtbevölkerung Quelle: UN

 

Wie die Tabelle zeigt, ist das demografische Gewaltpotenzial in den betrachteten islamischen Ländern sehr unterschiedlich ausgeprägt (zum Vergleich die Daten von China und Deutschland):

- Mit Ausnahme der Türkei und des Iran haben alle Länder eine Kinderquote von mehr als 30 Prozent. Das größte Risikopotenzial liegt in den derzeit schon von ständiger Gewalt erschütterten Ländern Afghanistan, Somalia, Jemen, Irak und Palästina. Daran dürfte sich unter demografischen Gesichtspunkten wenig ändern. (Wobei allerdings auch die fehlende Staatlichkeit und Infrastruktur hohe Geburtenraten fördern kann.)

- Die hohen Werte des Sudan lassen für die Zukunft des aufgeteilten Landes nichts Gutes erwarten – beide Teile verfügen über ein hohes militärisches Rekrutierungspotenzial.

- In Pakistan, Syrien, Saudi Arabien und Ägypten sind die Geburtenraten etwas gefallen, die Länder haben aber noch ein bis zwei Jahrzehnte mit den Nachwirkungen des bestehenden Youth Bulge zu kämpfen. 

- Die Türkei hat die demografisch unruhigen Zeiten eindeutig hinter sich, der Iran bald. Noch 1980 brachten iranische Frauen im Schnitt 6,5 Kinder zur Welt, die Kinderquote war 1990 so hoch wie in Afghanistan heute. Der aktuelle Youth Bulge dürfte aber aufgrund des starken Falls der Geburtenrate (der stärkste in der islamischen Welt) bald Geschichte sein. 2050 wird der Anteil der 15- bis 24-Jährigen im Iran geringer sein als in Deutschland heute. Aus demografischer Sicht gilt für beide Länder Entwarnung.

Ein globales Phänomen

Wie die Lage in Teheran eskalierte
Das Schild der britischen Botschaft in Teheran ist mit roten Handabdrücken beschmiert. Quelle: dpa
Iranischen Studenten stürmen die britische Botschaft in Teheran. Polizisten versuchen sie aufzuhalten. Die Demonstranten riefen „Tod England“ und „Geh weg, England“. Quelle: dpa
Ein Demonstrant klettert mit einem Portrait von Queen Elizabeth II. über einen Zaun. Quelle: dpa
Iranische Demonstranten stehen auf einer Mauer der britischen Botschaft Quelle: dpa
Demonstranten stürmen die britische Botschaft in Teheran Quelle: dpa
Iranische Demonstranten verbrennen vor der britischen Botschaft die britische Flagge Quelle: dpa
Die Proteste sind eine Reaktion auf verschärfte Sanktionen Großbritanniens gegen den Iran. Quelle: dpa

Dass die Jugenddelle mit einer höheren Gewaltbereitschaft einhergeht, gilt natürlich nicht nur für islamische Länder. Ein Youth Bulge sorgt immer dann für Ärger, wenn die altersbedingt frei werdenden Positionen für die nachrückenden Generationen nicht ausreichen. Dafür finden sich in der Geschichte reichlich Beispiele:

- Deutschland hatte seinen letzten Youth Bulge vor dem Ersten Weltkrieg. Der Kinderanteil lag damals mit etwa 35 Prozent so hoch wie in Pakistan heute. Aus den überdurchschnittlich vielen Jugendlichen rekrutierten sich Heinsohn zufolge die „Straßenkämpfer der Weimarer Republik“. Hitlers Machtergreifung wurde dadurch begünstigt, im Zweiten Weltkrieg starben dann schon häufig die einzigen Söhne. Heute liegt der Anteil der 15- bis 24-Jährigen bei 11,2 Prozent.

- Der Oktoberrevolution in Russland 1917 ging eine Bevölkerungsexplosion voraus, die Einwohnerzahl stieg in den 16 Jahren vor 1913 von 67 auf 90 Millionen.

- In Vietnam kämpften die Amerikaner auch gegen die Demografie: Die Bevölkerung Nordvietnams wuchs in den 20 Jahren vor dem Abzug der Amerikaner um mehr als 50 Prozent auf 47 Millionen. Obwohl Vietnam im Krieg Verluste von insgesamt 1,8 Millionen Soldaten zu beklagen hatte (USA: 50.000), fanden Nordvietnam und der Vietcong genügend Nachwuchs – in jedem Kriegsjahr stieg Heinsohn zufolge die Zahl der kriegstauglichen jungen Männer um 500.000.

- Europas Welteroberung ist ebenfalls nicht ohne das stürmische Wachstum seiner Bevölkerungen erklärbar. Im Mittelalter, nach dem Niedergang des Römischen Reiches, war Europa eher Objekt der Geschichte und musste sich regelmäßig angreifender asiatischer Reiterheere erwehren. Vom 16. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts jedoch verneunfachte sich die Einwohnerzahl auf 460 Millionen und machte damit die Eroberungsfeldzüge möglich, die dazu führten, dass die Welt im 19. Jahrhundert unter die Herrschaft von Europäern fiel – jeder vierte Erdenbewohner lebte damals in Europa.

Der Pazifismus des Alterns

Stimmt die Theorie des Youth Bulge, dann ist auch die aktuelle militärische Aufrüstung in China mit anderen Augen zu sehen. Sowohl mit seiner Kinder- wie auch mit seiner Jugendquote liegt China heute weit unter den kritischen Marken. Das war zur Zeit der Kulturrevolution noch ganz anders. Der Anteil der Kinder war während der Kulturrevolution von 34 Prozent 1950 auf 40 Prozent gestiegen, infolgedessen kletterte der Anteil der Jugendlichen in den Achtziger- und Neunzigerjahren bis auf 22 Prozent.

Hätte die KP-Führung nicht Ende der Siebzigerjahre mit der wirtschaftlichen Öffnung die Grundlagen für den langanhaltenden Boom gelegt, wäre China womöglich, wie jetzt ein Teil der islamischen Länder, zu einem Feld gewaltsamer Jugendproteste oder aggressiver Aktionen gegen Nachbarländer geworden. Heute aber, angesichts dramatisch gesunkener Kinderzahlen und der schnellen Alterung der chinesischen Bevölkerung, kann die chinesische Führung nicht einfach die aggressive Karte ausspielen wie einst im Korea-Krieg. Sie muss in ihrer Außenpolitik einkalkulieren, dass militärische Aktionen mit dem Risiko, den einzigen Sohn zu verlieren, in der Bevölkerung auf Unverständnis oder sogar Widerstand stoßen könnten.

Krieg der Demografie

Athens Innenstadt ist verwüstet
Ein Ladenbesitzer begutachtet das Ausmaß der Zerstörung nach der Massendemonstration in Athen. Quelle: dpa
Die Hauptstraßen Panepistimiou, Stadiou, die Einkaufsstraßen Athinas und Ermou und der zentrale Syntagmaplatz vor dem Parlament sahen am Montagmorgen wie ein Trümmerfeld aus. Quelle: dpa
Ein altes Kino in Athen ist während der Krawalle ebenfalls angezündet worden. Quelle: dpa
45 Gebäude wurden nach Feuerwehrangaben angesteckt. Einige davon brannten völlig aus. Quelle: dpa
Zahlreiche Läden und Banken wurden schwer beschädigt und geplündert, dutzende Ampeln zerschlagen. Quelle: dpa
Alle Parteien des Landes verurteilten die schweren Ausschreitungen und machten „dunkle Kreise“ für das Chaos verantwortlich. Quelle: dpa
Graffitis an der Wand der Bank of Greece zeigen auch deutschfeindliche Parolen. Quelle: dpa

 

In der entwickelten Welt mit Geburtenraten von 1,36 in Deutschland bis 2,0 in Frankreich ist fast jeder Junge der einzige Sohn oder sogar das einzige Kind, so dass die Angst um sein Überleben militärische staatliche Abenteuer unpopulär machen würde – anders als in Ländern mit hoher Geburtenrate, wo das Weiterbestehen einer Familie beim Verlust eines Sohnes weniger gefährdet ist.

Deshalb neigen entwickelte Staaten dazu, in ihren Kriegen Menschen durch Technik zu ersetzen, um ihre Verluste zu minimieren und nicht den Rückhalt in der Heimat zu verlieren. Keinem anderen Zweck dienen die von den USA in Afghanistan und Pakistan eingesetzten Drohnen, deren Einsatz Spezialisten in sicheren Stützpunkten am Computer steuern.

Doch damit lassen sich nur Gegner vernichten, nicht aber die Herrschaft über ein Gebiet aufrechterhalten, vor allem wenn der Gegner aufgrund hoher Geburtenraten auf Jahre hinaus genügend Nachwuchs rekrutieren kann. Weil solche Kriege auf dem Feld der Demografie entschieden werden, ist es nur zwangsläufig, dass sich die USA, nach dem Rückzug aus dem Irak, auch aus Afghanistan zurückziehen werden.

Frieden aus Altersschwäche

Doch Mitte des Jahrhunderts zeichnen sich dramatische Veränderungen der demografischen Strukturen ab.  Zumindest besagen das die langfristigen Projektionen der Vereinten Nationen. Während von 1950 bis 1990 Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren mehr als ein Viertel der Bevölkerung in der sogenannten Dritten Welt ausmachten, wird  ihr Anteil im Jahr 2050 nur noch in den Ländern südlich der Sahara so hoch sein, in den anderen Weltregionen aber auf 15 Prozent oder niedriger gesunken sein.

Für Friedensforscher Urdal beginnt mit dem steigenden Durchschnittsalter in der Dritten Welt möglicherweise ein neues Zeitalter. „Wird die alternde Welt friedlicher sein?“, fragt er - und prophezeit einen „Friedens aus Altersschwäche“(„geriatric peace“). Vorsichtig wie der Wissenschaftler ist, fügt er aber ein Fragezeichen hinzu.

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