Barack Obama USA – Der Kampf um die Waffen

Obama kämpft seit langem für schärfere Waffengesetze – aber der Kongress spielte nicht mit. Jetzt will er im Alleingang wenigstens einige Regeln ändern. Aber was bringt das in einem derart waffenverliebten Land?

  • Teilen per:
  • Teilen per:
In seinem letzten Amtsjahr will Barack Obama schärfere Waffengesetze durchsetzen. Quelle: dpa

Washington US-Präsident Barack Obama ist zurück aus dem Urlaub – und wie es aussieht, geht er voller Tatendrang in sein letztes Amtsjahr. So nimmt er sich gleich zu Anfang einen schweren Brocken vor. Nachdem der Kongress praktisch alle seine Vorstöße um eine Verschärfung der Waffengesetze abgeschmettert hat, will Obama nun einen Alleingang wagen, per Anordnung wenigstens die Überprüfungen potenzieller Waffenkäufer zu verbessern. Das soll der Kern des in den nächsten Tagen erwarteten Bündels an Verfügungen sein.

„Ich erhalte zu viele Briefe von Eltern und Lehrern und Kindern, um einfach herumzusitzen und nichts zu tun“, sagte Obama in seiner jüngsten Rundfunkansprache mit Blick auf die nicht abreißende Serie von Blutbädern und die täglichen Opfer von Waffengewalt im Land. „Wir wissen, dass wir nicht jeden Gewaltakt verhindern können. Aber wie wäre es, wenn wir versuchen würden, wenigstens einen zu verhindern?“

Tatsächlich sind Obamas geplante Maßnahmen wegen rechtlicher Grenzen bescheiden genug. Daher stellt sich die Frage, wie viel sie überhaupt bewirken können. Dennoch laufen sich die Kritiker bereits heiß, muss sich Obama auf einen Sturm des Protestes einrichten.

Zwar sprach sich erst kürzlich in einer Umfrage eine Mehrheit der Amerikaner dafür aus, Schlupflöcher bei den Hintergrund-Überprüfungen von Bürgern vor Waffenkäufen im Internet oder bei sogenannten Gunshows zu schließen - genau das, worauf Obama mit seinen geplanten Schritten wohl abzielt. Aber zugleich ist die Terrorangst nach den Anschlägen in Paris und im kalifornischen San Bernardino stark gewachsen. Fast die Hälfte der Amerikaner glaubt, dass Waffen in privater Hand besseren Schutz vor Terroristen bieten.

Auf dieser Klaviatur spielen auch die republikanischen Präsidentschaftsbewerber. Das Gros von ihnen plakatiert jegliche Beschränkungen als Frontalangriff gegen das Verfassungsrecht auf privaten Waffenbesitz und will sämtliche Verfügungen des Präsidenten im Fall eines Wahlsieges rückgängig machen - am besten schon am ersten Amtstag.

„Präsident Obama versucht, die Amerikaner von seinem Versagen im Kampf gegen die wahre Bedrohung abzulenken: den radikalen islamischen Terrorismus““, sagte etwa eine Sprechern von Kandidat Ted Cruz, derzeit nach Donald Trump die Nummer zwei im Feld der republikanischen Bewerber. „Stattdessen beschneidet er die Rechte gesetzestreuer Bürger - das ist kompletter Wahnsinn.“


„Jetzt tut er, was er immer tut“

Trump selber sagte bei einem Wahlkampfauftritt, er werde Obamas Unterschrift annullieren - und zwar „so schnell, so schnell“. Auch die NRA, die mächtige Organisation der Waffenbesitzer, ist natürlich schon auf dem Plan. „Präsident Obama hat seine Anti-Waffen-Agenda nicht durch den Kongress gebracht, weil die Mehrheit der Amerikaner gegen mehr Waffenkontrolle ist“, so Sprecherin Jennifer Baker. „Jetzt tut er, was er immer tut, wenn er seinen Kopf nicht durchsetzt, er missachtet den Willen des Volkes und stützt sich auf Anordnungen.“

Und was die NRA sagt, hat großes Gewicht, besonders in einem Wahljahr. Sie benotet Bewerber nach deren Entscheidungen und Positionen in Fragen der Waffenkontrolle, die meisten der Republikaner bringen es auf die Spitzenwerte A oder A plus. Umgekehrt sind fünf der Demokraten, die nach dem Massaker an einer US-Grundschule Ende 2012 im Senat für eine Ausweitung von Überprüfungen vor Waffenkäufen stimmten, mittlerweile abgewählt und durch von der NRA unterstützte Republikaner ersetzt worden. Bestrafung an der Wahlurne.

Obama kann nicht mehr wiedergewählt werden, hätte sich auch so wohl kaum darum geschert, was die NRA über ihn sagt. Aber dass seine Amtszeit zu Ende geht, hat ihn insgesamt kühner gemacht, wie auch die Atomvereinbarung mit dem Iran oder seine Alleingänge am Kongress vorbei in Sachen Immigration und Klimaschutz zeigen. Der erfolglose Kampf für schärfere Waffengesetze sei die bisher größte Frustration seiner Amtszeit, hat er im vergangenen Sommer gesagt.

Obama ist sicherlich nicht so naiv zu glauben, dass seine geplanten Maßnahmen ein großer Wurf sind - in einem Land, in dem auf etwa 100 Einwohner schätzungsweise 89 Waffen kommen, laut einer Studie im Jahr 2013 mehr als 33 600 Menschen erschossen und über 84 000 durch Schusswaffen verletzt wurden. Für wirklich durchgreifende Änderungen ist die Liebe der Amerikaner zu den Waffen zu tief in der Kultur des Landes verwurzelt: Sie ist seit den frühen Siedlertagen eine Art Symbol für Pioniergeist, Stärke, Unabhängigkeit und das Recht, sich und die Familie zu verteidigen. Also alles nur viel Lärm um nichts? Fairer ist wohl: Viel Lärm um wenig - und wenig, so argumentiert Obama, ist besser als gar nichts.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%