Ausländische Investoren Gefangen in Tiflis

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Fuchs ist in Haifa geboren und aufgewachsen und hat eine Schwester, Orna Asia. Der Schwester zufolge diente er drei Jahre in der israelischen Armee und besitzt einen Abschluss in Volkswirtschaft von der Universität seiner Heimatstadt. Er arbeitete zunächst einige Jahre für das Schiffsgutachter-Büro seines Vaters und verbrachte seine späten Zwanziger und Dreißiger dann in New York im Ölhandel. Er hat drei erwachsene Kinder in Israel, seine Ex-Frau lebt in Miami, er selbst in Tel Aviv. „Rony redet mit jedem – mit Politikern und dem Pförtner seines Wohnblocks“, sagt die Schwester. „Er hat so viele Projekte, so viel Energie.“

Die meisten seiner Projekte drehen sich um den Kauf und Verkauf von Energie. 1991 wurde Fuchs von einem georgischstämmigen Mitglied des israelischen Parlaments mit Vertretern der gerade unabhängig gewordenen Regierung in Tiflis bekannt gemacht. Als erfolgreicher Händler, damals etwas über vierzig, strebte er in der israelischen Geschäftswelt ganz nach oben. Genau richtig erkannte er, welche gewaltige Chance sich durch den Untergang der Sowjetunion auftat. Georgien suchte nach ausländischen Investoren, die baufällige Einrichtungen aus der Sowjetzeit instandsetzten und ausbauten, damit kaspisches Öl und Gas von teilweise brach liegenden Feldern in Aserbaidschan nach Westen zu Terminals am Schwarzen Meer transportiert werden konnte. Obwohl ein Projekt dieser Größenordnung für Fuchs neu war, bot er an, das Kapital aufzubringen und bei der Instandsetzung der transgeorgischen Pipeline und der Hafenanlagen Regie zu führen. Weil sie dringend Geld brauchten und weil Fuchs’ Tatkraft sie beeindruckte, ging der staatliche georgische Ölkonzerns Saknavtobi mit Fuchs’ Unternehmen Tramex International ein Joint Venture ein. Tramex wiederum gehörte Fuchs und dem griechischen Geschäftsmann Ioannis Kardassopoulos.

Die Kooperation sollte nicht glatt verlaufen. Zunächst verhinderte der Putsch gegen den ersten Präsidenten Georgiens nach der Unabhängigkeit den Start des Projekts. Aber Fuchs gab nicht auf, stellte die aus drei Personen bestehende, von der Weltbank-Einrichtung ICSID berufene Kommission fest. Während andere Investoren Georgien verließen, sagte Fuchs vor dem Panel, seien sie geblieben: „Wir verlassen das Land nicht. Wir kommen zurück, und sie sehen, dass es uns ernst ist.“

1993 vergab die neue georgische Regierung dann eine für 30 Jahre geltende Konzession, nach der das Joint Venture das Energie-Transportnetz des Landes betreiben würde: Pipelines, Lagereinrichtungen und Bahnstationen. Reparatur und Umbau begannen. Fuchs beauftragte ortsansässige Bauunternehmen und verbrachte selbst sehr viel Zeit in Georgien. Bis 1995 hatte Tramex Angaben von Fuchs’ Anwälten zufolge über zwölf Millionen Dollar in das Projekt gesteckt.

Dann brachten nach und nach Unsicherheit und Unruhen die Arbeiten zum Erliegen, wie die ICSID-Kommission befand. Das Projekt sei eindeutig immer wieder durch Sicherheitsprobleme behindert worden, unter anderem durch Materialdiebstahl und Kämpfe Aufständischer in einigen Regionen in der Nähe von Baustellen, heißt es. Der Hauptgrund dafür, dass das Engagement von Tramex nachließ, seien jedoch „Gerüchte und Maßnahmen der georgischen Regierung“ gewesen, die die „Exklusivrechte des Joint Ventures an den Pipelines infrage stellten“, schließt das Komitee.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Eduard Schewardnadse, ehemaliger Außenminister der Sowjetunion unter Michail Gorbatschow und zuvor Chef der KPdSU in Georgien, das Amt des Staatsratsvorsitzenden übernommen. Im Jahr 1995 wurde er dann zum Präsidenten gewählt und begann bald, mit einem Konsortium großer westlicher Energiekonzerne zu verhandeln, die im Ölgeschäft am Kaspischen Meer mitmischen wollten. Über Nacht erhielt eine modernisierte Rohrleitung durch Georgien enorme potenzielle Bedeutung. Fuchs hatte es kommen sehen – aber die nun auf dem Spiel stehenden Summen waren so hoch und die internationale Politik so verwickelt, dass sein kleines Unternehmen kaum die Führungsrolle behalten konnte. Um den Weg für eine Zusammenarbeit mit dem internationalen Konsortium freizumachen, erklärte Schewardnadse-Regierung im Februar 1996 per Dekret sämtliche, an alle Parteien bisher vergebenen Energierechte für nichtig. Dies habe Fuchs’ Abenteuer am Kaukasus ein „abruptes Ende“ bereitet, heißt es von Seiten der Schiedskommission.

Wer in einem instabilen Schwellenland investiert, muss immer mit Verstaatlichung oder Enteignung rechnen. Fuchs wusste das, forderten aber nun zusammen mit seinem griechischen Partner zumindest eine Entschädigung für die Chance, die man ihnen kurzerhand genommen hatte. Tatsächlich signalisierte die Schewardnadse-Regierung der Kommission zufolge wiederholt „die Zahlung eines angemessenen Ausgleichs“.

Doch die Abfindung erfolgte nie. Während er in der Türkei und Israel anderen Geschäften nachging, traf sich Fuchs jahrelang immer wieder mit georgischen Funktionären und versuchte ohne Erfolg, einen Vergleich auszuhandeln. Daraufhin beauftragte Fuchs das New Yorker Beratungsunternehmen Kissinger Associates, und im Januar 2003 schrieb der Präsident des Unternehmens, der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger, im Auftrag Fuchs’ an Schewardnadse. Zudem entsandte Kissinger einen Beraterkollegen zu einem Treffen mit georgischen Beamten in Tiflis. „Schewardnadse sah ein, was Dr. Kissinger schrieb“, sagte Fuchs vor der Kommission, „und alles stand kurz vor der Lösung.“

Bei einem Telefonat mit Schewardnadse in Tiflis sagte der 83-Jährige, er wolle keine alten Streitigkeiten aufwärmen. In einem weiteren Interview sagte sein ehemaliger Stabschef Peter Mamradze, als Schewardnadse entschied, mit dem internationalen Konsortium ins Geschäft zu kommen, habe er nichts von den Exklusivrechten Fuchs’ und seines Partners gewusst. Jedenfalls kamen wieder politische Ereignisse dazwischen. „Es gab die Rosenrevolution, oder wie sie sie nennen“, sagte Fuchs der Schiedskommission, „und alles war auf den Kopf gestellt.“

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