Außenminister Sigmar Gabriel hat es eilig, sogar sehr eilig. Seit Tagen spricht er davon, dass er so schnell wie möglich in die USA möchte. Am Donnerstagmorgen landet er auf dem Flughafen Washington-Dulles International. Sein Hauptgesprächspartner, US-Außenminister Rex Tillerson, ist zu diesem Zeitpunkt erst eine Nacht im Amt. Noch vor seiner Vereidigung hat er seinen deutschen Kollegen eingeladen.
„Wir haben drängende Themen auf der internationalen Agenda, über die sich Deutschland und Amerika eng abstimmen sollten“, begründet Gabriel schon vor dem Abflug die Eile. Er selbst hat seinen Job noch nicht einmal eine Woche. Seine erste Reise hat ihn zum wichtigsten europäischen Bündnispartner nach Paris geführt. Das ist Standard für einen deutschen Außenminister.
Normalerweise würden danach Brüssel und ein europäisches Nachbarland im Osten folgen, bevor es irgendwo anders hingeht. Brüssel musste Gabriel am Dienstag wegen einer Erkrankung absagen. Osteuropa muss warten. Die USA sind Gabriel wichtiger.
Wie viele Deutsche Trumps Vorschläge auch bei uns gerne verwirklicht sähen
Die Deutschen mögen Donald Trump nicht. Nur wenige Prozent hätten für den Republikaner gestimmt, ergaben Umfragen vor der US-Wahl. Doch ist ihnen womöglich nur der Mensch zuwider, nicht sein Programm? Und fürchtet die überwiegende Mehrheit, dass Trump ein gefährlicher Präsident wird? Eine aktuelle Ipsos-Umfrage im Auftrag der WirtschaftsWoche liefert dazu erstaunliche Erkenntnisse.
Auf die Frage, welche Trump-Vorhaben die Deutschen auch hierzulande gerne umgesetzt sähen, antworteten satte 56,3 Prozent, sie wollten die Abschiebung aller illegalen Ausländer.
34 Prozent der Befragten stimmen Trumps Forderung nach mehr Durchgriffsrechten für die Polizei zu.
Immerhin 30,6 Prozent wünschen sich weniger Einkommensteuer.
26,2 Prozent wünschen sich gar eine strikte Einreiseregulierung für Muslime.
Die Ablehnung der Deutschen gegen Freihandelsabkommen wie TTIP oder TPP zeigt sich auch in dieser Umfrage. 19 Prozent sähen auch hierzulande gerne ein Ende/Neuverhandlung der Freihandelsabkommen.
15 Prozent der Befragten sind für den Aufbau engerer Beziehungen zu Putins Russland.
Die Erbschaftsteuer sähen 13 Prozent der Befragten auch in Deutschland gerne abgeschafft.
Immerhin 4 Prozent wünschen sich eine Einführung von (Schutz-)Zöllen für Importe.
Mehrfach drohte der designierte US-Präsident mit dem Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen. Nur 2 Prozent der Befragten sind für einen Austritt beziehungsweise Rückzug aus dem Klimavertag.
17 Prozent der Befragten ist nicht nur die Person Donald Trump zuwider. Auch das Programm des Republikaners stößt auf Ablehnung.
Gemessen an der Ablehnung seiner Person, sehen die Bundesbürger Trumps Rolle in der Welt noch vergleichsweise milde. 57,2 Prozent der Deutschen gehen davon aus, Trump werde vom Weißen Haus aus die Welt politisch destabilisieren.
55,9 Prozent erwarten negative Auswirkungen für Deutschland.
Zu den möglichen Folgen für die USA ist die Skepsis viel größer: Nur 12,2 Prozent sagen, Trump werde die internationale Position seines Landes nachhaltig verbessern.
Er kennt das Land gut. 1998 war er erstmals mit einem transatlantischen Programm für Führungskräfte dort und erinnert sich bis heute gerne daran, dass er zum Ehrenbürger von Rapid City in South Dakota ernannt wurde. Danach war er immer wieder dort, als Politiker in Washington, New York, im Silicon Valley. Als Urlauber fuhr er den Highway Number One an der kalifornischen Küste entlang.
Diesmal weiß Gabriel aber nicht so recht, was ihn erwartet, als er in Washington aus dem Flieger steigt. Seine Reise ist eine Expedition in ein neues Amerika, dessen Präsident Donald Trump sich nicht mehr den Grundsätzen der westlichen Wertegemeinschaft verpflichtet fühlt. Seine Äußerungen zu Folter und Protektionismus, die Erlasse zum Mauerbau an der mexikanischen Grenze und zum Einreisestopp für Bürger muslimisch geprägter Länder haben die schlimmsten Befürchtungen der Bundesregierung sogar noch übertroffen.
Wohl nicht ganz zufällig hat Gabriel deswegen gleich am Anfang einen Termin in sein Programm eingebaut, von dem eine klare Botschaft ausgeht: Besichtigung einer deutschen Übersetzung der Unabhängigkeitserklärung in der Kongress-Bibliothek. In dem Dokument geht es auch um Menschenrechte, die heute auf dem Spiel stehen.
Die Bundesregierung sucht noch nach einem Weg, mit der neuen Situation umzugehen. Dabei kristallisiert sich eine Doppelstrategie heraus: Das Gespräch suchen, Kooperation anbieten, aber gleichzeitig klare Kante zeigen, wo es gar nicht mehr anders geht und deutsche Interessen betroffen sind - zum Beispiel beim Einreisestopp, der zunächst auch für deutsche Doppelstaater galt.