Gabriel war das Regierungsmitglied, das sich - noch als Wirtschaftsminister - nach der Antrittsrede Trumps am kernigsten äußerte. „Das waren heute hoch nationalistische Töne. Es fehlen eigentlich nur noch so Begriffe wie das Parlament als „Quasselbude“ zu bezeichnen, oder von „Systemparteien“ zu reden. Dann sind sie in der politischen Rhetorik der Konservativen und Reaktionäre der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts“, sagte er. „Der meint das wirklich ernst, und ich glaube, wir müssen uns warm anziehen.“
Inzwischen ist der Außenminister - seiner neuen Funktion entsprechend - diplomatischer geworden. Er komme mit dem „Angebot von Freundschaft und Vertrauen“ in die USA, sagt er. Die Bundesregierung hofft darauf, dass Trumps Umfeld den Präsidenten bremsen kann und will dieses Umfeld stärken. Hoffnungen setzt sie dabei vor allem auf Tillerson und Verteidigungsminister James Mattis.
Tillerson tritt sein Amt aber unter extrem schwierigen Bedingungen an. Der im Ausland lautstark angeprangerte und teilweise chaotische organisierte Flüchtlings- und Einreisestopp ist nur die Spitze des Eisberges. Der neue Außenminister muss erst einmal die 900 Karrierediplomaten in seinem eigenen Haus beruhigen, die sich in einem Beschwerdebrief gegen Trumps Migrationspolitik stark gemacht haben. Das Weiße Haus hatte ihnen mitgeteilt, sie sollten spuren, oder sie könnten gehen.
Trumps Amerika: Die Pläne des neuen US-Präsidenten
Trump will sich ganz von amerikanischen Interessen, vor allem den Sicherheitsinteressen leiten lassen. Höchste Priorität soll der Kampf gegen islamistische Terrororganisationen wie den Islamischen Staat (IS) haben. Russland wird in den Eckpunkten nicht direkt erwähnt, es gibt aber einen Satz, der als Botschaft an Russland verstanden werden kann. „Die Welt muss wissen, dass wir keine Feinde suchen, dass wir immer froh sind, wenn alte Feinde zu Freunde werden, und wenn alte Freunde zu Verbündeten werden.“ Internationale Bündnisse und Organisationen wie die Nato, die Europäische Union und die Vereinten Nationen kommen in den Eckpunkten nicht vor.
Trump setzt auf „harte und faire“ Handelsabkommen, die vorrangig der US-Wirtschaft nutzen sollen. Darauf will er seine „härtesten und klügsten“ Leute ansetzen. Erstes Ziel: „Rückzug aus der transpazifischen Partnerschaft.“ Das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta der USA mit Kanada und Mexiko will er neu verhandeln und aufkündigen, wenn es keinen „fairen Deal“ gibt. Verstöße anderer Länder gegen Handelsabkommen will er „mit allen Mitteln“ bekämpfen.
Die Kürzungen bei den US-Streitkräften will Trump rückgängig machen. „Unsere militärische Dominanz darf nicht infrage gestellt werden.“ Kein Land dürfe die USA militärisch überholen. Trump kündigt ein Raketenabwehrsystem zum Schutz vor Angriffen des Iran und Nordkoreas an. Dem Cyber-Krieg soll Priorität eingeräumt werden. Dabei sollen sowohl die defensiven als auch die offensiven Fähigkeiten der Streitkräfte gestärkt werden.
„Die Trump-Regierung wird eine Law-and-Order-Regierung (Recht und Ordnung) sein“, heißt es in den Eckpunkten. Vor allem die Gewaltkriminalität will der neue US-Präsident durch effektivere Polizeiarbeit, konsequentere Anwendung von Strafgesetzen und mehr bürgerliches Engagement bekämpfen. Das Recht auf Waffenbesitz soll nicht angetastet werden, um es jedem US-Bürger zu ermöglichen, sich selbst zu verteidigen.
Ein Grenzwall nach Mexiko soll illegale Einwanderung stoppen. Außerdem will Trump Migranten, die straffällig geworden sind, abschieben.
In zehn Jahren will Trump 25 Millionen Arbeitsplätze schaffen und vier Prozent Wachstum pro Jahr erreichen. Er will die Steuern für Bürger und Unternehmen senken sowie das gesamte Steuersystem vereinfachen. Staatliche Regulierung will die neue US-Regierung so weit wie möglich zurückfahren.
Trump will Energie für die Bürger möglichst billig machen und unabhängig sein von ausländischem Öl. Dafür will er Gesetze zum Klima- und Wasserschutz zurücknehmen, die Obama durchgesetzt hat. Stattdessen setzt er auf Fracking, also die Förderung von Erdgas aus Gesteinsschichten. Die US-Kohleindustrie will er „wiederbeleben“. Die Umweltbehörde EPA soll sich auf den Luft- und Wasserschutz konzentrieren. Trump hat früher abgestritten, dass es den menschengemachten Klimawandel gibt.
Dabei hätte Tillerson auch genug mit sich selbst zu tun. Er gilt als höchst umstritten. Bei Fragen wie etwa Klimapolitik werfen Kritiker dem ehemaligen „Ölprinzen“ vom US-Konzern ExxonMobil Befangenheit vor. In der Russland-Politik gilt das ebenfalls. Wladimir Putin hängte Tillerson einst den russischen Freundschaftsorden um, weil der sich gegen US-Sanktionen eingesetzt hatte. Im Senat bekam Tillerson am Mittwoch das schlechteste Votum seit Jahrzehnten - 43 der 100 Senatoren stimmten gegen ihn. Condoleezza Rice hatte mit 13 Gegenstimmen 2005 schon als problematisch gegolten.
Der neue Außenminister muss sich also erstmal sortieren. Vielleicht lehnte er deswegen eine gemeinsame Pressekoneferenz mit Gabriel ab, die bei Außenministertreffen befreundeter Staaten eigentlich üblich gewesen wäre.
In den nächsten Wochen wird sich zeigen, wieviel US-Außenpolitik in Tillersons State Department und wieviel im Weißen Haus gemacht wird. Im Amtssitz Donald Trumps bekam Gabriel übrigens auch einen Termin - nicht beim Chef, aber immerhin bei Vizepräsident Mike Pence. Dass er zufälligerweise dort auch Trump treffen könnte, wurde schon vorher als nahezu ausgeschlossen eingeschätzt.