Benachteiligungen China lockt und schockt zugleich

Aller Unkenrufe zum Trotz - China ist für europäische Unternehmen weiterhin der wichtigste Wachstumsmarkt. Trotzdem klagt fast die Hälfte über systematische Benachteiligungen.

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Eine Straße in Peking Quelle: dpa

Die Dichte schwarzer Audis im Straßenverkehr von Peking oder Schanghai ist auffällig. Bis vor kurzem war die Automarke vor allem bei Parteibonzen beliebt. Das mag sie noch immer sein, doch seit kurzem ist Audi in der Liste der für Offizielle wählbaren Automarken nicht mehr vertreten. Dem Autohersteller aus Ingolstadt geht es nicht anders als allen ausländischen Marken. Mit chinesischen Steuergeldern dürfen zum ersten Mal nur noch chinesische Automarken gekauft werden.

Das ist nur ein Beispiel für eine ungerechte Behandlung ausländischer Firmen. Fast die Hälfte aller europäischen Firmen, die in China tätig sind, haben den Eindruck, unter Benachteiligungen zu leiden. Das ergab eine am Dienstag veröffentlichte Studie der Europäischen Handelskammer und der Unternehmensberatung Roland Berger. In dem Papier "European Business in China - Business Confidence Survey 2012" wurden über 500 Unternehmen aus verschiedenen Branchen befragt.

Die Studie macht deutlich, dass China zwar weiterhin als der Wachstumsmarkt schlechthin gesehen wird, sich aber die Hoffnungen auf eine einhergehende Liberalisierung und Abbau der Reglementierungen für ausländische Unternehmen als verfrüht herausstellen.

Unternehmen leiden unter steigenden Lohnkosten

Trotz schwächerer Wirtschaftszahlen - anstatt zehn sind es nur noch rund acht Prozent Wachstum im Jahr - erwarten rund drei Viertel der befragten Unternehmen, dass der chinesische Markt noch wichtiger werden wird. Sie sind insgesamt optimistisch, was die Geschäftsaussichten betrifft. 73 Prozent wollen sogar mehr Personal einstellen. 2009, in den finsteren Tagen der Finanzkrise, behaupteten das nur knapp die Hälfte. Das ist insofern interessant, da die meisten der Unternehmen die stark gestiegenen Lohnkosten beklagen. Besonders in den Küstenstädten des Ostens wird es immer schwieriger, qualifiziertes Personal zu finden. Und wenn das einmal geglückt ist, verlassen viele der Mitarbeiter das Unternehmen schon wieder nach kurzer Zeit. Die Fluktuation in manchen Branchen liegt bei 20 Prozent. Manche Unternehmen berichten von Mitarbeitern, die nach einem Jahr im Betrieb eine Gehaltserhöhung von 50 Prozent fordern.

Trotzdem denkt nur rund ein Fünftel der Unternehmen darüber nach, seine Produktion in Ländern mit niedrigeren Lohnkosten wie Vietnam oder Indonesien zu verlagern. Die Infrastruktur, die Lieferketten und das stabile politische Umfeld wiegen die Kostenvorteile auf.

Chinas Entwicklung zum Binnenmarkt

Die größten deutschen Arbeitgeber in China
Knorr-Bremse Quelle: Screenshot
Heraeus Quelle: Foto: Heraeus
Henkel Quelle: Pressebild
Evonik Quelle: Pressebild
Bertelsmann Quelle: dapd
Schenker Quelle: dapd
Freudenberg Quelle: Pressebild

Denn von einigen Auswüchsen abgesehen sind die höheren Gehälter letztlich Zeichen für reiferes Marktumfeld. China entwickelt sich von einem Exportland hin zu einem Binnenmarkt. Nach und nach schwappt der Reichtum der Küstenregionen in das Landesinnere. Eine konsumhungrige Mittelschicht entsteht. Mehr und mehr Unternehmen siedeln sich im Landesinneren an.

Das ist konform mit der von der Regierung im zwölften Fünf-Jahres-Plan formulierten Go-West-Strategie. Aus dem ehemaligen Billig-Produktionsland, in dem Wanderarbeiter für ein paar Euro im Monat Kugelschreiber zusammenbauten, ist ein Wachstumsmarkt geworden, auf dem High-Tech-Produkte produziert und verkauft werden.

Dazu gehört auch die Tatsache, dass mehr und mehr Unternehmen Druck von chinesischen Mitbewerbern spüren. Produkte von Firmen wie Huawei, oder Lenovo können längst mit denen westlicher Unternehmen mithalten. Gut die Hälfte der befragten Unternehmen spricht von zunehmender chinesischer Konkurrenz.

All dies sind trotz der einhergehenden Herausforderungen für westliche Unternehmen insgesamt begrüßenswerte Tendenzen, die zeigen, dass China auf dem Weg in eine liberalere Marktwirtschaft ist (auf die  mittel- bis langfristig auch politische Freiheiten folgen mögen).

Zweifel am Reformwillen der Regierung

Doch die Reformen bleiben auf halbem Wege stecken. Noch immer werden einheimische, und vor allem staatseigene, Betriebe bei der Vergabe von Aufträgen bevorzugt. Gesetzliche Ziele wie grüne Technologie zu fördern, werden nicht eingehalten. Noch immer klagen westliche Unternehmen über fehlenden Schutz geistigen Eigentums und über mehr oder weniger erzwungenen Technologietransfer.

Zum einen mag dies auf Korruption und Vetternwirtschaft zurückzuführen sein, die in den Provinzen nach wie vor ein großes Problem ist. Zum anderen aber zweifeln nicht wenige am tatsächlichen Reformwillen der Regierung. Wenn dem Land wirklich die angestrebte Transformation in eine innovative Marktwirtschaft mit einer breiten konsumfreudigen Mittelschicht gelingen soll, muss es die Sorgen westlicher Unternehmen ernst nehmen.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen, beziehungsweise deren Implementierung, konnten bisher nicht mit der wirtschaftlichen Entwicklung Schritt halten. Die Alternative ist ein nationalistischer Staatskapitalismus.

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