Axel Ockenfels „Es kann nicht jedes Land walten, wie es will“

Der Kölner Ökonom kritisiert die bisherige Klimapolitik und fordert einen globalen Preis für Treibhausgase.

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Axel Ockenfels Quelle: David Klammer für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr Ockenfels, nach gut 20 Jahren Verhandlungen wollen sich 194 Staaten im Dezember in Paris endlich auf verbindliche Klimaziele einigen. Wird der Durchbruch diesmal gelingen?

Ockenfels: Es wird Schulterklopfen und Erfolgsmeldungen geben. Aber Paris wird den Klimawandel nicht nachhaltig bremsen und keine gemeinsame Verpflichtung bringen.

Die meisten Länder haben aber bereits teils ambitionierte Reduktionsziele gemeldet. Warum sind Sie so pessimistisch?

Pläne melden ist das eine, sie einzuhalten das andere, wie die Geschichte der Klimaverhandlungen beweist. Und vieles, was als ambitioniert verkauft wird, erweist sich bei näherem Hinsehen als unverbindliches Wunschdenken. Auch sind etwa Chinas Pläne den lokalen Umweltverschmutzungen geschuldet und nicht der Klimaproblematik. Dass so viele Länder Pläne einreichen, reflektiert doch letztlich nur, dass jedes Land walten kann, wie es will.

Zur Person

Die Pariser Konferenz ist also eine Farce?

Nein. Miteinander reden ist Voraussetzung für erfolgreiche Kooperation. Wenn es aber darum geht, wie der gute Wille in eine effektive Klimaschutzpolitik umgewandelt werden kann, ist das gegenwärtige Verhandlungsformat nicht geeignet.

Worin besteht der Fehler?

Jeder weiß: Wenn man beim Abwasch in der Wohngemeinschaft, beim internationalen Handel oder bei der Verteilung von Flüchtlingen in Europa jede Partei für sich definieren lässt, was sie will, kann das nicht funktionieren. Das ist beim Klimaschutz nicht anders.

Weil es zu viele Trittbrettfahrer gibt?

Genau. Deswegen wird eine Verpflichtung benötigt, die auf Gegenseitigkeit fußt. Dies ist die zentrale Schlussfolgerung der empirischen und theoretischen Kooperationsforschung. Die Blockade bei den Klimaverhandlungen ist kein Schicksal, sondern ein Problem des Verhandlungsprozesses, das man reparieren kann.

Was schlagen Sie vor?

Wir empfehlen, dass die Staaten über einen einheitlichen globalen Preis für CO2 verhandeln. Wie jedes Land den Preis erreicht, ob über einen Emissionshandel oder eine Brennstoffsteuer, ist ihm überlassen.

CO2-Preis überfordert die Wirtschaft nicht

Warum sollte es den Staaten leichter fallen, sich auf einen CO2-Preis zu verständigen?

Es gibt keinen Schlüssel, die notwendige Gesamteinsparung an Kohlendioxid fair auf jedes Land zu verteilen. Er wird seit mehr als 20 Jahren vergeblich gesucht. Aus diesem Scheitern wurde nun aber die falsche Lehre gezogen, gar keine gemeinsame Verpflichtung mehr anzustreben. Ein globales Preisziel hingegen wurde nie ernsthaft in Betracht gezogen – obwohl es viele Vorteile hätte.

China hat die Idee eines für alle verpflichtenden CO2-Preises bereits abgelehnt – er würde das Land finanziell überfordern.

Dass ein CO2-Preis die Wirtschaft überfordert, hört man auch in Deutschland. Aber das ist falsch. Erstens erleidet kein Land Wettbewerbsnachteile, wenn das Preisziel international geteilt wird. Zweitens führen CO2-Preise zu geringeren Vermeidungskosten. Und drittens bleiben die CO2-Erlöse im Land. Mit ihnen kann eine Regierung investieren, oder sie kann sie nutzen, um die Steuern auf Arbeit zu senken. Das alles brächte im Wettbewerb Vorteile, keine Nachteile.

Dennoch würde der Preis Länder sehr ungleich belasten.

Bei jeder Kooperation zwischen ungleichen Staaten ist ein Transfermechanismus nötig. Wir schlagen vor, den im Rahmen der Verhandlungen bereits eingerichteten Ausgleichsfond so zu nutzen, dass ein maximal ambitioniertes Klimaabkommen erreicht wird. Zusammen mit der globalen Preisverpflichtung können die Transfers relativ klein ausfallen.

Wie hoch müsste der CO2-Preis sein, damit sich die Erde um höchstens zwei Grad erwärmt?

Es gibt hier große Unsicherheiten. Doch ein Pfad, bei dem der Preis über die Zeit steigt, ist sinnvoll. Um einen Einstieg in eine effektive internationale Kooperation zu finden, wäre zu Beginn fast jeder positive Preis ein großer Fortschritt.

Wie das?

Weil fossile Brennstoffe überall kräftig subventioniert werden, liegt der CO2-Preis weltweit stark im Minus.

Und wenn sich herausstellt, dass die Klimaforscher irren?

Ein globales Preisziel ist ein flexibles und effektives Instrument, um auf neue Erkenntnisse der Klimaforschung reagieren zu können.

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